Menachem (später: Marvin) Borenstein (später: Bornstein)
Geb. am: |
13. März 1919 |
Fakultät: |
Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Menachem BORENSTEIN (Marvin Bornstein), geb. am 13. März 1919 in Wien (keine Heimatberechtigung und Staatsbürgerschaft: staatenlos), Sohn von Abraham Borenstein (Schneidermeister), wohnte in Wien 2, Leopoldsgasse 45/8 und maturierte am 16. Juni 1937 am
Bundesgymnasium Wien II und begann daraufhin im Wintersemester 1937/38 an der Medizinischen Fakultät im 1. Semester ein Medizinstudium.
Obwohl in Wien geboren, hatte er erst die polnische Staatsbürgerschaft nach seinen Eltern, nach dem Ersten Weltkrieg wurde diese ihm und seinen Eltern jedoch aberkannt, da die Familie zu lange in Wien, also außerhalb Polens lebte, weshalb der geborene Wiener Menachem Borenstein in Wien als Ausländer bzw. Staatenloser galt. Dementsprechend hatte er an der Universität Wien die dreifachen Studiengebühren zu zahlen hatte. Die Familie nahm große Opfer in Kauf, um ihm als Ersten in der Familie eine höhere Bildung zukommen lassen zu können.
Er wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen.
Die Familie entschied sich relativ rasch Wien zu verlassen mit dem Ziel der Emigration nach Palästina. Sie versuchte erfolgreich - heimlich, ohne als Staatenlose ohne gültige Reisedokumente und unter Zurücklassung von Wohnung, Geschäft und des gesamten Besitzes – mit dem Zug über die italienische Grenze zu einem Hafen zu kommen, um über das Mittelmeer in das britische Mandatsgebiet Palästina überzusetzen. Sie bauten auf ein Schreiben des britischen Konsulats das besagte, dass Herr Bornstein und seine Familie in das britische Mandatsgebiet "zurückkehrten", was nur insofern stimmte, dass Abraham Bornstein bereits einige Male dort war,
jedoch hatte er zu diesem Zeitpunkt dort kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Es gelang die Flucht und sie konnten mit dem Zug nach Italien ausreisen um nach Palästina überzusetzen.
In Palästina arbeitete Menachem Borenstein u.a. als Werbezettelverteiler, als Dolmetscher und als Telefonist eines Taxiunternehmens um das Familieneinkommen mit zu sichern. Eine schwere Erkrankung der Mutter, die damals in Palästina nicht behandelt werden konnte, zwang die Familie nach eineinhalb Jahren, weiter in die USA zu ziehen, in der Hoffnung auf eine lebensrette Behandlung. Verwandte in den USA bürgten für sie und ermöglichten eine Einreise durch ein Affidavit seines Onkels Emanuel Schreck aus New York, NY. Marvin Borenstein konnte als erster alle Reisedokumente erhalten und reiste von Tel Aviv über Genua mit dem italienischen Dampfschiff
SS Saturnia nach New York, wo er am 21. Dezember 1939 ankam.
Er änderte seinen Namen in Marvin Bornstein. Er entschloss sich, das geplante Medizinstudium unter den Bedingungen der Emigration nicht weiter zu verfolgen, besann sich auf seinen Glauben und wollte eine Ausbildung zum Rabbiner am
Jewish theological Seminary of America beginnen, wozu ihm aber der dafür notwendige College Abschluss fehlte. Erst nach erfolgreicher Absolvierung von drei Jahren
Brooklyn College konnte er, mittlerweile 24jährig, die geplante Ausbildung aufnehmen und lernte auch seine spätere Frau Miriam (gest. 2009) kennen, die dort als Sekretärin arbeitete. Am 21. Dezember 1947 heirateten sie am Institut – in dem sie arbeitete und er studierte
Bald darauf wurde Marvin Bornstein als Rabbi zugelassen und übersiedelte 1948 mit seiner Frau an die Westküste der USA nach Kalifornien, wo er diverse jüdische Gemeinden als Rabbi betreute. Am längsten arbeitete er in Westchester, Los Angeles in
B’nai Tikvah, wo er 1953 Rabbi wurde, die Infrastruktur der Gemeinde aufbaute, eine Schule leitete und bis zu seiner Emeritierung Mitte der 1980er Jahre die Gemeinde leitete. Er war auch 25 Jahre lang "instructor" an der
University of Judaism. Das Ehepaar Borenstein bekam drei Kinder - Deborah, David und Deena.
1964 kam Marvin Bornstein erstmals wieder Mal nach Wien, um seinen Kindern zu zeigen, wo er geboren und aufgewachsen war. Doch fast alle wesentlichen Orte jüdischen Lebens waren zerstört – die Synagoge, wo sich die Eltern kennenlernten, die Synagoge wo sein Großvater betete – bzw. war die Synagoge, wo er seine Bar Mizwa gefeiert hatte, zu einer Garage umgebaut worden. In der Bevölkerung begegnete ihm unverhohlener Antisemitismus, wie er es vor und während des Nationalsozialismus erlebt hatte. Nach drei Tagen wurde die Reise vorzeitig abgebrochen und er kehrte nie mehr wieder zurück. Seine Opferfürsorgeansprüche konnte er 1982/83 erst nach mühsamen bürokratischen Hürden von den USA aus durchsetzen.
Er starb 98jährig am 20. Mai 2017 in Los Angeles und wurde am Eden Memorial Park in Los Angeles beigesetzt.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937-1938, Legitimation S 182.2408, Meldungsbuch S 186.2407; WStLA|Wiener Stadt- und Landesarchiv/M.Abt. 208/A36 -
Opferfürsorgeakt - Entschädigungen (E): Menachem (Marvin) Borenstein/Bornstein; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 367; Testimony von Marvin Bornstein (USC|University of Southern California, Shoah Foundation Institute for Visual History and Education: Interview 14220 vom 19. April 1996, Los Angeles/USA, Interviewerin: Leonia Kurgan); Testimony von Marvin Bornstein in: Austrian Heritage Collection am Leo Baeck Institute New York; Jewish Journal 1997; Nachruf 2017.
Alexander Niederhuber und Herbert Posch