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Carla Zawisch-Ossenitz

Geb. am: 15. April 1888
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen
Carla ZAWISCH-OSSENITZ, geb. am 15. April 1888 in Znaim, gest. am 21. Juni 1961 in Graz, war 1938 Privatdozentin für Histologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Sie wurde im Nationalsozialismus aus politischen Gründen verfolgt und am 22. April 1938 ihres Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben. Sie kehrte 1947 nach Österreich zurück. Zawisch-Ossenitz, Tochter eines Beamten beim Znaimer Bezirksgericht, besuchte die Volks- und Bürgerschule sowie zahlreiche Fortbildungsklassen in einem Adeligen-Pensionat in Wien und studierte anschließend Musik. 1913 legte sie die Lyzeal-Reifeprüfung ab, um an der Dirigentenschule weiterstudieren zu können. Krankheitsbedingt musste sie ihr Musikstudium allerdings abbrechen. Im Ersten Weltkrieg war sie kurze Zeit im Pflegedienst tätig, um 1916 die beiden staatlichen Lehrbefähigungsprüfungen aus Englisch und Französisch abzulegen. Zudem widmete sie sich dem Lateinstudium. Nach der Gymnasial-Reifeprüfung 1917 immatrikulierte sie an der Universität Wien, wo sie vorerst an der philosophischen Fakultät (u. a. naturwissenschaftliche und humanistische Vorlesungen) studierte, um sich ab dem Sommersemester 1918 dem Medizinstudium zuzuwenden. Bereits im Sommersemester 1920 trat sie als Demonstratorin in das histologische Institut ein, in welcher Funktion sie bis September 1923 verblieb. Ihr Studium konnte sie im Juni 1923 abschließen. Die nächsten Stationen in Zawisch-Ossenitz‘ Biographie sind die Wiener Kinderklinik (von Oktober 1923 bis September 1924 Demonstratorin für Impfkunde, bis Februar 1926 Hilfsärztin), das Krankenhaus Rudolfstiftung (von Mai 1926 bis Oktober 1929 Aspirantin und Sekundarärztin) und Würzburg, wo sie sich ab November 1929 zur Missionsärztin ausbilden ließ und als Hilfsärztin am Julius-Spital arbeitete. Gesundheitsbedingt musste sie diese Tätigkeit allerdings abbrechen. Sie kehrte wieder nach Österreich zurück, ließ sich an der Universität Innsbruck in praktischer Geburtshilfe ausbilden und arbeitete fortan am histologischen Institut. Bereits im Juni 1930 ging sie wieder nach Wien und fungierte von nun als Assistentin am histologischen Institut unter Josef Schaffer. 1934 habilitierte sie sich an der Universität Wien für Histologie. Wenige Tage nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich wurde sie nach einer Hausdurchsuchung verhaftet. Im zwei Wochen später stattfindenden Verhör stand v. a. die von ihr mitgegründete St.-Lukas-Gilde (der katholischen Ärzte) wie auch der von ihr wissenschaftlich vorbereitete internationale Kongress katholischer Ärzte 1936 im Vordergrund. Im Rahmen des Kongresses war u. a. das Thema "Eugenik und Sterilisierung" auf der Tagesordnung gestanden. Zawisch-Ossenitz zufolge wurde in diesem Rahmen die negative Eugenik klar, d. h. Geburtenbeschränkung und Sterilisierung, klar abgelehnt, was offenbar mitverantwortlich für die Maßregelungen gegen sie war. Die NS-Machthaber warfen ihr aber auch antinationalsozialistische Äußerungen vor Studierenden vor. Sie selbst gab später, nach sechswöchiger Haft, in einem Brief zu verstehen, dass sie sich bei Stellenbesetzungen während dem NSDAP-Verbot in Österreich ebenso für illegale Nationalsozialisten eingesetzt habe, sofern die Betreffenden "geeignet waren und sich gut geführt hatten". Tatsächlich setzten sich ehemalige "Illegale" unter Hinweis auf Zawisch-Ossenitz‘ gesundheitlichen Zustand – sie litt an Tuberkulose und litt daher permanent unter erhöhter Körpertemperatur – und Mittellosigkeit für ihre Rehabilitierung ein.