Ella Reiner (Lingens)
Geb. am: |
18. November 1908 |
Fakultät: |
Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Ella REINER (verh. LINGENS), geb. am 18. November 1908 in Wien/Österreich (heimatberechtigt in Ernestinowo/Jugoslawien, Staatsbürgerschaft: Jugoslawien), Tochter von Friedrich Reiner (Gutsbesitzer), wohnte in Wien 8, Piaristengasse 54, war zuletzt im Wintersemester 1938/39 an der Medizinischen Fakultät im 7. Studiensemester inskribiert (Wintersemester 1938/39 wurde ihr am 11. April 1939 als gültig angerechnet).
Sie wurde wegen ihrer Arbeit im antifaschistischen Widerstand nach Auschwitz [Oswiecim] und Dachau deportiert - 1945 aus dem Lager befreit, schloss sie später ihr Medizinstudium an der Universität Wien ab.
Ella Reiner hatte in München, Marburg und Wien studiert, zuerst Jus, in den 1930er Jahren dann Medizin. Ihr Mann,
Kurt Lingens, ein deutscher Antifaschist, war Arzt. So war der März 1938 für das Paar auch der Zeitpunkt, an dem sie entscheiden mussten, wie sie sich zu positionieren gedachten. Sie wählten nicht die Emigration, sondern blieben in Wien und unterstützen KommilitonInnen, die als Jüdinnen und Juden verfolgt wurden, bei der Flucht und nahmen Verfolgte in ihrem Haus auf.
Zusammen mit
Karl von Motesiczky, einem Psychoanalytiker und Regimegegner, der nach dem März 1938 aus dem norwegischen Exil nach Wien zurückgekehrt war, um jüdischen FreundInnen zu helfen, wurden sie, als sie zwei jüdischen Ehepaaren aus dem polnischen Widerstand bei der Flucht beistehen wollten, denunziert. Karl von Motesiczky, Ella Lingens und ihr Mann wurden verhaftet. Ihr Sohn Peter, später einer der renommiertesten Journalisten Österreichs, war zu dieser Zeit drei Jahre alt. Nach vier Monaten Gestapohaft wurde Ella Lingens nach Auschwitz deportiert, wo sie sich im polnischen Krankenblock weiter dafür einsetzte, Leben zu retten. Kurt Lingens überlebte die Strafkompanie in der Sowjetunion, Karl von Montesiczky starb 1943 in Auschwitz.
Ella Lingens wurde im Dezember 1944 nach Dachau "verlegt" und erlebte dort 1945 die Befreiung durch die amerikanische Armee. Zurück in Wien zerbrach die Ehe. Sie beendete ihr Medizinstudium an der Universität Wien und arbeitete daraufhin in vielfältigen Kontexten an Kliniken und im Gesundheitswesen und wurde Ministerialrätin im Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz.
Ella Lingens-Reiner und Kurt Lingens wurden mit der Ehrenmedaille "Gerechte unter den Völkern" ausgezeichnet.
Ella Lingens starb am 30. Dezember 2002 in Wien.
2003 erschien ihr Buch "Gefangene der Angst - Ein Leben im Zeichen des Widerstandes" über die Jahre des Widerstandes und ihre Erfahrungen in den Konzentrationslagern. 2006 wurde das Gymnasium in Wien 21., Gerasdorfer Straße 103, nach ihr in
"Ella Lingens Gymnasium" benannt. Am 28. Februar 2012 wurde ihr zu Ehren eine neu errichtete Straße in der Asperner Seestadt in Wien 22 (Donaustadt) "
Ella-Lingens-Straße" benannt.
Lit.: POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 343, 455; Ella Lingens, Gefangene der Angst. Ein Leben im Zeichen des Widerstandes, Wien u. a. 2003; Yad Vashem, Ausstellung "Flickers of Light. The story of six Righteous Among the Nations in Auschwitz"; Ella Lingens Gymnasium; KNIEFACZ/POSCH 2017c; www.geschichtewiki.wien.gv.at.
Doris Ingrisch | Herbert Posch