Geb. am: | 09. Jänner 1918 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Johanna KOLM (Hanny EXINER), geb. am 9. Januar 1918 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Tochter von Dr. Adolf Kolm, geb. Schlesinger (1882-1934, Rechtsanwalt) und Margaretha Kolm, geb. Heidler (1888-1970) (Vormund nach dem Tod des Vaters: ihr Schwager Dr.med. Hans Heidler, Wien 9., Frankgasse 1), wohnte in Wien 4, Johann Straußgasse 35/17. Sie hatte das Lyzeum des Frauenerwerbvereins in Wien im Sommer 1936 absolviert und anschließend im Wintersemester 1936/37 an der Universität Wien Medizin zu studieren begonnen und war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 4. Studiensemester inskribiert (wurde am 11. Oktober 1938 als gültig anerkannt).
Sie hatte bereits seit ihrem vierten Lebensjahr Tanzunterricht genommen und u.a. vor und neben ihrem Medizinstudium auch das vierjährige Tanzstudium an der Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Wien absolviert bei Prof. Getrude Bodenwieser und das Diplom in Moderner Tanz erworben und war neben dem Studium auch als Tänzerin aktiv. Sie wollte neben der ästhetisch-künstlerischen Tanzdimension mit dem Medizinstudium auch eine medizinisch-therapeutische Seite integrieren.
Obwohl "evang. A.B." galt sie im Nationalsozialismus als "jüdisch", da ihr Vater bei Geburt der israelitischen Kultusgemeinde angehört hatte (obwohl er lange vor ihrer Geburt 1902 aus der IKG ausgetreten war, 1910 von seinem Stiefvater Dr. Oskar Kolm adoptiert worden und 1934 erst 54 jährig verstorben war) und musste ihr Studium beenden und die Universität Wien verlassen.
Ihre Tanzlehrerin Gertrud Bodenwieser war im Nationalsozialismus von der Wiener Musikakademie vertrieben worden, musste nach Paris flüchten und konnte auf Einladung des Kolumbianischen Botschafters in Wien, dessen Tochter sie unterrichtet hatte, eine Compagnie zusammenzustellen um für eine Tournee nach Kolumbien und Südamerika zu kommen. Bodenwieser lud Kolm in ihre Compagnie ein, und so konnte Hanny Kolm im Juni 1938 das besetzte Österreich verlassen und gastierte mit Bodenwieser in Kolumbien. Doch vor Ende der Tour erreichte sie die Nachricht ihrer Tanzpartnerin und Schul- und Studienfreundin Daisy Pirnitzer, die mit ihren Eltern aus Wien über Ungarn mit einem Permit nach Melbourne/Australien auswandern konnten, dass dies versuchte ein Permit für sie nach Melbourne zu erhalten, damit sie dauerhaft ein neues Zuhause hätten, wo die beiden auch gemeinsam eine Schule für kreativen Tanz gründen wollten.
Kolm verließ daher die Bodenwieser Compagnie noch vor dem Ende der Tournee, doch dauerten die Formalitäten noch rund ein halbes Jahr, bevor sie nach Australien einreisen konnte und sie verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit Privattanzstunden in Kolumbien. Schließlich reiste sie nach Wellington, Neuseeland wohin auch Gertrud Bodenwieser emigrierte und reiste nach einem kurzen Zwischenspiel, bei dem sie mit Bodenwiesers Companie durch Westaustralien tourte, mit der SS Maunhganui am 23 August 1939 in Sydney an und fuhr weiter nach Melbourne, wo sie mit ihrer Freundin Daisy Pirnitzer, die 1938 ebenfalls neben ihrer abgeschlossenen Tanzausbildung ihr halbfertiges Medizinstudium n Wien hatte abbrechen müssen, 1939 eine Schule für Ballett und Kreativen Tanz gründete: "Studio of the Creative Dance" in Kurrajong House on Collings Street (auch "School of Viennese Creative Dance" oder "School of Creative Dancing") mit Vor- und Nachmittagskursen für private Mädchenschulen, Abendklassen für berufstätige Frauen. Sie mussten ihren Schwerpunkt also vom Tanzen aufs Tanz-unterrichten verlegen: "We had to teach to earn a living", wie sie später erzählte. Aber sie schufen auch eine Performance-Gruppe, die sowohl im Rahmen von Wohltätigkeitsveranstaltungen aber auch im Rahmen bezahlter Auftritte öffentlich ihre Performances präsentierte und mit der sie aktuelle und auch eigene Choreographien zeigten und brachten damit den Tanzstil ihrer Lehrerin Gertrud Bodenwieser nach Melbourne.
Nach dem Krieg heiratete Daisy Pirnitzer 1945 und zog sich bald aus der Partnerschaft zurück, und 1953 gründete Hanny Kolm die Modern Ballet Group mit der ebenfalls aus Wien emigrierten Margaret Lasica als Co-Direktorin. Sowohl das Studio of Creative Dance als auch die Modern Ballet Group waren von zentraler Bedeutung für die moderne Tanzszene in Melbourne.
Hanny Kolm - sie war seit 21. Februar 1946 Australische Staatsbürgerin und lebte damals in Toorak, VIC - schloss im Wissen um die Wichtigkeit nicht nur von Bildung und Können sondern auch um den Wert formaler Bildungsabschlüsse, eine Lehrerinnenausbildung an der Universität von Melbourne ab.
