Geb. am: | 15. Februar 1916 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Gustav WENGRAF, geb. am 15. Februar 1916 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Gustav Wengraf (1876-?, Kaufmann, arbeitslos) und Olga Wengraf, geb. Lutz (1890-1960), wohnte in Wien 13 [heute: Wien 14], Einwanggasse 25. Er hatte ab 1926 das humanistische Gymnasium Wien 13, Fichtnergasse 15 mit gutem Erfolg besucht, musste dann wegen eines Herzfehlers krankheitshalber unterbrechen und absolvierte die Reifeprüfung (Matura) erst im Februar 1937 die Externist am Gymnasium Wien 19 und begann anschließend ab dem Sommersemester 1937 an der Universität Wien Medizin zu studieren und war im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 3. Studiensemester inskribiert.
Er gehörte der evangelischen Religionsgemeinschaft A.B. an, wurde nach dem "Anschluss" 1938 aber aus rassistischen Gründen als sogenannter "Mischling 1. Grades" verfolgt und konnte sein Studium nur vorläufig – bei Gefahr des jederzeitigen Widerrufs – noch fortsetzen.
Er konnte im Sommersemester 1939 noch das I. Rigorosum ablegen und absolvierte 1939/40 seine Pflichtfamulatur da er 1938 und 1939 wegen seines Herzfehlers als zeitlich untauglich erklärt wurde, bei der Musterung im März 1940 aber zur Ersatz-Reserve I tauglich befunden wurde. Zu diesem Zeitpunkt, im 1. Trimester 1940, mußten erstmals alle "Mischlinge" eigens ein Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin um weitere Studienzulassung stellen. Gustav Wengraf reichte daher ein entsprechendes Ansuchen ein. Vorschriftsgemäß hatte der Dekan der zuständigen Medizinischen Fakultät, Prof. Eduard Pernkopf, dem Antrag ein Gutachten beizulegen, das "insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte]. Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind." [Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940]. Dekan Pernkopf stellte am 27. April 1940 lapidar fest: "Wengraf Gustav ist Mischling I. Grades; Aussehen nicht rein arisch."
Das Reicherziehungsministerium teilte am 19. Juni 1940 mit, dass "Mischlingen 1. Grades" grundsätzlich die Berufszulassung als Arzt versagt wird, nach Absprache mit dem Reichsinnenministerium wird Wengraf aber "ausnahmsweise" noch zur ärztlichen Prüfung nach alter österreichischer Studienordnung zugelassen, da er die Vorprüfung (1. Rigorosum) bereits erfolgreich bestanden hatte. Dabei wurde er jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er als "Mischling 1. Grades" danach trotzdem keine Chance haben würde, die Berufszulassung ("Bestallung ") als Arzt im Deutschen Reich zu erhalten.
Nach erfolgreichem Absolvierung aller Lehrveranstaltungen wurde ihm am 14. Juli 1941 das "Absolutorium" ausgestellt und nach bestandenem 2. und 3. Rigorosum wäre Wengraf am 16. Juni 1943 berechtigt gewesen zu promovieren. Sein Ansuchen um Zulassung zur Promotion wird aber am 26. August 1943 vom Reichserziehungsministerium Berlin abgelehnt, da keine Promotion ohne Aussicht auf Berufszulassung erteilt würde und diese Mischlingen 1. Grades grundsätzlich nicht erteilt werde. Rektor und Dekan werden lediglich ermächtigt Gustav Wengraf "eine Bescheinigung des Inhalts auszustellen, daß er, abgesehen von dem Nachweis der deutschblütigen Abstammung, alle Voraussetzungen für die Verleihung des Doktorgrades erfüllt hat. Auf der Bescheinigung ist ausdrücklich zu vermerken, daß sie nicht als Doktordiplom gilt."
Erst nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde er am ersten Nachkriegspromotionstermin am 8. Juni 1945 nach der wieder eingeführten österreichischen Studienordnung zum "Dr.med. univ." der Universität Wien promoviert und das Diplom wurde rückwirkend per 16. Juni 1943 ausgestellt.
Er lebte und arbeitete dann als Arzt in Wien 14., Gurkgasse 50/7 und im April 1950 wurde ihm vom Opferfürsorgereferat der Wiener Landesregierung ein Opferfürsorgeausweis zugestanden für die "Berufsbildungsverhinderung aus Abstammungsgründen".
Dr. Gustav Wengraf starb im Oktober 1960 in Wien und ist am Hietzinger Friedhof in Wien bestattet.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937-1942; Promotionsprotokoll MED 1941-1949, 1273, Rektorat GZ 944 ex 1939/40/41 und GZ 97/I ex 1943/44; MED GZ 1115 ex 1939/40; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 499; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2023; Verstorbenensuche Friedhöfe Wien.
Herbert Posch