Geb. am: | 11. Jänner 1917 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Friedrich BLODI, geb. am 11. Januar 1917 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Dr. Adolf Blodi (1887-1967, Privatbeamter) und Berta Blodi, geb. Grueger (1885-1970), wohnte in Wien 5, Gassergasse 2/3/20 bzw. ab 1939 im damals nach Wien eingemeindeten Maria Enzersdorf, Halperstorferstraße 29.
Blodi war im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 6. Studiensemester inskribiert und war röm.-kathol. getauft - wie auch sein Vater, der aber bei Geburt Mitglied der israelitischen Kultusgemeinde gewesen war - und galt im Nationalsozialismus als "Mischling 1. Grades" und konnte sein Studium nur bei jederzeitigem Widerruf noch vorläufig fortsetzen.
Sein jüngerer Bruder Karl (Charles A.) Blodi (1918-2000), der an der Philosophischen Fakultät Chemie studierte, war denselben diskriminierenden Maßnahmen ausgesetzt.
Er war bereits seit März 1939 in die deutsche Wehrmacht eingezogen worden und war im Oktober in der Sanitäts-Ersatzabteilung XVII in Wien eingesetzt, als er im Wintersemester 1939/40 sein letztes Studiensemester absolvierte (Absolutorium am 15. Dezember 1939).
Als "Mischlinge" ab dem 1. Trimester 1940 vor jedem weiteren Schritt ihrer Studien ein jeweiliges Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin stellen mussten, reichte Friedrich Blodi ein Ansuchen auf Zulassung zu Abschlussprüfungen und Promotion ein, das zwar genehmigt wurde, aber mit dem Hinweis, dass er trotzdem in NS-Deutschland nie als Arzt zugelassen werden würde. Er konnte somit am 3. Februar 1940 noch das Studium abschließen und wurde zum "Dr.med." promoviert, doch auf dem Doktordiplom wurde eine "Sperrklausel" vermerkt, dass er zur Ausübung der ärztlichen Praxis im gesamten Deutschen Reich nicht berechtigt war - er erhielt also Berufsverbot.
Kurz darauf wurde er wurde im März 1940 als "Mischling 1. Grades" auch unehrenhaft aus der Deutschen Wehrmacht entlassen, da er als "Mischling 1. Grades" als "wehrunwürdig" galt. Er konnte aber immerhin am Spital der Stadt Wien in Lainz an der Pathologie mitarbeiten und später Prof. Safar an einem Wiener Privatspital assistieren und fokussierte dort auf die Augenheilkunde, die er ab 1942 auch formal bei den Prof. Meller und Böck vertiefte.
Gegen Ende des Krieges fragte ihn eine Patientin, die er kaum kannte, um Hilfe: ihr Neffe, Karl Lauterbach, ein KP-Widerstandskämpfer, der als Wehrmachtssoldat an der Ostfront kämpfen musste, wollte bei einem Genesungsurlaub durch Selbstverletzung seine weitere Teilnahme am sinnlosen Krieg beenden. Blodi erklärte ihr daraufhin, wie man sich einen glatten Knochenbruch zuziehen konnte und verschrieb ihr Äther als Betäubungsmittel, damit ihr Neffe die Schmerzen der Verletzung überstehen könnte. Der Bruch wurde innerhalb der Familie im März und vor der erneut drohenden Einberufung nochmals im Juli 1944 umgesetzt. In der NS-Zeit galt dies gemäß der Kriegssonderstrafrechtsverordnung von 1939 als "Zersetzung der Wehrkraft" und war mit der Todesstrafe bedroht. Im Herbst 1944 verhaftete die Militärpolizei zahlreiche "verdächtige" verletzte Soldaten und folterte sie, bis sie Geständnisse über zahlreiche Selbstverstümmelungen erhielten. Die Soldaten selbst und alle, die ihnen geholfen hatten, auch Karl Blodi, wurden verhaftet und im Oktober 1944 vom Wiener Feldkriegsgericht der Division 177 unter dem Vorsitz von Richter Leopold Breitler verurteilt: Karl Lauterbach und andere selbstverletzende Soldaten zum Tode, ihre Helfer*innen, darunter Verwandte und auch Karl Blodi, zu 8 Jahren Zuchthaus.
Karl Lauterbach wurde noch im Februar 1945, zwei Monate vor der Befreiung Wiens, gemeinsam mit 13 anderen selbstverletzten Soldaten vor den Augen von 170 in Wien stationierter Soldaten als abschreckendes Beispiel auf der Militärhinrichtungsstätte in Wien-Kagran erschossen.
Karl Blodi wurde im Zuchthaus Stein/Donau eingesperrt und überlebte das Massaker an Hunderten Insassen der Haftanstalt am 6./7. April 1945 und wurde am nächsten Tag mit 835 weiteren Gefangenen unter unmenschlichen Bedingungen, ständig drangsaliert und bedroht von den Wachmannschaften, drei Tage lang in einem Kohlenfrachter donauaufwärts nach Passau und von dort weiter ins Arbeitshaus Suben/Inn transportiert wo er dann bald darauf von der U.S. Army befreit wurde.
