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Ernst Schwarz

Geb. am: 06. August 1916
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene Studierende
Ernst SCHWARZ, geb. am 6. August 1916 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Desiderius Schwarz (Kaufmann) und Bertha Schwarz, wohnte in Wien 13 (heute: 14), Diesterweggasse 8. 1935 maturierte er am Bundesgymnasium Wien XIII (Reifeprüfung) im Wintersemester 1935/36 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien und war im Wintersemester 1937/38 im 5. Studiensemester seines Medizinstudiums inskribiert, wo bei dieses Semester bereits wegen mangelndem Vorlesungsbesuch nicht angerechnet werden konnte. Er wechselte im Sommersemester 1938 vielmehr an die Philosophische Fakultät und belegte dort im 1. Studiensemester Vorlesungen in Ägyptologie und Alter Geschichte. Er wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen und politischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen. Als Jude und Mitgleid der sozialistischen Jugendbewegung war er doppelt gefährdet. Er und seine drei Geschwister: Egon (1904–1976), Lilly (1908–1972) und Francis (1909–2000) mussten und konnten alle aus Österreich fliehen und schafften es, den Nationalsozialismus zu überleben.
Ernst Schwarz gelang es, gemeinsam mit seinem Bruder Egon, eine Schiffspassage nach Shanghai zu erhalten und nach China zu emigrieren. Auch seine Verlobte und Studienkollegin Annemarie HECHT, später PORDES (1917-2002), Tochter des Professors für Kinderheilkunde Franz Adolf HECHT, konnte emigrieren – erst alleine in die USA, aber bald weiter nach Shanghai, wo sich die beiden wieder trafen und heirateten. Sie lebten in der privilegierten "French Concession" und während sich seine Frau mit einer Freundin selbstständig machte und erfolgreich den englischsprachigen Kindergarten "Alice in Wonderland" gründete (und bis 1949 weiter betrieb, trotz einer Erkrankung an Kinderlähmung) erlernte Ernst Schwarz relativ rasch die chinesische Sprache und arbeitete als Gymnastiklehrer und Boxtrainer und zahlreichen anderen Berufen. Nach anhaltenden Ehekrisen ließen sich Ernst und Annemarie SCHWARZ scheiden. Ernst Schwarz wurde ein bedeutender Sinologe und Übersetzer, in Nanjing (1946/47) und Hangzhou (1958-1960) unterrichtet er englische Literatur an der chinesischen Universität. In Nanjing war er auch Sekretär an der österreichischen Gesandtschaft (1947-1950) und in Peking ab 1951 arbeitete Übersetzer für den dortigen Verlag für fremdsprachige Literatur und vieles andere mehr. Er gibt an,
"als Dolmetscher bei Gericht, als Übersetzer, als Jutespinner, als Bauer im regelmäßigen freiwilligen Einsatz in den Teeplantagen und auf den Reisfeldern in Hongdschour, als Sportlehrer, als Journalist, Bibliothekar und in so machen anderen Berufen" tätig gewesen zu sein. "Ein ziemlich mühsames Leben, dafür aber voller Abwechslung." Über die Zeit des "Großen Sprung vorwärts" schreibt er: "Noch Jahre nach meiner Rückkehr nach Europa sah ich mich in Alpträumen zurückversetzt in die graue Welt sinnloser, oft ganze Tage lang dauernder Versammlungen, verfolgten mich die schrillen Stimmen der Ankläger und Denunzianten, der grimmige Ton der Kritik und die strenge Bestrafung, die ehrliche Menschen über sich ergehen lassen mußten, wenn sie 'dumm' genug waren, die Wahrheit zu sagen, wirklich kritikwürdige, Volk und Staat schädigende Maßnahmen, Fehler und Mängel aufzudecken."
