Universität Wien - Startseite

Otto Weinmann

Geb. am: 19. November 1913
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene Studierende

Otto WEINMANN, geb. am 19. November 1913 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), war der Sohn des Kaufmanns Julius Weinmann (1881–1934) und dessen Ehefrau Irma, geb. Hahn (1889–1943). Mit den Eltern und seinen Geschwistern Walter (1910–1981) und Herta (1915–1945) wohnte er seit 1919 in Wien 2, Obere Donaustraße 43.

Nach seiner Reifeprüfung am Realgymnasium in Wien 8, Albertgasse, begann Otto Weinmann im Wintersemester 1932/33 ein Studium an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Er war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Medizinischen Fakultät im 10. Studiensemester inskribiert (Absolutorium ausgestellt am 3. November 1938).

Er konnte nach mehreren Monaten der Unsicherheit und intensiven Lernens – "um nicht einzuschlafen, habe ich stehend gelernt" – im Oktober 1938 die sechs ausstehenden Rigorosen absolvieren und sein Studium am 31. Oktober 1938 noch im Rahmen einer 'Nichtarierpromotion' abschließen. Damit wurde ein Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich ausgesprochen, das auf dem Diplom vermerkt wurde.

Er erinnerte sich, dass Dekan Eduard Pernkopf sich weigerte, ihm bei der informellen Überreichung des Diploms die Hand zu schütteln, für Otto Weinmann war die Promotion dennoch zentral – "Ohne mein Doktorat hätte ich nicht überlebt" – da sie ihm in der französischen Emigration nützlich war.

Otto Weinmann flüchtete in der Silvesternacht 1938 mit Hilfe eines Passeurs bei Aachen über die Grenze nach Belgien. In Brüssel wurde er als illegaler Einwanderer verhaftet und im Lager Merxplas/Belgien interniert. Während der vier bis fünf Monate, die er dort inhaftiert war, wurde er trotz fehlender ärztlicher Praxis zum Arzt bestellt und von schweren Arbeiten ausgenommen. Während des monatlichen Freigangs konnte er in Brüssel den Kontakt mit einem Cousin seiner Großmutter aufnehmen, der ihm eine unbezahlte Stelle im Pasteur Institut in Brüssel (Bakteriologie und Serologie) verschaffte. Mit dem Nachweis der Arbeitsstelle wurde er aus dem Internierungslager entlassen und konnte mit finanzieller Unterstützung der jüdischen Gemeinde überleben.

Seinem Bruder Walter und seiner Mutter Irma gelang die Flucht in die USA; sie starb 1943 in New York City. Seine Schwester Herta konnte 1938 mit ihrem Ehemann Walter Engel nach Kolumbien flüchten. Sie verstarb 1945 in Bogotá.

Als am 10. Mai 1940 die deutsche Wehrmacht Belgien besetzte, wurde Otto Weinmann als Ausländer verhaftet und zwei Tage später nach Frankreich deportiert. Während des Transports nach Toulouse wurde ein Waggon von Bomben getroffen, mit anderen inhaftierten Ärzten musste Otto Weinmann die schwerverletzten Häftlinge versorgen. Nach der Ankunft im Internierungslager St. Cyprien am 18. Juni 1940 betätigte er sich weiterhin als Arzt, womit lebensrettende "Privilegien", wie eine eigene Arztbaracke, verbunden waren. Dort traf er zufällig Professor Fritz Lieben, den er von seinem Studium an der Universität Wien kannte.

Als im August 1940 eine Typhusepidemie im Lager ausbrach und Otto Weinmann erkrankte, wurde er in das Spital St. Louis in Perpignan gebracht, wo er als Arzt wieder eine bevorzugte Behandlung erfuhr. Im September 1940 wurde er formal vom Lager in St. Cyprien in das Lager Gurs überstellt, wo er bis März 1941 als Insasse geführt wurde. Tatsächlich konnte er jedoch in Perpignan bleiben und eine unbezahlte Stelle im Spital St. Louis wahrnehmen. Er arbeitete dort bis August 1942 als Ambulatoriumsarzt.

Ab August 1942 wurden Razzien durchgeführt und er musste das Krankenhaus verlassen und versteckte sich mit zwei weiteren Flüchtlingen in einer Wohnung. Er lernte die Französin Simone Pasquet kennen, die ihn nach Banyuls-sur-Mer an den Ausläufern der Pyrenäen brachte, von wo er mithilfe eines Passeurs nachts nach Spanien gehen sollte. Als er sich während des Marsches das Bein brach und nicht weitergehen konnte, wurde er von der Gruppe zurückgelassen. Er musste ein bis zwei Tage an der Stelle ausharren, bis ein Bauer ihn fand und die Polizei ihn mit einer Tragbahre nach Banyuls zurückbrachte. Da Otto Weinmann sich als Belgier ausgab, wurde er in ein französisches Spital gebracht, wo er dank des Schutzes eines "judenfreundlichen" Arztes bis November 1943 bleiben und studieren konnte. Anschließend fand er für zwei Monate Unterschlupf bei einer Familie in Perpignan.

