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Jakob (Jacob) Habermann (Haberman)

Geb. am: 13. September 1912
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende
Jakob Hersch HABERMANN (Jacob Haberman), geb. am 13. September 1912 in Gołogóry, Galizien/Österreich-Ungarn [später: Polen, heute: Holohory Гологори/Ukraine] (heimatberechtigt in Rowaruska/Polen [Rawa-Ruska Рава-Руська/Ukraine], Staatsbürgerschaft 1938: Polen), Sohn von Markus Leib (Mordechai Arie) Habermann (Vereins-Rabbiner, 1882–1945) und Sima Habermann (geb. Schorr, 1885–1926), wohnte in Wien 9., Meynertgasse 6/9. Er hatte am 15. März 1934 am Bundesrealgymnasium in Klosterneuburg/Niederösterreich erfolgreich die Reifeprüfung (Matura) abgelegt und hatte vom Wintersemester 1933/34 bis zum Wintersemester 1937/38 an der Universität Wien Geschichte studiert und war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Philosophischen Fakultät im 8. und letzten Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Geschichte und Geographie (Absolutorium ausgestellt am 22. Jänner 1938). Er hatte sich bereits am 8. Oktober 1937 zu den Abschlussprüfungen ("Rigorosen") in Geschichte angemeldet und am 18. Dezember 1937 das "einstündige Rigorosum" bzw. "Philosophicum" beim Psychologen und Philosophen Prof. Karl Bühler (1879–1963) und dem Pädagogen Prof. Richard Meister (1881–1964) bestanden, und seine Dissertation "Die Rolle des Individuums in der Geschichte nach Jacob Burckhardt", betreut von Prof. Leo Santifaller (1890–1974), fertiggestellt, doch im März 1938 brach das Verfahren vor der Approbation und dem zweiten Rigorosum mit den Historikern Prof. Leo Santifaller und Prof. Paul Müller (1895–1948) ab. Er war im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien ohne Abschluss zu verlassen. Auch sein jüngerer Bruder Oswald Habermann (1915-1997), der ebenfalls an der Philosophischen Fakultät studierte, wurde von der Universität Wien vertrieben. Jakob Habermann musste aus Wien flüchten und es gelang ihm, nach Palästina [Israel] zu emigrieren. Er konnte dort an der Hebräischen Universität Jerusalem Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit im Hauptfach und Bibelwissenschaft und Philosophie im Nebenfach studieren und erwarb im Frühjahr 1943 den Grad eines "Magister Artium" (M.A.). Nach Ende des Zweiten Weltkrieges fragte er im April 1947 aus Jerusalem am Philosophischen Dekanat der Universität Wien an, ob er seine Dissertation nun vorlegen und sein Studium abschließen könne und erhielt zwei Wochen später die Nachricht
"daß gegen den Abschluß Ihrer Doktorprüfungen an der Universität Wien kein Hindernis besteht. Dieser Abschluß setzt voraus, dass Ihre Dissertation in 3 Exemplaren der Fakultät vorgelegt werden müßte und daß die Arbeit positiv begutachtet würde. Dann müßten Sie das Hauptrigorosum in mittlerer und neuerer Geschichte und in einem Nebenfach ablagen, für das Sie aber statt Altsemitischer Philologie, die angeblich hier nicht vertreten ist, etwa Arabistik oder ein anderes Ihnen gelegenes Nebenfach wählen müßten."
Im August 1947 schickte er die 3 Dissertationsexemplare an die Fakultät zur Begutachtung und entschied sich für das Nebenfach Geographie (mit besonderer Berücksichtigung der Geographie des Vorderen Orients), da er seinerzeit drei Semester lang Geografie bei Prof. Hassinger (1877–1952) belegt hatte. Nachdem er ein halbes Jahr keine Antwort erhielt, urgierte er im März 1948 und nochmals im Juli 1948 und Ende November 1948 offensichtlich ohne eine Antwort der Universität zu erhalten. Eine Kurzmitteilung der Postzensurstelle legt nahe, dass die beigelegten Dissertationsexemplare verloren gegangen sind. Irgendwie dürften sie dann doch den Weg nach Wien gefunden haben, denn am 5. Juli 1949 erfolgt eine – allerdings vernichtende – Beurteilung der Dissertation durch Prof. Friedrich Engel-Jánosi (1893–1978), selbst im Nationalsozialismus vertrieben und erst nach 1945 wieder an die Universität Wien zurückgekehrt. Er bemängelt eine unzureichende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema, stilistische Nachlässigkeiten und Unklarheiten, die Unvollständigkeit der berücksichtigten Literatur (ohne in Rechnung zu stellen, dass die Arbeit ja bereit 1937 verfasst wurde) und dass sich die Arbeit »mit einer teilweisen Zusammenstellung anderweitig vorgebrachter Betrachtungen [begnüge]; demgemäss führt sie auch nicht zu irgend neuen Resultaten«. Der Zweitbegutachter, Prof. Hugo Hantsch (1895–1972) schloss sich seiner Meinung an, da Engel-Janosi damals als einer der besten Kenner des Kulturhistorikers Burckhardt galt. Damit war die Dissertation "als den wissenschaftlichen Anforderungen nicht entsprechend" abgelehnt. Dekan Prof. Herbert Duda (1900–1975) teilte ihm das am 20. Juli 1948 mit und mit der Option:
"Wegen einer genauen Besprechung für die Umarbeitung wollen Sie sich bitte an die Herren Referenten wenden (historisches Seminar der Univ. Wien). Von den 3 Exemplaren stehen Ihnen für eine Überarbeitung wieder zwei Exemplare zur Verfügung, die Sie durch eine von Ihnen beauftragte und mit Vollmacht ausgestattete Person beheben lassen können, oder gegen Spesenbeitrag von S 10,– zugeschickt erhalten."
Auf diese Möglichkeit dürfte er aber nicht mehr zurückgekommen sein. Jacob Haberman starb am 21. Dezember 1975 in New York und ist am New Montefiore Cemetery in West Babylon, Suffolk County, NY/USA bestattet.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1933-1938, PHIL Rigorosenakt und -protokoll Nr. 13766, PHIL GZ 45 ex 1946/47 ONr. 12, PHIL GZ 45 ex 1947/48, ONr. 41; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 398; www.ancestry.de; VHA-Interview mit Bruder Nathan Haberman, USA 1998.


Herbert Posch


Nationale von Jakob Habermann, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Jakob Habermann, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Jakob Habermann, Wintersemester 1937/38 (2. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Jakob Habermann, Wintersemester 1937/38 (2. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Joshua O. Habermann

Joshua O. Habermann

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