Sie verlegte auch zunehmend ihren Schwerpunkt von der technischen Seite auf die kreativen und therapeutischen Möglichkeiten die Tanz für die Entwicklung von Kindern bietet.
Sie heiratete den am 2. März 1916 in Berlin geborenen Robert Louis Leopold/"Rolf" Examiner (1916-1999), der aus dem Deutschen Reich emigrierte und mit der RMS Niagara in Sidney ankam und am 29. Mai 1944 Australischer Staatsbürger geworden war und sie hatten miteinander zwei Söhne.
Exiners Interesse an der Entwicklung und Erziehung von Kindern führte dazu, dass sie Mitte der 1940er Jahre neben ihrer Tätigkeit im Studio auch Tanzkurse am Melbourne Kindergarten Teachers College gab. Sie schloss ihre Lehrerausbildung ab und reiste 1961 nach London, um die Arbeit von Rudolf von Laban zu studieren. Nach ihrer Rückkehr wurde sie Mitarbeiterin am Kindergarten Teachers College (ab 1973 State College of Victoria - Institute of Early Childhood Development), wo sie zusammen mit ihrer Kollegin Phyllis Lloyd das Graduate Diploma in Music and Dance einführte. Gemeinsam veröffentlichten sie zwei Bücher für Grundschullehrer - Teaching Creative Movement und Learning Is Fun When You Dance It. 1977 war sie Mitbegründerin der Australian Association for Dance Education, die später in Ausdance umbenannt wurde, und erste Präsidentin des viktorianischen Zweigs dieser Vereinigung. Im Jahr 1986 wurde ihr die Ehrenmitgliedschaft auf Lebenszeit von Ausdance verliehen.
Ihre Fähigkeiten und Einsichten in Tanz und Pädagogik führten sie zu der Überzeugung, dass die ästhetische Erfahrung des Tanzes von Natur aus ein heilendes Medium ist. Infolgedessen wurde sie zu einer wichtigen Wegbereiterin und Einflussnehmerin bei der Entwicklung der Tanz-Bewegungstherapie in Australien. Sie veröffentlichte zahlreiche Publikationen auf diesem Gebiet sowie auf dem allgemeineren Gebiet der kreativen Bewegungserziehung.
Nach ihrem Rückzug aus dem Hochschulbereich im Jahr 1982 eröffnete Exiner das George Street Studio for Dance and Well-being, wo sie zusammen mit anderen Absolventen des Graduate Diploma in Music and Dance Kurse für die Allgemeinheit abhielt. Im Jahr 1987 war sie an der Entwicklung eines Graduiertenzertifikats in Tanztherapie beteiligt, das bis 1999 regelmäßig von der Universität Melbourne angeboten wurde.
Sie war Gründungsmitglied der Dance Therapy Association of Australia und gehörte zu den wichtigsten Personen, die sich für deren Gründung einsetzten. Sie war aktives Mitglied des Ausschusses, bis sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weitermachen konnte. Von 1996 bis 1997 war sie Präsidentin des Verbandes. Die Hanny Exiner Memorial Foundation wurde nach dem Tod ihres Mannes Bob und ihrer Söhne gegründet, um ihr zu gedenken und den Bereich in Australien zu unterstützen, der ihr so sehr am Herzen lag und den sie so sehr beeinflusst hatte.
Sie veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze und Bücher zu Tanz- und Bewegung(stherapie), u.a. Teaching creative movement (Sydney 1973, gem. m. Phyllis Lloyd), Learning through dance: A guide for teachers (Melbourne (1987, gem. m. Phyllis Lloyd) und Dance therapy redefined: A body approach to therapeutic dance (Springfield 1994, gem.m. Denis Kelynack).
Sie starb am 29. Dezember 2006 in Melbourne, VIC/Australien und ist am Chevra Kadisha Springvale Cemetery in Noble Park North, VIC, bestattet
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1936-1938; Alisa DOUER u. Ursula SEEBER, Wie weit ist Wien. Lateinamerika als Exil für österreichische Schriftsteller und Künstler, Wien 1995; Liz TELFORD, Dance educator pioneered creative therapy (Obituary), in: The Age, Melbourne, 17. März 2007; Karen E. BOND. Honoring Hanny Kolm Exiner (1918–2006): Dancer, philosopher, and visionary educator, in: T. Hagood (ed.), Legacy and Dance Education: Values, Practices and People. Youngstown, NY 2008, 99-114; Naomi AITCHISON, About Hanny Exiner, in: Dance Movement Therapy Association Australasia Inc. 2016; Susanne KORBEL u. Philipp STROBL, Mediations Through Migrations: An Introduction on Cultural Translation and Knowledge, in: dies. (Hg.), Cultural Translation and Knowledge Transfer on Alternative Routes of Escape from Nazi Terror, New York 2022, 1-26; Hanny Exiner interviewt von Michelle Potter am 4. November 1994, ORAL TRC 3164 in National Library of Australia/Oral History and Folklore Collection; Hanny Exiner in: Women of Australia; Johanna Kolm/Hanny Exiner in: Biographia.at; www.genteam.at; www.ancestry.de; www.myheritage.at.
Herbert Posch