Otto Weinmann
Geb. am: |
19. November 1913 |
Fakultät: |
Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Otto WEINMANN, geb. am 19. November 1913 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Julius Weinmann (Kaufmann), wohnte in Wien 2, Obere Donaustraße 43.
Nach seiner Reifeprüfung am Realgymnasium in Wien 8, Albertgasse, begann er im Wintersemester 1932/33 ein Studium an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Er war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Medizinischen Fakultät im 10. Studiensemester inskribiert (Absolutorium ausgestellt am 3. November 1938).
Er konnte nach mehreren Monaten der Unsicherheit und intensiven Lernens - "
um nicht einzuschlafen, habe ich stehend gelernt" - im Oktober 1938 die sechs ausstehenden Rigorosen absolvieren und sein Studium am 31. Oktober 1938 noch im Rahmen einer 'Nichtarierpromotion' abschließen, doch wurde damit gleichfalls ein Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich ausgesprochen und auf dem Diplom vermerkt.
Er erinnerte sich, dass Dekan Eduard Pernkopf sich weigerte, ihm bei der informellen Überreichung des Diploms die Hand zu schütteln, für Otto Weinmann war die Promotion dennoch zentral – "
Ohne mein Doktorat hätte ich nicht überlebt" – da sie ihm in der französischen Emigration nützlich war.
Otto Weinmann flüchtete in der Silvesternacht 1938 mit Hilfe eines Passeurs bei Aachen über die Grenze nach Belgien. In Brüssel wurde er als illegaler Einwanderer verhaftet und im Lager Merxplas/Belgien interniert. Während der vier bis fünf Monate, die er dort inhaftiert war, wurde er trotz fehlender ärztlicher Praxis zum Arzt bestellt und von schweren Arbeiten ausgenommen. Während des monatlichen Freigangs konnte er in Brüssel den Kontakt mit einem Cousin seiner Großmutter aufnehmen, der ihm eine unbezahlte Stelle im Pasteur Institut in Brüssel (Bakteriologie und Serologie) verschaffte. Mit dem Nachweis der Arbeitsstelle wurde er aus dem Internierungslager entlassen und konnte mit finanzieller Unterstützung der jüdischen Gemeinde überleben.
Als am 10. Mai 1940 die deutsche Wehrmacht Belgien besetzte, wurde Otto Weinmann als Ausländer verhaftet und zwei Tage später nach Frankreich deportiert. Während des Transports nach Toulouse wurde ein Waggon von Bomben getroffen, mit anderen inhaftierten Ärzten musste Otto Weinmann die schwerverletzten Häftlinge versorgen. Nach der Ankunft im Internierungslager St. Cyprienne am 18. Juni 1940 betätigte er sich weiterhin als Arzt, womit lebensrettende "Privilegien" verbunden waren (eigene Arztbaracke). Dort traf er zufällig Professor
Fritz Lieben, den er von seinem Studium an der Universität Wien kannte.
Als im August 1940 eine Typhusepidemie im Lager ausbrach und Otto Weinmann erkrankte, wurde er in das Spital St. Louis in Perpignan gebracht, wo er als Arzt wieder eine bevorzugte Behandlung erfuhr. Im September 1940 wurde er fomal von Lager in St. Cyprienne in das Lager in Gurs überstellt, wo er bis März 1941 als Insasse geführt wurde. Er konnte eine unbezahlte Stelle im Spital St. Louis in Perpignan wahrnehmen und arbeitete dort bis August 1942 als Ambulatoriumsarzt.
Ab August 1942 wurden Razzien durchgeführt und er musste das Krankenhaus verlassen und versteckte sich mit zwei weiteren Flüchtlingen in einer Wohnung. Er lernte die Französin Simone Pasquet kennen, die ihn nach Banyuls-sur-Mer an den Ausläufern der Pyrenäen brachte, von wo er mithilfe eines Passeurs nachts nach Spanien gehen sollte. Als er sich während des Marsches das Bein brach und nicht weitergehen konnte, wurde er von der Gruppe zurückgelassen. Er musste ein bis zwei Tage an der Stelle ausharren, bis ein Bauer ihn fand und die Polizei ihn mit einer Tragbahre nach Banyuls zurückbrachte. Da Otto Weinmann sich als Belgier ausgab, wurde er in ein französisches Spital gebracht, wo er dank des Schutzes eines "judenfreundlichen" Arztes bis November 1943 bleiben und studieren konnte. Anschließend fand er für zwei Monate Unterschlupf bei einer Familie in Perpignan.
Simone Pasquet besorgte ihm Papiere mit falscher Identität ("Albert Baudouin") und Geburtsort an der belgischen Grenze, Geld für eine Zugfahrt nach Lyon sowie Adressen, bei denen ihm geholfen werden konnte. In Lyon verbrachte er die letzten Kriegsmonate in wechselnden Unterkünften.
Am 20. August 1944 erlebte Otto Weinmann die Befreiung von Lyon. Auf Vermittlung eines Bekannten erhielt er im Jänner 1945 eine Stelle als Direktor eines Kinderheimes in Saint-Paul-en-Chablais, blieb dort bis November 1945 und behandelte inoffiziell auch als Arzt. Da er jedoch keine Zulassung für die ärztliche Praxis hatte, entschloss er sich Frankreich zu verlassen.
Im Jänner 1947 reiste er erstmals wieder nach Wien und traf dort einen ehemaligen Demonstrator von der Universität Wien, der aus der Emigration nach England zurückgekehrt war. Dieser vermittelte ihm eine Stelle im Wilhelminenspital in Wien 16. Vor seiner endgültigen Rückkehr nach Wien heiratete er in Paris eine Französin. Seine Tochter wurde 1951 geboren. Die Ehe wurde nach einigen Jahren geschieden, seine geschiedene Ehefrau zog nach Israel.
Als er im Mai 1947 endgültig nach Wien zurückkehrte, erhielt er auch eine zuvor von Engländern besetzte Wohnung in der Wiener Innenstadt. Nach 7 Jahren Dienst im Spital eröffnete Otto Weinmann ca. 1954 eine ärztliche Praxis (Thaliastraße Ecke Gürtel), die er 36 Jahre lang betrieb – bis Ende der 1980er Jahre war er in Wien als Internist tätig. Daneben arbeitete er als Arzt der Versicherungsanstalt der Österreichischen Bundesbahnen.
Otto Weinmann starb am 6. Mai 2010 in Wien.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1932-1938, Promotionsprotokoll MED 1929-1942, Nr. 4172; Wiener Stadt- und Landesarchiv/Opferfürsorgeakten; freundlicher Hinweis von Dorit Knobel, Israel 09/2009 und von Dr.in Barbara Sauer, Wien 07/2019; USC Shoah Foundation Institute for Visual History and Education, University of Southern California, Interview 27143 (Wien 1997); POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 497; KNIEFACZ/POSCH 2017c; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2022.
Katharina Kniefacz