[1] Indes wurde nach dem Widerruf ihrer Lehrbefugnis per 22. April 1938[2] auch ihre Ende Juni auslaufende Anstellung als Assistentin nicht mehr erneuert. Eine Intervention ihrerseits an das Unterrichtsministerium blieb erfolglos, da der NS-Dozentenbund ihre Beteiligung an der St.-Lukas-Gilde als zu schwerwiegend betrachtete, um sich für eine weitere Tätigkeit an einer Hochschule im "Dritten Reich" auszusprechen. Zawisch flüchtete daraufhin nach Frankreich. Nach der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen konnte sie über Spanien 1941 nach England und zwei Jahre später in die USA emigrieren, wo sie wieder einer wissenschaftlichen Tätigkeit nachgehen konnte und zudem als Sekretärin der österreichischen Universitäts-Liga fungierte.[3] Nach Kriegsende bemühte sich der Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Wien, Leopold Arzt, 1938 selbst aufgrund seiner katholischen Einstellung bzw. seiner Nähe zum autoritären Ständestaat vertrieben, um eine Rückkehr Zawisch-Ossenitz‘ und sicherte ihr eine Lehrkanzel in Graz oder Wien zu.[4] Die Betreffende kehrte 1946 nach Österreich zurück,[5] wobei das Unterrichtsministerium am 2. Juni 1947 die Wiedererteilung ihrer Lehrbefugnis genehmigte.[6] Mit Wirksamkeit vom 1. Februar 1947 wurde sie als Hochschulassistentin am Histologischen Institut der Universität Wien wieder in den Dienststand aufgenommen.[7] Zawisch-Ossenitz ging allerdings an die Universität Graz, wo sie bereits im April 1947 die Supplierung der außerordentlichen Lehrkanzel für Histologie und Embryologie an der Medizinischen Fakultät wie auch die Leitung des Histologische-Embryologischen Instituts übernehmen konnte. Wenige Monate später, im August, erfolgte ihre Ernennung zur Extraordinaria. Den nächsten Aufstieg in der universitären Hierarchie verzeichnete sie im August 1947 mit der Verleihung des Titels einer o. Prof. Neun Jahre später wurde sie zur wirklichen Ordinaria ernannt. Sie emeritierte nach Absolvierung des Ehrenjahres per 1. Oktober 1959, leitete das Institut aber auch noch im Wintersemester 1959/60 als Supplentin. Zawisch-Ossenitz beschäftigte sich in ihren wissenschaftlichen Arbeiten v. a. mit dem Knochenwachstum, so publizierte sie etwa zur Beeinflussung des Knochenwachstums durch Fermentwirkung oder der Entstehung und Resorption der Ostoklasten. Sie wies etwa nach, dass die durchbohrenden Kanäle im Knochen durch aktive resorptive Tätigkeit von Gefäßen entstehen. Bekanntheit erlangte sie aber auch mit ihrem 1927 erschienenen Buch "Die richtige Ernährung". Sie war Mitglied der International Association of Medical Museums und der Gesellschaft der Ärzte in Wien. Zu ihren bekanntesten Schülern während ihrer Tätigkeit in Graz zählen die Professoren Walther Lipp und Heinz Mayersbach.[8] Quellen ÖStA/AdR, PA Musger | ÖStA/AdR, PA Zawisch-Ossenitz | UA, RA GZ 677-1937/38 Lit.: ARIAS 2005; KERNBAUER 2010 --> http://www.univie.ac.at/biografiA/daten/text/bio/zawisch-o_c.htm; KEINTZEL/KOROTIN 2002, 829-834; MERINSKY 1980, 290; UB MedUni Wien/van Swieten Blog

[2] UA, RA GZ 677-1937/38, O.-Nr. 62, Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten an Rektorat, 22.4.1938.
[6] ÖStA/AdR, PA, BMU an MED Dekanat, 2. 6. 1947.
[7] ÖStA/AdR, PA Musger, BMU an Zawisch-Ossenitz, 17. 6. 1947.
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