Ella Flaum (Féher)
Geb. am: |
12. Juli 1904 |
Fakultät: |
Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: |
Vertriebene WissenschafterInnen |
Ella FLAUM (geb. FÉHER), geb. am 12. Juli 1904 in Körtvélyes/Ungarn [Pama/Burgenland] (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich) als Tochter von Dr. Samuel Fehér (Arzt) und dessen Ehefrau Sidonie geb. Hirschl, gest. um 1977 in Australien, war bis März 1938 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Pharmakologischen Institut an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien.
Ella Fehér studierte Chemie an der Universität Budapest. Während ihres Studiums befasste sie sich im Bereich der Agrarwissenschaft und –wirtschaft mit dem Mineralstoffmangel in Böden. Ihre Forschungsergebnisse fanden auch praktische Verwendung in den landwirtschaftlichen Bezirken Ungarns.
Als promovierte Chemikerin kam Ella Fehér nach Wien und arbeitete ab 1. November 1929 als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof.
Leo Pollak im Bereich Biochemie im Pharmakologischen Institut der Universität Wien. Dort war sie an zahlreichen Medikamentenstudien (zuletzt v.a. mit Insulin) an Tieren beteiligt, um deren Wirkung auf den Menschen zu untersuchen.
Pollak, mit dem sie auch gemeinsam publizierte, beschäftigte sie auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin auf der Abteilung für Innere Krankheiten des Wiedner Krankenhauses (Vorstand Prof. Sternberg).
Dr. Ella Fehér heiratete am 16. Juni 1934 den Internisten
Dr. Ernst Flaum (geb. am 22. März 1904 in Wien). Sie wohnte zuletzt in Wien 9, Lazarettgasse 11.
Ella Flaum wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt, verlor ihre Position und Arbeit und wurde im März 1938 von der Universität Wien vertrieben.
Unterstützung erhielt sie von zwei Lehrenden,
Ernst Peter Pick und Leo Pollak, die beide ebenfalls 1938 von der Universität Wien entlassen wurden und Ella Flaum im März 1938 jeweils ein Empfehlungsschreiben ausstellten.
Als Vorstand des Pharmakologischen Instituts betonte Pick, dass sie nicht nur
„mannigfache chemische, insbesondere mikrochemische organische quantitative und qualitative Analysen ausgeführt“ hatte, sondern auch verschiedene experimentell pharmakologische Methoden erlernt, beherrscht und auf mehreren Forschungsgebieten erfolgreich angewandt hatte.
„In langjähriger Zusammenarbeit mit den Herren des Institutes Professor Dr. A. Fröhlich, Professor Dr. Leo Pollak und Professor Dr. E. Zak hat sie sich als stets zuverlässige, eifrige, kritische und sehr intelligente Mitarbeiterin glänzend bewährt. Infolge ihrer vortrefflichen persönlichen Eigenschaften, ihrer opfervollen Hilfsbereitschaft war sie bei allen Institutsmitgliedern aufrichtig geschätzt und sehr beliebt, sie bleibt uns Allen in bester Erinnerung und wir wünschen dieser verehrten Collegin auch weiterhin die schönsten Erfolge ihres unermüdlichen Arbeit.“ [Empfehlungsschreiben von Ernst Peter Pick vom 5. März 1938, Österreichisches Staatsarchiv]
Ihr direkter Vorgesetzter Pollak lobte ihre Genauigkeit und unbedingte Verlässlichkeit sowie ihre
„besondere Begabung für wissenschaftliche Arbeit“, die unter anderem ihre zahlreichen gemeinsamen Publikationen befruchtet hatten.
„Sie hat sich während dieser Zeit als gründlichst ausgebildete Chemikerin erwiesen, welche nicht nur die geläufigen blutchemischen und stoffwechselchemischen Methoden beherrscht, sondern auch befähigt ist, sich in neue, seltener angewandte Verfahren rasch einzuarbeiten und selbständig brauchbare Modifikationen derselben zu erfinden. Ausserdem zeichnete sie sich durch besonderes Geschick in tierexperimentellen Eingriffen aus. Alle ihre Untersuchungen hat sie mit grösster Genauigkeit und unbedingter Verlässlichkeit durchgeführt. Ueber das methodische hinaus hat sie unsere gemeinsamen Arbeiten durch besondere Beobachtungsgabe und selbständige Ideen wesentliche gefördert.“ [Empfehlungsschreiben von Leo Pollak vom 20. März 1938, Österreichisches Staatsarchiv]
Ihrem Ehemann
Ernst Flaum gelang es, mit der Hilfe eines seiner Patienten eine Möglichkeit zur Emigration zu organisieren. Gemeinsam emigrierte das Ehepaar am 13. August 1938 aus Österreich und reiste über Indonesien nach Australien, wo sie sich in Adelaide/Süd Australien niederließen. In Australien wurde ihre Tochter Barbara Flaum geboren und die Familie erlangte die britische (australische) Staatsbürgerschaft.
Ernst Flaum fand eine Arbeitsstelle an der University of Adelaide und war daneben als prakitscher Arzt tätig, während Ella Flaum ab 1939 für das Council of Scientific and Industrial Research (CSIRO) in Adelaide als Forschungsmitarbeiterin am Labor für Tierernährung (Animal Nutrition laboratory) tätig war. Dort befasste sie sich zunächst vor allem mit Forschungen zum Stoffwechsel von Schafen.
Ihr Ehemann Ernst Flaum starb am 30. November 1956 im Alter 52 von Jahren im Ru Rua Private Hospital in North Adelaide.
Am 26. Februar 1963 stellte Dr. Ella Flaum beim "Fonds zur Hilfeleistung an politisch Verfolgte, die ihren Wohnsitz und ständigen Aufenthalt im Ausland haben" (Hilfsfonds) einen Antrag auf Wiedergutmachung des Berufsschadens. Sie wohnte zu diesem Zeitpunkt in 73 Buxton Street, North Adelaide.
Im Zuge der Überprüfung ihrer Angaben, teilte Prof. Franz Brücke, der aktuelle Leiter des Pharmakologischen Instituts dem Hilfsfonds am 6. September 1965 mit:
„Als ich im Jahre 1934 an das hiesige Pharmakologische Institut kam, arbeitete Frau Dr. Fehér hier und zwar unter Herrn Prof. Dr. Leo Pollak, der als Gast neben seiner ausgedehnten Praxis am Institut tätig war. Soviel ich weiß war Frau Dr. Fehér Chemikerin und nicht als Assistentin oder wissenschaftliche Hilfskraft am Institut angestellt, sondern meines Wissens von Herrn Prof. Pollak privat bezahlt.“
1969 erhielt sie eine finanzielle Entschädigung für den erlittenen Berufsschaden.
Im Mai 1977 stellte Dr. Ella Flaum beim "Fonds zur Hilfeleistung an politisch Verfolgte" (Hilfsfonds) einen weiteren Antrag auf Entschädigung, der jedoch 1979 nach ihrem Tod durch den Rechtsanwalt Dr. Kurt Lindenthaler in Wien wieder zurückgezogen wurde.
Lit.: freundlicher Hinweis von Dr.in Barbara Sauer, Wien 2015; Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik/06-Finanzen/Hilfsfonds; Research With Soils And Drugs. In: The Advertiser (Adelaide), 7.3.1939, 6; Norman BENTWICH, The Rescue and Achievement of Refugee Scholars. The Story of Displaced Scholars and Scientists 1933-1952. The Hague 1953; Ella Flaum, in: Migration Museum Adelaide; Birth certificate of Ernst Flaum, in: Migration Museum Adelaide; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2022.
Katharina Kniefacz