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Marianne Reiss, verh. Goldner

Geb. am: 24. August 1915
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende

Marianne REISS (verh. GOLDNER), geb. am 24. August 1915 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Tochter von Siegmund Reiss (Kaufmann, 1880-1942) und Anna Johanna Reiss, geb. Stejskal (1877-?), wohnte in Wien 17, Braungasse 5, war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Philosophischen Fakultät im 8. und letzten Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Chemie.

Sie wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen, nachdem sie anfangs für das Sommersemester 1938 ausnahmsweise noch im Rahmen des "2%-Numerus clausus für jüdische Studierende" zum Weiterstudium bis zum Semesterende zugelassen worden war. Sie wurde gezwungen, die Universität Wien ohne Abschluss zu verlassen.
Sie hatte zuvor am 31. Juli 1938 in Wien Mariahilf den Musiker (Bratschist) und Erfinder Richard Goldner (1908-1991) geheiratet - gleichzeitig heiratete ihr ältere Schwester Irma Reiss seinen älteren Bruder, den Kaufmann Gerhard Goldner (1905-?).

Auch ihre Schwester Irma Reiss (verh. Goldner, 1912-1996) war 1938 aus rassistischen Gründen gezwungen, die Universität Wien zu verlassen, konnte ihr Medizinstudium aber Ende Oktober 1938 zumindest noch im Rahmen einer diskriminierenden "Nichtarierpromotion" bei gleichzeitigem Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich abschließen.

Sie mussten aus Wien fliehen doch gelang es den Schwestern Marianne und Irma Reiss-Goldner und ihren Männern erst Anfang 1939 eine Ausreisemöglichkeit nach Australien zu finden und sie kamen mit der SS Orama am 23. März 1939 in Sydney, NSW, Australien an. Später gelang es auch ihren Schwestern Alice Schreiner, geb. Reiss (1913-?) und Margarethe Sinai, geb. Reiss (1915-1982), sowie ihren Schwiegereltern nach Australien auszureisen.
Mariannes Vater konnte nicht mehr rechtzeitig fliehen und wurde am 11. Jänner 1942 von Wien 6., Ägidigasse 5, in das Deutsch besetze Riga, Lettland, deportiert und dort ermordet.

Sie konnte ohne Studienabschluss vorerst keine Arbeit finden und auch ihr Mann, konnte anfangs als Musiker keine ausreichende Erwerbsmöglichkeiten im erlernten Beruf finden. Gemeinsam mit seinem Bruder Gerhard starteten sie, wie im Einreiseantrag ursprünglich angegeben, eine Produktion von Lederaccessoires und Modeschmuck und waren darin schon bald recht erfolgreich. Bald nach dem Kriegseintritt Australiens betätigte sich ihr Mann, der Hobby-Erfinder Richard Goldner, der eigentlich im Bereich der Kammermusik das Projekt Musica Viva in Australien aufbaute, auf Anregung aus Militärkreisen als professioneller Erfinder und entwarf unter anderem einen "feldtauglichen" Reißverschluss für die Armee, dessen massenhafte Produktion den beiden Goldner-Familien ein gehobenes Einkommen sicherte und sie wurden 1944 Australische Staatsbürger.

Marianne Goldner starb 1969 in Mosman, NSW/Australien.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1937-1938; Österreichisches Staatsarchiv OeStA/AdR/E-uReang/VVSt/VA/26516; National Archives of Australia NAA/A12508, 21/1560NAA/A12508, 21/1560, NAA/A261, 1939/747, NAA/A261, 1946/1720; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 456; POSCH 2009, 371; Michael LUNARDI, Richard Goldner, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, Hamburg, 2009; www.ancestry.de; www.genteam.at; www.myheritage.at; freundlicher Hinweis von Dr.in Barbara Sauer, Wien 04/2020.


Herbert Posch


Nationale von Marianne Reiss, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Marianne Reiss, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Marianne Reiss, Sommersemester 1938 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Marianne Reiss, Sommersemester 1938 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien
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