Geb. am: | 06. Jänner 1919 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Helene Daisy PIRNITZER (verh. BEHREND), geb. am 6. Januar 1919 in Budapest/Ungarn (heimatberechtigt in Kalocsa/Ungarn, Staatsbürgerschaft: Ungarn), Tochter von Imre Pirnitzer (1878-1968, Grubenbesitzer) und Katalin Pirnitzer, geb. Klein (1891-1964), wohnte in Wien 3, Neulinggasse 37. Sie hatte 1936 am Mädchen Realgymnasium Wien 8, Albertgasse 38, die Reifeprüfung (Matura) abgelegt und anschließend im Wintersemester 1936/37 an der Universität Wien Medizin zu studieren begonnen und war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 4. Studiensemester inskribiert.
Sie hatte von klein auf auch Tanz studiert und vor (bzw. teilweise neben) dem Medizinstudium auch ein vierjähriges Tanzstudium bei Prof. Gertrude Bodenwieser (1890-1959) an der Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Wien absolviert und das Diplom in Moderner Tanz erworben. Sie war neben dem Studium auch als Tänzerin aktiv und wollte neben der künstlerisch-ästhetischen Dimension des Tanzes mit dem Medizinstudium auch ihren Kenntnisse der medizinisch-therapeutischen Dimension erweitern - gemeinsam mit ihrer Freundin, Tanzpartnerin und Studienkollegin Hanny Kolm (verh. Exiner, 1918-2006), die sie in der Emigration nach Australien nachholte und mit der sie dort gemeinsam ein Tanzstudio aufbaute.
Daisy Pirnitzer war bei Geburt römisch-katholisch getauft, galt aber nach den nationalsozialistischen Rassegesetzen als "Jüdin " bzw. "Mischling" und wurde nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen (Abgangszeugnis 26. März 1938).
Als ungarische Staatsbürgerin konnte sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester Vera Österreich noch ungehindert verlassen um nach Budapest auszureisen und die Familie konnte im September 1938 Einreisevisa nach Kanada (British Dominion) erlangen und reiste über die Schweiz nach England/Großbritannien, emigrierte jedoch im Frühjahr 1939 dann nicht nach Kanada, sondern nach Australien (British Dominion). Daisy Pirnitzer kam gemeinsam mit ihrer Mutter auf der SS Orford am 28. März 1939 in Fremantle, WA/Australien an um nach Melbourne, VIC, weiter zu reisen. Umgehend versuchte sie auch erfolgreich ein permit für ihre Freundin Hanny Kolm zu erhalten, die ebenfalls aus Wien emigrieren musste und in der Tanzkompagnie der gemeinsamen Lehrerin Bodenwieser auf einer Südamerikatournee war, die sie abbbrach um nach Melbourne zu kommen und gemeinsam gründeten die beiden 21jährigen eine erfolgreiche Schule für Ballett und Kreativen Tanz, das Studio of the Creative Dance in Kurrajong House in der Collings Street (auch: School of Viennese Creative Dance oder School of Creative Dancing) mit Vor- und Nachmittagskursen für private Mädchenschulen, mit Abendklassen für berufstätige Frauen und einer eigenen Performace-Gruppe, mit der beide in eigenen Kostümen und Choreogrphien öffentlich auftraten und damit den Wiener Tanzstil Gertrud Bodenwieser nach Melbourne brachten.
Doch am 26. Mai 1945 heiratete Daisy Pirnitzer in der Kapelle des Queen's College den an der University of Melbourne lehrenden und 1934 aus Berlin emigrierten Deutschen Mathematiker Felix Adalbert Behrend (1911-1962). Er war über Cambridge/Großbritannien [1934], Schweiz [1935], Prag/Tschechoslowakei [1938], Schweiz [1939] wieder nach England [1939] emigriert, wo er aber 1940 als enemy alien interniert und mit dem berüchtigten Schiff Dunera nach Australien deportiert wurde und nach Internierungslagern in Hay und Orange, NSW, und in Tatura, VIC, erst 1942 entlassen wurde und am Mathematik Institut der University of Melbourne von 1942-1960 unterrichtete - erst als Tutor, zuletzt als Associate Professor.
Obwohl Helen Daisy Behrend anfangs nach der Heirat die gemeinsame Tanzschule mit Hanny Kolm noch weiterführen wollte endete die Zusammenarbeit bald und bekam zwei Töchter: Katherine Irene (1948) und Monica Roslyn (1952).
Die Familie lebte in Melbourne, VIC, - in den 1940ern im Stadtteil South Yarra, von Mitte der 1950er bis Mitte der 1970er Jahre in Deepdene und ab 1977 in Balwyn.
Als ihr Mann am 27. Mai 1962 starb, stiftete sie 1963 zu seinem Andenken die "Behrend memorial lecture in mathematics" an der University of Melbourne. Sie arbeitete dann weiterhin als Lehrerin.
Daisy Helen Behrend, geb. Pirnitzer, starb - vermutlich 2009 - in Australien.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1936-1938; Österreichisches Staatsarchiv OeStA/AdR/E-uReang/VVSt/VA 62531, OeStA/AdR/E-uReang/Hilfsfonds/Abgeltungsfonds/3407, OeStA AdR E-uReang FLD 18238; Wiener Stadt- und Landesarchiv WStLA/1.3.2.119.A41 984; 1010, Bezirk 3, WStLA/1.3.2.119.A41 169; 671, Bezirk 3, WStLA/1.3.2.119.A41 185; 193; 194; 195; 846, Bezirk 9, WStLA/1.3.2.119.A41 C 85, Bezirk 1, WStLA/1.3.2.119.A41 C 93, Bezirk 3; Tiroler Landesarchiv TLA/Behörden und Ämter/Justizbehörden/Rückstellungskommission beim LG Innsbruck/RK 258-48; Oberösterreichisches Landesarchiv OOeLA/Gerichtsarchive/Weitere Gerichtsarchive/Sondergerichte/Rückstellungskommission 1947-1966/RK 290-48, OOeLA/Mittelbehörden/Bezirkshauptmannschaften seit 1868/Vermögensentziehungsanmeldung/Schachtel 4/Faszikel 1/Aktennummer 343; Bundesarchiv Berlin BArch R 87 2563 u. 3105; Library and Archives of Canada/Privy Council Office/RG 2, A-1-a, Order in Council No 2338 dated Sept. 21 1938, vol. 1633, p. 1-7; RÖDER 1983, 70; J. J. CROSS, Behrend, Felix Adalbert (1911–1962), in: Australian Dictionary of Biography, National Centre of Biography, Australian National University, 1993; www.genteam.at, www.ancestry.de, www.myheritage.at.
Herbert Posch