Geb. am: | 18. November 1867 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene WissenschafterInnen |
Otto von Fürth wurde als Sohn des Fabriksbesitzers und Reichs- und Landtagsabgeordneten Josef Ritter von Fürth und dessen Ehefrau Wilhelmine, geb. Forchheimer, im böhmischen Strakonitz geboren. Nach der Reifeprüfung am deutschen Obergymnasium in Pilsen studierte Otto Fürth ab 1885 Naturwissenschaften, besonders Chemie und Physik, an den Universitäten in Wien und Prag, v. a. bei Adolf Lieben, Josef Stefan und Ernst Mach. Nach der Ableistung des Militärdienstes 1887/88 studierte er Medizin in Wien, Heidelberg und Berlin – zu seinen Lehrern zählten u. a. in Wien Ernst Ludwig (Medizinische Chemie), Sigmund Exner (Physiologie und Histologie) und Hermann Nothnagel (Innere Medizin). 1894 wurde Otto Fürth an der Universität Wien zum Doktor der Medizin promoviert.
Fürth arbeitete anschließend als Assistent am Pharmakologischen-Pharmakognostischen Institut in Prag unter der Leitung von Franz Hofmeister. Als dieser 1896 an das Institut für Physiologische Chemie in Straßburg berufen wurde, folgte Fürth ihm als Assistent an diese Arbeitsstätte. Dort wurde er 1899 für medizinische Chemie habilitiert. 1900 absolvierte er einen Studienaufenthalt an der Zoologischen Station in Neapel.
1905 kehrte Otto Fürth nach Wien zurück, um als Assistent am Physiologischen Institut sowie als Privatdozent für Angewandte Medizinische Chemie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien zu wirken. 1906 erfolgte seine Ernennung zum unbesoldeten außerordentlichen Professor. Gleichzeitig übernahm er die Leitung der chemischen Abteilung des Physiologischen Universitätsinstituts, das von Sigmund Exner sowie später von Arnold Durig geleitet wurde. Fürth erhielt 1912 die systemmäßigen Bezüge sowie 1917 den Titel und Charakter eines ordentlichen Professors.
Während des Ersten Weltkrieges diente er als Chefarzt im Reservespital Nr. 1 in der Wiener Stiftskaserne.
Als Nachfolger von Emil Fromm wurde Otto von Fürth 1929 Ordinarius für Medizinische Chemie und Vorstand des Medizinisch-Chemischen Universitätsinstituts in der Währinger Straße 10 in Wien.
In seinen wissenschaftlichen Arbeiten befasste sich Fürth mit verschiedenen biochemischen Problemen im Bereich der Physiologischen Chemie und Stoffwechsellehre. So untersuchte er Muskelkontraktionen und Totenstarre, Hormone, die Nitrierung und Oxidation von Eiweiß und melanotische Pigmente. Auch entwickelte er quantitative Messmethoden zur Bestimmung verschiedener biochemischer Stoffe, u.a. Milchsäure. Er war maßgeblich an der Isolierung des Adrenalins beteiligt („Suprarenin“, 1900).
Otto von Fürth wurde für seine Leistungen vielfach geehrt. So gehörte er der Gesellschaft der Ärzte in Wien, der Deutschen Chemischen Gesellschaft in Berlin sowie der Akademie der Naturforscher „Leopoldina“ in Halle (1909) an und war Ehrenmitglied der Medizinischen Akademie in Rom. Er wurde mit dem Ritterkreuz des Franz-Josefs-Ordens (1911) und dem Offiziersehrenzeichen vom Roten Kreuz (1918) ausgezeichnet und erhielt 1923 den renommierten Ignaz L. Lieben-Preis für Biochemie.
Im antisemitischen Milieu der Zwischenkriegszeit waren in den 1930er-Jahren auch Fürths Vorlesungen Ziel studentischer Ausschreitungen. Aber im November 1937 wurde Fürths 70. Geburtstag noch im Rahmen einer akademischen Feier an der Universität Wien gefeiert.
