| Geb. am: | 12. August 1912 |
| Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
| Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Irma GOLDNER (geb. REISS), geb. am 12. August 1912 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Tochter von Sigmund Reiss (Fabrikant, 1880-1942) und Anna Johanna Reiss, geb. Stejskal, wohnte in Wien 17, Braungasse 5 und war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Medizinischen Fakultät im 12. Studiensemester und letzten inskribiert.
Sie befand sich beim "Anschluss" bereits im Prüfungsstadium und wurde aus rassistischen Gründen an der Beendigung ihres Medizinstudiums behindert. Doch konnte sie es am 31. Oktober 1938 als "Irma Goldner" dann doch noch abschließen, allerdings nur im Rahmen einer diskriminierenden "Nichtarierpromotion" und mit gleichzeitigem Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich.
Sie hatte zuvor am 31. Juli 1938 in Wien Mariahilf den Kaufmann Gerhard Goldner (1905-?) geheiratet - gleichzeitig heiratete ihr jüngere Schwester Marianne Reiss (1915-1969) dessen jüngeren Bruder Richard Goldner (1908-1991), Musiker (Bratschist) und Erfinder. Schwester Marianne Reiss-Goldner hatte 1938 ebenfalls an der Universität Wien studiert, allerdings Chemie an der Philosophischen Fakultät, und wurde nach dem "Anschluss" im 8. und letzten Semester von der Universität Wien vertrieben und konnte ihr Studium nicht mehr abschließen.
Sie mussten aus Wien fliehen doch gelang es den Schwestern Irma und Marianne Reiss-Goldner und ihren Männern erst Anfang 1939 eine Ausreisemöglichkeit nach Australien zu finden und sie kamen mit der SS Orama am 23. März 1939 in Sydney, NSW, Australien an. Später gelang es auch ihren Schwestern Alice Schreiner, geb. Reiss (1913-?) und Margarethe Sinai, geb. Reiss (1915-1982), sowie ihren Schwiegereltern nach Australien auszureisen.
Irmas Vater konnte nicht mehr rechtzeitig fliehen und wurde am 11. Jänner 1942 von Wien 6., Ägidigasse 5, in das Deutsch besetze Riga, Lettland, deportiert und dort ermordet.
Irmas Doktorat und Studienabschluss wurden in Australien nicht anerkannt und sie konnte vorerst nicht als Ärztin praktizieren und auch ihr Mann und ihr Schwager, der eigentlich Musiker war, konnten anfangs keine Erwerbsmöglichkeiten im erlernten Beruf finden. Ihr Mann Ger(h)ard und sein Bruder Richard Goldner griffen auf die im Einreiseantrag angegebene Produktion von Lederaccessoires und Modeschmuck als Erwerbsquelle zurück und waren darin schon bald recht erfolgreich. Bald nach dem Kriegseintritt Australiens betätigte sich der Hobby-Erfinder Richard Goldner, der eigentlich im Bereich der Kammermusik das Projekt Musica Viva in Australien aufbaute. auf Anregung aus Militärkreisen als professioneller Erfinder und entwarf unter anderem einen "feldtauglichen" Reißverschluss für die Armee, dessen massenhafte Produktion den beiden Goldner-Familien ein gehobenes Einkommen sicherte.
Irma Goldner musste ihr Studium auf Englisch in Australien wiederholen und sie graduierte im März 1955 an der Medical School der University of Sidney erneut zur Doktorin der Medizin. Sie und ihr Mann wurden am 22. Juni 1944 in Cammeray North, NSW eingebürgert und erhielten die Australische Staatsbürgerschaft und hatte zwei Kinder.
Dr. Irma Goldner, geb. Reiss, starb am 24. Juni 1996 in Sydney, New South Wales, Australien.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937-1938, Promotionsprotokoll MED 1938, 4162; Österreichisches Staatsarchiv OeStA/AdR/E-uReang/VVSt/VA/26515; National Archives of Australia NAA/SP11/5, GOLDNER Irma, NAA/A12508, 21/1559; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 456; POSCH 2009, 371; Michael LUNARDI, Richard Goldner, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, Hamburg, 2009; www.ancestry.de; www.genteam.at; www.myheritage.at; freundlicher Hinweis von Dr.in Barbara Sauer, Wien 04/2020.
Herbert Posch