Aufgrund chinesischer Repressalien während der Zeit des "Großen Sprungs nach vorn" verlässt Schwarz 1960 die Volksrepublik China und reist über England und Belgien schließlich in die DDR. Ab 1961 arbeitete und lehrte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostasiatischen Institut der Humboldt-Universität in Berlin chinesische Sprache und Literatur, promovierte 1965 zum Doktor der Philosophie und unterrichtete als Universitätslektor bis 1970 weiter an der Universität. Danach lebt er als freier Übersetzer in Berlin und hatte u.a. einen Lehrauftrag an der Wiener Diplomatischen Akademie. Einige Jahre nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" (1989) zog er 1993 mit 77 Jahren wieder nach Wien. Nach Bekanntwerden seiner Spionagetätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR (Stasi) 1994 zog sich ins Waldviertel, nach Münichreith zurück, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte. Ernst Schwarz wurde vor allem bekannt durch seine Übertragungen von klassischen Gedichten und philosophischen Texten aus dem Chinesischen, die beim Lesepublikum allgemein großen Anklang fanden und bezüglich Konfuzius, Lao Tse und Tao Yüan-ming im deutschsprachigen Raum Maßstäbe setzten. Zu seinen Werken zählen u.a.: Die klassische chinesische Literatur und das Weltbild Chinas im Feudalzeitalter (Berlin 1964), Der Reiter im grünen Gewand (Chinas Völker erzählen; Folge 1) (Peking 1964), Zur Problematik der Qu Yuan-Forschung (Dissertation, Berlin 1965), Chrysanthemen im Spiegel. Klassische chinesische Dichtungen (Berlin 1969), Lob des Steinquells. Koreanische Lyrik (Weimar 1973), Der Glücksbegriff in China (Wien 1976), Stein des Anstoßes (Berlin 1978), Von den müßigen Gefühlen. Chinesische Liebesgedichte aus 3 Jahrtausenden (Leipzig 1978), Chinesische Liebesgedichte (Frankfurt am Main, 1980), Vom Weg allen Geistes. Sentenzen aus dem alten China (Berlin, 1985), Damit verdien ich mir mein Paradies. Unbekannte Bildwerke in den Domen zu Magdeburg und Stendal (Gedichte) (Berlin, 1986), Die Weisheit des alten China (München 1994), So sprach der Meister (München, 1994), Der rechte Weg. Chinesische Weisheiten (Berlin, 2000), Das Leben des Bodhidharma (Düsseldorf, 2000). Zu seinen bekanntesten Übersetzungen zählen: Po-tsan Chien, Kurzer Abriß der chinesischen Geschichte (Peking 1958, gem. m. Chün-chêng Shao und Hua Hu); Tschin Dschao-jang [Qin Zhaoyang], Dorfskizzen (Peking, 1956), Yubao Gao, Meine Kindheit (Peking, 1962), Konfuzius, Gespräche des Meisters Kung (München, 1985), Li Tai Bo: Li Tai-bo (Berlin, 1979), Laudse [Laozi], Daudedsching [Tao Te King] (Leipzig, 1970, München, 1995), Li Nan-li, Lo Tsai, der Tigerjäger und andere Geschichten (Peking, 1958), Tao Yüan-ming, Pfirsichblütenquell (Leipzig, 1967), Gung Schu T., Schu Ting (Berlin, 1988), Yuanwu, Bi-yän-lu. Aufzeichnungen des Meisters vom Blauen Fels (München, 1999). Die bereits für 2001 von einem Berliner Verlag angekündigte Autobiografie Tausend Tore hat die Wahrheit ist nicht mehr erschienen. Ernst Schwarz hatte 1981 mit dem F.-C.-Weiskopf-Preis und 1992 mit der Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold ausgezeichnet worden. Er starb am 6. September 2003 in Münichreith (Waldviertel)/NÖ.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1935-1938, PHIL 1937-1938; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 471; Konrad HERRMANN, Über den Einfluss des Exils auf das wissenschaftlich-literarische Schaffen des österreichischen Sinologen Ernst Schwarz, in: Mechthild Leutner u. Klaus Mühlhahn (Hg.), Reisen in chinesischer Geschichte und Gegenwart: Erfahrungen, Berichte (= Jahrbuch der Deutschen Vereinigung für Chinastudien 4), Wiesbaden 2008, 203-214; Günther ALBRECHT u.a., Schriftsteller der DDR, Leipzig 1975; Eva JANCAK, Dreizehn Kapitel. Selbstverlag, Wien 2014; Wikipedia; Das Klassische China; freundlicher Hinweis von Prof. Albert Koenig, Univ. of Hong Kong, 03/2020.


Herbert Posch


Nationale von Ernst Schwarz, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Ernst Schwarz, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Ernst Schwarz, Sommersemester 1938 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Ernst Schwarz, Sommersemester 1938 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien
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