Otto von Fürth wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt. Bereits wenige Tage nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland trat er mit Schreiben vom 18. März 1938 als Vorstand des Instituts für medizinische Chemie zurück und kam damit seiner Amtsenthebung zuvor. Zum kommissarischen Institutsleiter wurde Hermann Barrenscheen ernannt. Als kommissarischer Dekan beantragte Eduard Pernkopf am 11. April 1938, Otto Fürth sowie zehn weitere Mitglieder des Lehrkörpers der Medizinischen Fakultät aus rassistischen bzw. politischen Gründen in den dauernden Ruhestand zu versetzen. Fürth wurde zwangspensioniert und von der Universität Wien vertrieben. Er starb am 7. Juni 1938.
In einem Nachruf auf ihn schrieb sein einstiger Schüler Fritz Lieben über Fürths letzte Lebensmonate:
„Fürths angeborener, tief verwurzelter Optimismus verließ ihn auch nicht gleich, als sich im März 1938 die furchtbaren Ereignisse überstürzten. Er trat sofort vom Lehramt zurück, doch dachte er immer noch, im Institut ein Zimmer zu persönlicher Arbeit und Lektüre benützen zu können. Bald darauf aber gab seine Gesundheit plötzlich nach. Nach zwei Operationen in kurzer Folge setzte ein Schlaganfall und darauf eine Lungenentzündung ein. Am 7. Juni 1938 ist er gestorben; eine in Anbetracht der Verhältnisse große Zahl von Freunden und Schülern war an seinem Grabe versammelt. – Eine kurze Zeit seelischen und körperlichen Leidens, ein rascher Tod! Auch darin ist Fürth ein Glücklicher gewesen! Er hat von dem unaussprechlichen Schicksal, das in den folgenden Jahren seine geliebte Familie getroffen hat, nichts mehr erfahren.“
(Nachruf von Fritz Lieben)
Sein Sohn Josef Egon Fürth (geb. 1901) wurde verhaftet und im November 1938 in das KZ Dachau eingewiesen, wo er am 15. März 1939 starb. Otto Fürths Witwe Margarete Fürth (geb. Grünebaum, geb. 1876) und seine Tochter Wilhelmine (geb. 1903) wurden aus ihrem Haus delogiert und in eine sogenannte „Sammelwohnung“ (Herminengasse 16/7) zwangsumgesiedelt. Von dort wurden sie 1942 nach Maly Trostinez bei Minsk (heute Belarus) verschleppt und ermordet.
Posthume Ehrungen
Erst Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und 10 Jahre nach dem Tod von Otto Fürth veröffentlichte die „Wiener klinische Wochenschrift“ im Juni 1948 einen von Fritz Lieben verfassten Nachruf auf den berühmten Biochemiker.
1952 wurde im Hörsaal des Medizinisch-Chemischen Institutes ein Gedenkrelief für Otto von Fürth enthüllt.
1966 benannte die Stadt Wien die Otto-Fürth-Gasse in Wien 22 nach ihm.
Seit 2009 wird hier im Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938 an ihn erinnert und im Zuge der seit 2009 laufenden Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien konnten im ehemaligen Bibliotheksbestand der I. chirurgischen Klinik zahlreiche Bücher ermittelt werden, die er nach einer Entlassung von der Universität dort zurücklassen musste.
Werke (Auswahl)
Vergleichende chemische Physiologie der niederen Tiere, 1903.
Probleme der physiologischen und pathologischen Chemie (2 Bände), 1912/13.
Kolloidchemie des Muskels, ihre Beziehungen zu den Problemen der Kontraktion und der Starre, 1919.
Chemie des Muskelgewebes, 1925.
Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie (2 Bände), 1925–1928.
Nierenartige Exkretionsorgane Wirbelloser, 1929.
Chemie der Hormonorgane und ihrer Hormone, 1930.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Rektorat GZ 677 ex 1937/38; Senat S 305.22 (Nachruf Otto Fürth, verfasst von Fritz Lieben); Senat S 304.327 (Personalblatt Otto Fürth); MÜHLBERGER 1993, 22; SOUKUP 2004, 229-233; DEICHMANN 2001, 77, 115, 120, 246, 284, 322; MERINSKY 1980, 69-70; UB MedUni Wien/van Swieten Blog; 100 Jahre Österreichische Krebshilfe 2010, 46; Walter MENTZEL, Otto Fürth, in: Lexikon der Provenienzforschung (2020); wikipedia; wien geschichte wiki; Österreichisches Biographisches Lexikon|ÖBL (1957); Marlene JANTSCH, Fürth, Otto Ritter von" in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 701.
Katharina Kniefacz