Simone Pasquet besorgte ihm Papiere mit falscher Identität ("Albert Baudouin") und Geburtsort an der belgischen Grenze, Geld für eine Zugfahrt nach Lyon sowie Adressen, bei denen ihm geholfen werden konnte. In Lyon verbrachte er die letzten Kriegsmonate in wechselnden Unterkünften.

Am 20. August 1944 erlebte Otto Weinmann die Befreiung von Lyon. Auf Vermittlung eines Bekannten erhielt er im Jänner 1945 eine Stelle als Direktor eines Kinderheimes in Saint-Paul-en-Chablais, blieb dort bis November 1945 und behandelte inoffiziell auch als Arzt. Da er jedoch keine Zulassung für die ärztliche Praxis hatte, entschloss er sich Frankreich zu verlassen.

Im Jänner 1947 reiste er erstmals wieder nach Wien und traf dort einen ehemaligen Demonstrator von der Universität Wien, der aus der Emigration nach England zurückgekehrt war. Dieser vermittelte ihm eine Stelle im Wilhelminenspital in Wien 16. Vor seiner endgültigen Rückkehr nach Wien heiratete er in Paris die aus Berlin stammende Margot Rechter (1922–2010).

Als er im Mai 1947 endgültig nach Wien zurückkehrte, erhielt er auch eine zuvor von Engländern besetzte Wohnung in der Wiener Innenstadt. Später lebte er in Wien 3, Bechardgasse 25/11.

Die gemeinsame Tochter Dorit (Doris) Knobel wurde 1951 geboren. Die Ehe wurde nach einigen Jahren geschieden, seine geschiedene Ehefrau zog nach Israel.

Nach einigen Jahren Dienst im Spital wurde Otto Weinmann im Juni 1952 von der Wiener Ärztekammer als Facharzt für Innere Medizin zugelassen und eröffnete im Mai 1953 eine internistische Praxis (Thaliastraße 2/5, Ecke Gürtel), die er 36 Jahre lang betrieb. Bis Ende der 1980er-Jahre war er in Wien als Internist tätig. Daneben arbeitete er als Vertrauensarzt der Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen.

Im Oktober 1999 wurde Otto Weinmann gemeinsam mit weiteren vertriebenen Studierenden von der Medizinischen Fakultät der Universität Wien geehrt. Rektor Wolfgang Greisenegger und Dekan Wolfgang Schütz überreichten Otto Fleming, Rita Krause, Heinz Pollak, Friedrich Seid, Zvi Shamir und Otto Weinmann ein Ehrendiplom.

Otto Weinmann starb am 6. Mai 2010 in Wien.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1932–1938, Promotionsprotokoll MED 1929–1942, Nr. 4172; Wiener Stadt- und Landesarchiv WStLA/Opferfürsorgeakten, WStLA/Ärztekammer Wien, K2/1 - Kartei: Ärztinnen und Ärzte; USC Shoah Foundation Institute for Visual History and Education, University of Southern California, Interview 27143 (Wien 1997); POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 497; KNIEFACZ/POSCH 2017c; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2025; freundlicher Hinweis von Dorit Knobel, Israel 09/2009 und von Dr.in Barbara Sauer, Wien 07/2019 und 04/2025; geni.com; Hohenems Genealogie.


Katharina Kniefacz


Zulassungsschein/Inskriptionsschein ("Nationale") von Otto Weinmann, Medizinische Fakultät Wintersemester 1937/38 (Vorderseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Zulassungsschein/Inskriptionsschein ("Nationale") von Otto Weinmann, Medizinische Fakultät Wintersemester 1937/38 (Rückseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Otto Weinmann, Eintrag 4172 "Nichtarierpromotion" 31. Oktober 1938, Promotionsprotokoll Medizinische Fakultät 1929-1942, Foto: Herbert Posch, © Archiv Universität Wien

Nationale von Otto Weinmann, Wintersemester 1933/33 (Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz © Archiv der Universität Wien

Nationale von Otto Weinmann, Wintersemester 1933/33 (Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz © Archiv der Universität Wien

Otto Weinmann, Doktordiplomkopie
Für Fragen oder Kommentare zu dieser Person benützen Sie bitte unser: » Feedback-Formular.