Geb. am: | 22. Mai 1880 |
Fakultät: | Philosophische Fakultät |
Kategorie: | Vertriebene WissenschafterInnen |
Josef BICK, geb. am 22. Mai 1880 in Wildeck b. Heilbronn, gest. am 5. April 1952 in Piesting, war Privatdozent (tit.ao. Univ.-Prof.) für Klassische Philologie an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien.
Der auf Schloss Wildeck bei Heilbronn in Württemberg geborene Bick besuchte bis 1900 die Gymnasien in Lohr a. M., Dieburg und Bensheim (Hessen) und studierte anschließend klassische Philologie, Geschichte und Kunstgeschichte an der Deutschen Universität Prag sowie an der Universität Gießen (Hessen). Während seines Studiums trat er der katholischen Studentenverbindung "Ferdinandea Prag zu Heidelberg" bei. Nach seiner Promotion 1905 – die Dissertation erschien 1906 unter dem Titel "Horazkritik seit 1880" – diente er als Einjährig-Freiwilliger beim Artillerieregiment Nr. 10 in Straßburg. 1906 zog er nach Wien und wurde im Jahr darauf österreichischer Staatsbürger. In Wien nahm er eine Tätigkeit an der Wiener Hofbibliothek auf, während derer er sich 1910 – auf Grundlage seiner Dissertation und der "Wiener Palimpseste" – für klassische Philologie habilitierte und 1914 den Titel eines ao. Prof. erhielt. Der Ernennung zum Vizedirektor an der Österreichischen Nationalbibliothek 1918 folgte 1923 der Posten des Direktors, wobei er 1926 in gleicher Funktion den Titel Generaldirektor erhielt. Neben seinen Funktionen als nunmehriger Generaldirektor und Privatdozent an der Universität Wien war er ab 1926 Konsulent für das Bibliothekswesen im Unterrichtsministerium, womit er auch "Entscheidungsgewalt in allen Personalfragen" erhielt. Seine Bindungen zum politischen Katholizismus dürften (mit-)ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass er 1934 auch mit der Direktion der graphischen Sammlung "Albertina" betraut wurde. Bick war zudem Mitglied im CV-nahen Club "Weißer Turm", Leiter des Wiener Altherrenverbandes des CV und Präsident der katholischen Leo-Gesellschaft. Als ehemaliger Vertrauter Kanzler Dollfuß’ war er ab November 1934 auch Vizepräsident des Bundestages und Vorsitzender des Präsidiums des Bundeskulturrates, in dem er als Vertreter für den Bereich Wissenschaft fungierte. 1935 wurde er auch Verwaltungsrat des Tyrolia-Verlages, der sich sehr stark für den autoritären Ständestaat engagierte und u. a. Johannes Messners Dollfuß-Huldigung veröffentlichte.
Bick hatte allerdings auch der 1930 aufgelösten "Deutschen Gemeinschaft" angehört, die im Geheimen auf einen Anschluss Österreichs an Deutschland hinarbeitete und als antiliberal, antimarxistisch und antisemitisch galt. Zu ihren Mitgliedern zählten u. a. auch Engelbert Dollfuß, Othmar Spann und Arthur Seyß-Inquart. Bick war einer der katholischen Gründungsrepräsentanten und soll laut Seyß-Inquart "Wortführer der Katholiken" gewesen sein. Antisemitische Beweggründe dürften auch für die von Bick verfügte Entfernung der jüdischen Assistentin Lili Fröhlich-Blum verantwortlich gewesen sein. Diese hatte am 4. Band des Katalogs der Handzeichnungen der Graphischen Sammlung Albertina mitgearbeitet und war von Bick als "artsfremd" von dieser Aufgabe entfernt worden. Dies geht aus einem Brief des "Kommissarischen Leiters" der Albertina, Reichel, vom 6. März 1939 hervor.
