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Fritz (Frederick Claude) Kramer

Geb. am: 16. Februar 1914
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende
Mag. pharm. Fritz KRAMER (später: Frederick Claude Kramer], geb. am 16. Februar 1914 in Wien/Österreich-Ungarn (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Josef Kramer (1876-1941, Apotheker) und Grete Kramer, geb. Pollak (1891-1941), wohnte in Wien 4, Eckhaus Trappelgasse 11/Wiedner Hauptstraße 75/12. Er hatte 1932 am humanistischen Gymnasium in Wien 5., Rainergasse 39 (Elisabethgymnasium, heute: Rainergymnasium) die Matura/Reifeprüfung abgelegt und nahm im Wintersemester 1932/33 an der Universität ein Pharmaziestudium auf, das er 1937 mit der Sponsion zum Magister der Pharmazie ("Mr.pharm.") auch abschloss. Anschließend studierte er ab Wintersemester 1937/38 weiter auf das Doktorat hin, nun allerdings in Psychologie. Er war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Philosophischen Fakultät im 11. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Psychologie und Philosophie. Fritz Kramer war neben dem Psychologiestudium seit 7. Juli 1937 als Aspirant in der Haydn-Apotheke beschäftigt, die sein Vater 1926 in Wien 5., Margaretengürtel 98 (Metzleinstalerhof) als erste Apotheke in einem Gemeindebau des "Roten Wien" eröffnet hatte. Nach dem Anschluss 1938 war er aus rassistischen Gründen gezwungen sein Studium abzubrechen - nachdem auch sein Antrag abgelehnt wurde, zumindest noch drei Monate im Rahmen des 2%-numerus clausus für jüdische Studierende weiterzustudieren, und musste die Universität Wien umgehend verlassen. Fritz Kramer schrieb gleich nach dem Anschluss seinem Cousin Rudolf Gleissner, Apotheker in New York, wie es in den USA sei und belegte auch sofort einen Englischkurs (da er am humanistischen Gymnasium keine lebenden Fremdsprachen unterrichtet worden waren). Sein Cousin schickte ihm binnen weniger Wochen ein Affidavit, damit er in die USA ausreisen konnte. Fritz Kramer war trotz der katastrophalen Rahmenbedingungen froh, der vorgezeichneten aber ungeliebten Zukunft in der väterlichen Apotheke zu entkommen und in den USA frei über seine berufliche Zukunft entscheiden zu können. Er konnte am 16. Mai in der US-Botschaft in Wien ein Visum für die USA erhalten und reiste dann über Le Havre/Frankreich am 10. Juni 1938 mit dem Schiff SS Georgic aus und kam am 19. Juni 1938 in New York/USA an.
Zu dieser Zeit wurde in Wien die Apotheke des Vaters "arisiert" - durch Zwangsverkauf weit unter Wert enteignet - nach einiger Zeit wurde er mit seiner Frau zwangsumgesiedelt in eine Juden-Sammelwohnung in der Hollandstraße in der Leopoldstadt und 1941 wurden beide nach Litzmannstadt [Łódź/Polen] deportiert, wo er noch kurz als Apotheker arbeitete - beide überlebten nicht lange. Fritz Kramer zog in den USA vorerst zu seinem Cousin Rudolf Gleissner, Sohn der Schwester seines Vaters, nach 713 Eastern Parkway, Brooklyn, New York/NY. Er half dann einem Verwandten bei der Tabakernte in South Carolina, ging dann nach Richmond/Virginia und arbeitete als Apotheker in einem drugstore, dann in Washington D.C., und zog dann von Oktober 1939-Oktober 1940 zu seiner ebenfalls von der Universität Wien ohne Abschluss vertriebenen Schwester Lilly Kramer, die  mittlerweile in den USA emigrieren konnte und die als Hausmädchen bei einem berühmten Cartoonisten - Harry ("Bud") Fisher (1885-1957), in Deal, New Jersey und später ins nahe Asbury Park, New Jersey wo er in einer Möbelproduktion arbeitete und später als Couponverkäufer für ein Photostudio (Wexler), von November 1940 bis Juni 1942 in Newark New Jersey als Kellner in einem Hotel, von Juli 1942 bis September 1944 als Kellner in New York City, NY. Seine Versuche, auch die Eltern in die USA zu holen scheiterten, da beide in der ehemaligen Tschechoslowakei geboren waren und die Einreisequote von dort war nur sehr klein. Zu dieser Zeit hatte er von einer Tante erfahren, dass seine Eltern nach Łódź deportiert worden und bald darauf umgekommen waren. Er suchte Hilfe bei seiner Schwester, mittlerweile verheiratet mit Richard I. Kovler (1910–2006) in Waterbury, Connecticut, hatte auf der Rückreise einen Zusammenbruch und war für rund ein Jahr in einer psychiatrischen Klinik.
Von dort wechselte er 1945 zu seinem Onkel Richard und Elsa Popper nach Chicago und wurde US-Staatsbürger (und anglisierte endgültig den Vornamen von Fritz zu "Frederick Claude"). Später gab er in Chicago Musikunterricht und begann als Photograph zu arbeiten. 1956 lernte er auch seine spätere Frau kennen, die er 1957 heiratete und 1959 wurde ihre Tochter geboren. Frederick Claude Kramer starb am 22. Mai 1992 in den USA.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1937-1938; ÖStA, AdR 06: VVSt, VA 18759, Josef Kramer; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 421; freundlicher Hinweis Dr. Liesl Fritsch, Wien 2013; FRITSCH 2007, 63; LEIMKUGEL 1999, 74 u. 221; Alfred Fehringer, Arisierung und Rückstellung von Apotheken in Österreich, Göttingen u. Wien 2013, 142-144; Benedikt Zanzinger, "Arisierung" und Restitution der Wiener Apotheken, ungedr. phil. Dipl. Univ. Wien, Wien 2013, 46, 85-90; freundlicher Hinweis seiner Tochter Marion Dole, Los Angeles 01/2019 und 03/2021; Interview von Marion Dole mit Frederick Kramer vom 19. April 1989.


Herbert Posch


Nationale von Fritz Kramer, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Fritz Kramer, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Fritz Kramer, Wintersemester 1937/38 (2. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Fritz Kramer, Wintersemester 1937/38 (2. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Fritz Kramer, Sommersemester 1938 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Fritz Kramer, Sommersemester 1938 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien
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