Friedrich Blodi war bereits seiner Gymnasialzeit in Mödling mit Ottilie Schmakal (1917-2019) befreundet, seit 1939 mit ihr verlobt. Sie konnte Dank der U.S. Amerikanischen Staatsbürgerschaft ihres Vaters 1939 in die USA emigrieren, doch war der Briefkontakt zwischen den beiden seit 1943 abgerissen. Sie meldete sich in den USA im September 1944 freiwillig zum Women’s Army Corps, um möglichst rasch nach Europa gelangen zu können um nach ihrem Verlobten Friedrich Blodi zu suchen. Anfang 1946 fand sie ihn in einem Wiener Krankenhaus und sie heirateten kurz darauf im April 1946 in Wien und übersiedelten 1947 in die USA. Sie bekamen zwei Kinder, Sohn Christopher und Tochter Barbara, verh. Gottlieb - beide wurden ebenfalls erfolgreiche Augenärzt*innen.
Friedrich – nunmehr Frederick C. – Blodi lebte vorerst in New York und vervollständigte seine Ausbildung in Augenheilkunde an der Columbia University und wurde am 4. April 1950 US-Staatsbürger in Brooklyn, New York City, NY.
Auf Einladung von Dr. Alson E. Braley wechselte er 1952 an das renommierte Department of Ophtalmology des University Hospitals der University of Iowa in Iowa City, IA, dass er als Professor und Nachfolger von Braley von 1967 bis 1987 auch leitete, wie auch die Augen-Abteilung des Veterans Administration Hospital in Iowa City. Einige Jahre vor der Emeritierung 1987 wechselte er 1984 von den USA nach Saudi-Arabien und war Director of medical education am King Khaled Eye Hospital in Riad/Saudi-Arabien
Blodi war einer der renommiertesten Augenchirurgen seiner Zeit und verfasste über 200 wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der Ophtalmologie darunter auch Randthemen wie Augenheilkunde als Thema auf internationalen Briefmarken bzw. wichtige Übersetzungsarbeiten wie jene von Julius Hirschberg’s monumentaler 11-bändiger Geschichte der Ophtalmologie, die er aus dem Deutschen ins Englische übersetzte. Darüber hinaus war er Chefredakteur der Zeitschrift Archives of Ophthalmology und publizierte auf Wunsch seiner Kolleg*innen in der Pension auch einen wissenschaftlich-autobiographischen Artikel: "From Vienna to Iowa: An Ophthalmologic Odyssey" (Survey Ophthalmology 34 (1990) 4, 309-314).
Durch seine internationale Karriere und Sprachbegabung war er ein wichtiger Akteur im Wissenstransfers zwischen europäischer und U.S. amerikanischer Augenheilkunde und war auch Präsident der American Academy of Ophtalmology (1979), Präsident der Association of University Professors of Ophthalmology (AUPO) und der American Ophthalmological Society, war Vorsitzender des American Board of Ophthalmology.
Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen z.B. die Gold Medal Favarola der Società Oftalmologica Italiana, die Howe Medal der American Ophthalmological Society, die Zimmerman Medal und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (1984) und hielt die Jackson Lecture, die Verhoeff Lecture (American Ophthalmological Society) und 1993 die Zimmerman Lecture bei der American Academy of Ophthalmology.
Frederick C. Blodi starb nach zwei Schlaganfällen 1993 und 1996 am 30. Oktober 1996 in Iowa City, IA/USA.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937-1940, Promotionsprotokoll MED 1929-1941, Nr. 4915, Rektorat GZ 944 ex 1939/40/41, Rektorat GZ 464 ex 1938/39, MED GZ 1115 ex 1939/40; Österreichisches Staatsarchiv OeStA/ AdR/ E-uReang/ Hilfsfonds/ Abgeltungsfonds 2882, OeStA/ AdR/ E-uReang/ VVSt/ VA/ 322, OeStA/ AdR/ E-uReang/ Hilfsfonds/ Sammelstellen A und B/ Negativ-Akten Liegenschaften N 436, OeStA/ AdR/ E-uReang/ FLD 11260 (alle: Vater Adolf Blodi); POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 156, 365; Bernhard SCHWARTZ, In memoriam Frederick C. Blodi, MD, 1917-1996, in: Survey of Ophthalmology 41 (1997) # 5, 359-360; Robert FOLBERG, Frederick C. Blodi, MD, 1917-1996, in: Ophthalmology 104 (1997) # 2, 175-177; Thomas GELDMACHER, "Im Café Weber sah ich viele Kameraden, die den Arm in Gips trugen." Karl Lauterbach und das Simmeringer Netzwerk von Selbstverstümmlern, Sommer 1944, in: Thomas Geldmacher, Magnus Koch, Hannes Metzler, Peter Pirker u. Lisa Rettl (Hg.): "Da machen wir nicht mehr mit ..." Österreichische Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht. Wien 2010, 188–194; Du bist anders? Eine Online-Ausstellung über Jugendliche in der Zeit des Nationalsozialismus; Karl Lauterbach (1924–1945): "... starke Schmerzen, körperlich als auch seelisch".
Herbert Posch