Bick wurde 1938 aufgrund seiner exponierten Stellung im Austrofaschismus im Nationalsozialismus aus politischen Gründen all seiner Ämter enthoben und am 1. April 1938 mit dem sogenannten Prominententransport in das Konzentrationslager Dachau gebracht, später im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert. Seine Entlassung aus der KZ-Haft erfolgte Ende August 1938. Neben den zahlreichen Funktionen, die er im Austrofaschismus innehatte, warf ihm die Gauleitung Wien auch vor, nach dem NSDAP-Verbot "aggressiv gegen den Nationalsozialismus" vorgegangen zu sein, die "Nationalsozialisten [...] nur als Verbrecher bezeichnet[e]" zu haben und in seiner Funktion als Bundeskulturrat die "Hasslit[eratur] gegen Deutschland" gefördert zu haben. Einem Bericht des Sicherheitsdienstes der SS zufolge soll er zudem "national Eingestellte aus ihren Posten verdrängt" haben.
Die Lehrbefugnis an der philosophischen Fakultät der Universität Wien hatte vorerst "bis auf weiteres zu ruhen", bis Ende Mai 1938 die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand folgte. Seinen Heimatort Piesting, an den sich Bick zurückzog, durfte er ohne Erlaubnis nicht verlassen. Der nächste Rückschlag folgte Ende März 1939 mit dem Entzug des Ruhegenusses. In der Folge wandte sich Bick an den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich und versuchte die (mutmaßlichen) Vorwürfe gegen ihn, die ihm freilich nicht mitgeteilt worden waren, zu entkräften. So betonte er, niemals eine Untersu-chung gegen jene Beamte eingeleitet zu haben, die als NSDAP-Mitglieder bekannt waren. Mit Politik selbst habe er sich "nie [...] näher befasst und auch nie ein politisches Mandat angestrebt", ja von seiner Berufung in den Bundeskulturrat habe er überhaupt erst aus der Presse erfahren. Ratlos gab er sich auch im Hinblick auf die Publikationen des Tyrolia-Verlages. Die Wiedergewährung der Pension kam dadurch nicht zustande, der Reichsstatthalter reagierte ablehnend. Allerdings erhielt Bick per 1. April 1939 einen Unterhaltsbetrag im Ausmaß von 45 % des ihm zustehenden Ruhegenusses zugesprochen. Bick wandte sich im Oktober 1940 im Zuge seiner Bemühungen um die volle Pension an den Reichsminister für Inneres, und verwies dabei insbesondere auf seinen Beitrag zum Zustandekommen des deutschen Gesamtkatalogs, "ein Werk, das kein anderes Volk oder kein anderer Staat der Welt aufzuweisen hat". Zudem habe er "als bewußter Antisemit [im Original unterstrichen, Anm.] stets dort gearbeitet, wo es galt, den jüdischen Einfluß zu bekämpfen". Als Zeugen nannte er niemand geringeren als Arthur Seyß-Inquart, der "bestätigen könne[n]", dass er "in den Nachkriegszeiten, als in Wien und Österreich der rote Jude die Alleinherrschaft anstrebte, als verläßlicher Mit-arbeiter diesem zur Seite stand". Auch verwies er auf eine langjährige Mitgliedschaft beim sudetendeutschen Heimatbund. Erfolg hatte Bick damit freilich nicht. Der Weiterbezug des Unterhaltsbeitrages wurde ihm 1942 – Bick war mittlerweile Mitglied der NSV und als Blockwalter im Reichsluftschutzbund tätig – allerdings gewährt.
Nach der Befreiung konnte Bick seine alten Posten als Direktor der Nationalbibliothek, der Albertina wie auch als Privatdozent der Universität Wien wieder in Anspruch nehmen. Als Direktor der Albertina musste er 1946 wegen Überbeanspruchung allerdings abtreten. Im Mai 1948 wurde er allerdings als Generalinspizierender der österreichischen Bibliotheken eingesetzt. Seine Pensionierung erfolgte am 31. März 1949 infolge altersbedingter Beschwerden.
