Geb. am: | 06. Mai 1914 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Peter HUPPERT, geb. am 7. Mai 1914 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Sohn von Roland Huppert (?-1942, Schriftsteller) und Flora Huppert, geb. Blum, wohnte in Wien 9, Türkenstraße 8/18, und begann 1932 an der Universität Wien Medizin zu studieren. Er war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 10. und letzten Studiensemester inskribiert
Er wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen (Abgangszeugnis vom 15. Juni 1938).
Er war seit 1926 "evangelisch A.B.", galt aber im Nationalsozialismus als Jude, musste aus Wien flüchten. Es gelang ihm eine Ausreisemöglichkeit zu finden über ein Komitee britischer Quäker, das sich für die Einreise junger österreichischer protestantischer Studenten nach Großbritannien engagierte, die dort Theologie studieren und Priester werden sollten. Seinem Bruder gelang es, über Jugoslawien nach England auszureisen und seiner Schwester Inge gelang es mit einem Dienstbotenvisum als erste nach England zu entkommen.
Ihren Eltern gelang zwar auch die Flucht ins faschistische Italien, doch schwanden dort nach Kriegsausbruch die Chancen auf Weiterreise. Sein Vater suizidierte sich 1942 in Italien, seine Witwe konnte sich in einem katholischen Kloster verstecken, von wo sie die Nonnen in die Schweiz schmuggelten.
Im September 1938 reiste er nach London ab wo er noch bei der Volkszählung im Oktober 1939 mit seinem Bruder Harold (Harry) Huppert (1916–2005) im Holy Trinity Church & Hostel in Bethnal Green, in Londons East Side lebte und vorerst als "friendly alien" registriert wurde. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurden er und sein Bruder aber doch als potenzielle "enemy alien" am 21. Juni 1940 interniert und am 10. Juli 1940 mit dem Schiff "HMT Dunera" aus England über zwei Monate auf dem Seeweg nach Australien deportiert (wie u.a. auch die Medizinstudenten Julius Schwarcz/John Julian Sanders (1912–2008), Max Schwarz (1917–1943), Bernhard Cinader (1919–2001), Waldemar Eckfeld (1915–1959), der Physikstudent Rudolf Landauer/Ralph Steven Landers (1918–1982) oder der Kunstgeschichtestudent Franz Philipp (1914–1970). Er war anfangs im Lager in Hay interniert, später in Tartuga, und wurde erst am 20. November 1941 wieder entlassen, nachdem er sich zum Pionier-Corps der British Army verpflichtet hatte.
Er kehrte am 28. November 1941 mit der "Sterling Castle" über Liverpool nach London, England, zurück. Nach der Grundausbildung in Devon wurde er der 87 Alien Pioneer Corps Company zugeteilt und zu den Pembroke Docks in Südwales geschickt. Ein Versuch, für die Fertigstellung des Medizinstudiums freigestellt bzw. aus der Armee entlassen zu werden, war nicht erfolgreich und er wurde als Übersetzer zu den Cameron Highlanders unter dem Kommando von Montgomery versetzt. Nach kurzem Krankenhausaufenthalt kam er nach der Errichtung der ersten Brückenköpfe bei der Truppe in der Normandie/Frankreich an, zog nach Norden über die Somme nach Belgien, wo er primär als Holzfäller eingesetzt wurde damit die Alliierten dringend benötigte Behelfsbrücken bauen konnten. Die letzten Kriegsmonate verbrachte er nicht an der Front, sondern erst als Bewacher eines Lebensmitteldepots in der Nähe von Brüssel in Belgien, später als Übersetzer in Delmenhorst bei Bremen und in anderen britisch besetzten deutschen Städten. Seine Eindrücke von der Stimmung in der Zivilbevölkerung, die Gleichzeitigkeit von Selbstmitleid und das völlige Fehlen von Schuldgefühlen für die Ermordung der jüdischen Bevölkerung ließen Gedanken an eine Rückkehr verschwinden. Bei der Entlassung aus der Armee kehrte er 1948 wieder nach England zurück.
Er konnte in England sein fast fertiges Medizinstudium aber nicht abschließen und arbeitete als Biologie- und Deutsch-Lehrer am St. Albans College, wo er auch seine spätere Frau kennenlernte, die in Berlin geborene Nora M. Benjamin (1928–2012). Seine nach wie vor in England lebende Schwester Inge beschloss in dieser Zeit, mit ihrem Mann in dessen Herkunftsland Schweiz zü übersiedeln, wo auch ihre Mutter lebte. Sie informierte Peter, dass die Universität in Zürich seine Wiener Medizinstudien anrechnen würde und er könnte in der Schweiz sein Doktorat in absehbarer Zeit abschließen, sofern er sich verpflichte, nicht in der Schweiz zu praktizieren. Trotz finanzieller Unterstützung seines Schwagers war die Wiederaufnahme des Studium nach zehnjähriger Unterbrechung und der unterschiedlichen Ausrichtung des Schweizer Medizinstudiums schwierig, doch es gelang ihm trotzdem in Zürich sein Medizinstudium in deutscher Sprache binnen eines Jahres abzuschließen und kehrte anschließend wieder nach England zurück, wo Ärzte für das Public Health Service dringend gesucht wurden. Er machte seine internships und als er seine erste fixe Anstellung als Arzt erhielt, heiratete er am 24. März 1951 in Willesden, London NW, Nora Benjamin und Anfang 1953 kam Tochter Rebecca zur Welt, der 1956 noch Amanda (Mandy) folgte. Nachdem er für die Approbation seines Schweizer Doktorats nochmals ein Jahr klinischer Arbeit leisten musste, wofür er ans entlegene Sheppey Island hospital on the Thames gehen musste wurde er 1954 vom Scottish Royal College of Physicians & Surgeons zugelassen und er spezialisierte sich auf Psychiatrie, was drei weitere schwierige Ausbildungsjahre und wechselndes Arbeitsorte bedeutete.
Die Familie zog mit den wechselnden Arztstellen von Peter Tom Huppert immer wieder um in England aber später auch drei Jahre nach Tasmanien, wo er als Psychiater im State Hopital Norfolk bei Hobarth arbeitete, bevor die Familie schließlich 1961 dauerhaft nach Australien übersiedelte wo er anfangs am Repatriation Department als consultant arbeitete und ab 1965 lebten sie in Sidney, NSW, und er eröffnete dort eine Privatpraxis in der er die nächsten 15 Jahre ohne die institutionellen Zwänge der staatlichen psychiatrischen Institutionen, unter denen er in all seinen Anstellungen immer sehr gelitten hatte.
Peter Huppert beging im Alter von 73 Jahren Suizid und starb am 31. Mai 1987 in Sydney, NSW/Australien. Er wurde am Macquarie Park Cemetery, North Ryde, Ryde City, NSW/Australien bestattet.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937–1938; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2023; National Archives of Australia NAA: C100, 1594047, Interview "The Dunera Diaries" mit Peter Huppert von Claudia Taranto vom 1. September 1985, NAA MP1103-2 E39808, Report on Internees Peter Huppert; Interview mit Ehefrau Nora Huppert von Tom Keleman, 22. August 1995 in Surry Hills, Sydney, USC Shoah Foundation Nr. 5012 (https://vha-usc-edu.uaccess.univie.ac.at/testimony/5012); Peter Huppert, in: Ken INGLIS, Bill GAMMAGE, Seumas SPARK, Jay WINTER & Carol BUNYAN (Hg.), Dunera Lives, vol 2: Profiles, Monash University Publishing 2020, 214–239; freundlicher Hinweis Elisabeth Lebensaft, Wien 09/2023.
Herbert Posch