Geb. am: | 23. August 1902 |
Fakultät: | Philosophische Fakultät |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Paula BRECHER (geb. REHBERGER), geb. am 23. August 1902 in Wien, Tochter von Moriz Rehberger (1872-1943, Kaufmann) und Rosa Rosalia Rehberger, geb. Durst (?-1944). Sie musste unmittelbar nach Absolvierung der Bürgerschule versuchen Geld zu verdienen, da ihr Vater zum Ersten Weltkrieg einrücken musste und erhielt aufgrund des damaligen Arbeitskräftemangels eine Stellung als Kanzleihilfskraft und versuchte, ihre Bildung in der Freizeit durch Lektüre zu erweitern. Daneben erhielt sie Schauspielunterricht von der Hofschauspielerin Olga Lewinsky und wurde im Sommer 1920 an das Stadttheater in Klagenfurt engagiert. Am 22. August 1922 heiratete sie in der Synagoge in Wien Ottakring ihren Jugendfreund Victor Brecher (1901-1926) der aber 1926 in Biskra, Algerien, wohin sie auf ärztlichen Rat übersiedelt waren.
Sie kam im Juni 1926 allein nach Wien zurück, ein Engagement nach Berlin war ihr aber weder psychisch noch materiell möglich und sie finanzierte sich mit Rezitationsabenden, Maschinschreib-Arbeiten und Kanzleihilfsdiensten die Nachholung des seinerzeit nicht möglichen Schulabschlusses und legte am 16. Oktober 1933 am Bundesrealgymnasium Wien 2, Sperlgasse, als Externistin die Reifeprüfung (Matura) ab. Sie begann im Wintersemester 1933/34 an der Universität Wien Psychologie und Romanistik zu studieren und war zuletzt im Sommersemester 1937 an der Philosophischen Fakultät inskribiert. Sie studierte bei Moritz Schlick (1880-1936) bis zu dessen Ermordung 1936, bei Heinrich Gomperz (1873-1942), Karl Bühler (1879-1963), Charlotte Bühler (1893-1974) und Egon Brunswick (1903-1955) Psychologie und recherchierte und schrieb seit Wintersemester 1935 beim Ehepaar Bühler an ihrer Dissertation "Eine psychologische Untersuchung zur Frage der Angst", die sie unter großem Druck einige Monate nach dem "Anschluss" fertigstellen konnte.
Sie war 1938 nicht mehr an der Philosophischen Fakultät inskribiert, sondern befand sich bereits im Stadium der Abschlussprüfungen ("Rigorosen"). Sie meldete sich am 14. Oktober 1938 zu den Abschlussprüfungen in Psychologie mit Nebenfach Geschichte an und bestand das erste Rigorosum am 31. Oktober 1938 (Prüfer: Bauer, Hirsch). Ein Großteil ihrer Professoren und ihre ursprünglichen Gutachter waren bereits vertrieben und ihre Dissertation war am 24. Oktober 1938 von den Nationalsozialisten Otto Tumlirz, der nach Karl Bühlers Vertreibung dessen Lehrstuhl supplierte, und Hans Eibl approbiert worden (Tumlirz, der Brechers inhaltliche Nähe zur Freud'schen Psychoanalyse und Adler'schen Individualpsychologie im Gutachten wenig schätze, hielt immerhin fest, dass "der Verfasserin zu Gute gehalten werden muss, dass sie die Arbeit rascher abschließen musste, als sie jedenfalls vorgehabt hatte."). Am 26. Oktober 1938 hatte sie auch das zweite Rigorosum bestanden.
Sie konnte somit, nach längerer Unsicherheit, doch noch ihr Studium abschließen und am 31. Oktober 1938 unter zahlreichen symbolischen Diskriminierungen im Rahmen einer "Nichtarierpromotion" promovieren, bei gleichzeitig ausgesprochenem Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich.
Paula Brecher war damit die letzte jüdische Studentin, die vor dem endgültigen Ausschluss jüdischer Studierender von der Universität Wien 1938 ihr Studium der Psychologie abschließen konnte. Sie lebte in Wien 16., Gaullachergasse 13/17 und musste nach dem Anschluss aus Wien fliehen. Erst nach langen Umwegen konnte sie illegal in die Schweiz emigrieren.
Sie lebte und arbeitete dort als Psychologin, Bildungsberaterin und Sprachlehrerin in der Leonhardsstrasse 21.
Sie starb 1974 in Basel-Stadt und ist am Friedhof der Israelitischen Gemeinde Basel bestattet.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1933-1938, Rigorosenakt und -protokoll PHIL Nr. 14625, Promotionsprotokoll PHIL 1931-1941, Nr. 2860; POSCH 2009, 367; WEITZEL 2000, 76, 92f.; Ilse KOROTIN, Hg., BiografiA. Lexikon österreichischer Frauen. 4 Bände, Wien, Köln u. Weimar 2016, Bd. 1, 412; www.ancestry.de.
Katharina Kniefacz, Herbert Posch