Bick galt als einer der der bedeutendsten Fachmänner des österreichischen Bibliothekswesens, der sich besondere Verdienste um die Österreichische Nationalbibliothek und die Ausbildung von Bibliotheksbeamten erwarb. So ist die Umgestaltung in eine wissenschaftliche Gebrauchsbibliothek, die dem internationalen Leihverkehr angeschlossen war, auf ihn zurückzuführen. Unter seiner Federführung entstanden zudem neue Abteilungen wie etwa die Einrichtung des Zeitschriftenlesesaals. Wichtige Funktionen übte er auch im Ausland aus. Er publizierte v. a. auf den Gebieten der Philologie, der Paläographie und der Bibliothekswissenschaften. Zu Beginn machte er sich v. a. mit Arbeiten zu Horaz einen Namen, um sich dann zusehends der Handschriftenkunde zu widmen. In seinem Werk "Die Schreiber der Wiener griechischen Handschriften" hatte er etwa sämtliche in Wiener Bibliotheken aufliegende Handschriften und deren Schreiber festgestellt. Später transkribierte er u. a. die griechischen Mumientäfelchen der Nationalbibliothek. Nach seiner Ernennung zum Direktor der Nationalbibliothek widmeten sich auch seine Publikationen verstärkt der ÖNB, so etwa die Festschrift zum 200jährigen Bestehen des Gebäudes 1926. Seine Lehrveranstaltungen an der Universität Wien handelten u. a. von Horaz, Lucan, Tacitus, lateinischer Paläographie wie auch der Paläographie der griechischen Papyri.
Bick war u. a. auch Mitglied des Expertenkomitees für internationale Bibliotheksangelgenheiten des Institut international pour la collaboration intellectuelle in Paris, Mitglied der österreichischen Landeskommission des Völkerbundes für die geistige Zusammenarbeit, Präsident der Gesellschaft zur Herausgabe der Denkmäler des Theaters, Mitglied der Kommission für den Gesamtkatalog der Wiegendrucke bei der Preußischen Staatsbibliothek Berlin, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses und Verwaltungsrates der Deutschen Bücherei Leipzig, des Verwaltungsausschusses des Deutschen Museums München und korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Zu Ehren Bicks verleiht die Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliotheka-re die "Dr.-Josef-Bick-Ehrenmedaillen".
Josef Bick starb am 5. April 1952 in Wien.
Lit: Archiv der Universität Wien/Personalakt PHIL 1057; Bundesarchiv Berlin R 4901/16893 und Personalakt des Reichserziehungsministeriums; Österreichisches Staatsarchiv ÖStA/AVA/Personalakt Josef Bick; Die Ehrenmitglieder, Alten Herren und Studierenden des C.V., Wien 1925, 541; Joseph GREGOR, August LOEHR u. Richard MEISTER, Josef Bick, in: Festschrift (hgg. zum 25-jährigen Dienstjubiläum), Wien 1948; Josef Bick 70 Jahre, in: Anzeiger für die Altertumswissenschaft. Band 3 (1950), Sp. 65ff.; Robert TEICHL, Österreicher der Gegenwart. Lexikon schöpferischer und schaffender Zeitgenossen. Wien 1951; Richard MEISTER, Nachruf Josef Bick, in: Die Feierliche Inauguration des Rektors der Wiener Universität für das Studienjahr 1952/53, Wien 1953; Wolfgang ROSAR, Deutsche Gemeinschaft. Seyss-Inquart und der Anschluß. Wien u.a. 1971; Gertrude ENDEREL-BURCEL, Christlich – ständisch – autoritär. Mandatare im Ständestaat 1934–1938, Wien 1991; Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare, Dr.-Josef-Bick-Ehrenmedaille. Statuten und Richtlinien, in: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekare Jg. XLVI, Graz 1993, 11–16. (Online bei ALO); Robert STUMPF, Wissensspeicher in Zeiten politischer Umbrüche. Bruchstücke zur Geschichte der Universitätsbibliothek Wien 1938 und 1945, in: Mitteilungen der VÖB 60 (2007) Nr. 2, 9-29; Günter K. KODEK, Unsere Bausteine sind die Menschen. Die Mitglieder der Wiener Freimaurer-Logen 1869–1938, Wien 2009, 42; Beate FECHTER, Josef Bick, ungedr. phil. Dipl. Univ. Wien, Wien 2013; Gerhard Hartmann, Josef Bick, in: ÖCV Biolex [link 2024]; https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Bick.
Andreas Huber