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Sophie Vitek

Geb. am: 11. Jänner 1919
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende

Sophie VITEK, geb. am 11. Jänner 1919 in Wien/Österreich (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Tochter von Karl Vitek (Tischler), wohnte in Wien 9., Zimmermanngasse 15/25, studierte ab Sommersemester 1941 an der Universität Wien Geschichte und war eine Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus.

Sie hatte nach Absolvierung der Pflichtschule 1938 begonnen, als Inspektoranwärterin bei der Reichspost zu arbeiten und nebenberuflich auch die Reifeprüfung (Matura) an der Maturaschule Freies Lyzeum nachzuholen, was ihr 1940 an der Staatlichen Oberschule Stockerau, Niederösterreich, als Externistin gelang. Ab Sommersemester 1941 studierte sie dann an der Universität Wien Geschichte. Nachdem ein Schulfreund, Alfred Rabofsky, sie 1939 mit Mitgliedern des verbotenen Kommunistischen Jugendverbands Österreichs (KJVÖ) bekannt gemacht hatte, schloss sie sich der Widerstandsgruppe Der Soldatenrat an. Eine zentrale Aktion desselben war das Schreiben und Versenden von Briefen an Soldaten an der Front, um sie zu Widerstand und Desertation aufzurufen, um den Krieg und das NS-Regime zu verkürzen bzw. zu beenden. Für diese "Soldatenbriefe" wurde Sophie Vitek am 31. Mai 1943 mit vier weiteren Widerstandskämpfer*innen von der Gestapo Wien verhaftet, verhört und am 8. Juli 1943 in "Schutzhaft"genommen. Am 23. September 1943 erfolgte die Anklage wegen "Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung durch Wehrkraftzersetzung" beim Volksgerichtshof Berlin, wovon auch das Rektorat der Universität Wien informiert wurde.

Mitangeklagte waren ihr Schulfreund, der Schriftsetzer Alfred Rabofsky (1919–1944), ihre Nachbarin, die Angestellte der Auslandsbriefprüfstelle Anna Wala (1891–1944), sowie die Tabelliererin Ernestine Diwisch (1921–1944), der Schlosser Friedrich Muzyka (1921–1944) und die Hilfsarbeiterin Ernestine Soucek, geb. Glaser (1892–1987). Im Rahmen des Prozesses am 8. Februar 1944 vor dem Volksgerichtshof Wien wurde Ernestine Soucek zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt; die anderen Angeklagten wurden zum Tode durch das Fallbeil verurteilt und in die Todeszelle verlegt. Nachdem eine Hinrichtung bereits im Mai 1944 vollzogen worden war, konnte durch einen glücklichen Zufall Sophie Viteks Todesstrafe im August 1944 durch eine persönliche Intervention ihres Bruders bei Heinrich Himmler auf 15 Jahre Zuchthaus "abgemildert" werden – im Monat darauf wurden die anderen drei Mitstreiter*innen geköpft. Körper und Köpfe wurden, wie die meisten Leichen Hingerichteter, dem Anatomischen Institut der Universität Wien für die Ausbildung der Mediziner*innen übergeben.

In der Urteilsbegründung wurde festgehalten, dass das Schreiben der "Soldatenbriefe" als Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung durch Wehrkraftzersetzung gälte: Es sei erwiesen, dass Sophie Vitek

"teilweise bis Herbst 1941, teilweise auch bis Frühjahr 1942 durch Mitarbeit in einer Zersetzungsaktion seitens des kommunistischen Jugendverbandes in Wien den Hochverrat organisatorisch und agitatorisch vorbereitet [habe] und, da dies während des jetzigen Krieges geschah, dadurch zugleich unternommen [habe], den Feinden unseres Reiches Vorschub zu leisten und unserer Kriegsmacht einen Nachteil zuzufügen." (Urteilsbegründung)

Vom Todesurteil wurde am 21. März 1944 wiederum der Rektor der Universität Wien, der Anatom Prof. Eduard Pernkopf (1888–1965), informiert, aber weder er noch der zuständige Dekan der Philosophischen Fakultät eröffneten angesichts der erwarteten Hinrichtung ein sonst bei Verurteilungen übliches Disziplinarverfahren gegen Sophie Vitek an der Universität Wien. Sie war nach der Umwandlung ihres Urteils noch bis 7. Oktober 1944 in Wien inhaftiert; dann wurde sie ins Frauenzuchthaus in Jauer/Schlesien [Jawor/Polen] überstellt, wo sie am 8. April 1945 von der Roten Armee befreit wurde.

Nach dem Untergang des NS-Regimes konnte Vitek ihr Studium an der Universität Wien fortsetzen und abschließen. Ihre Dissertation über "Samariter auf Österreichs Schlachtfeldern" wurde von den Historikern Prof. Hugo Hantsch (1895–1972) und Prof. Leo Santifaller (1890–1974) positiv begutachtet und am 7. Dezember 1950 approbiert. Nach Ablegung der beiden Rigorosen konnte sie somit am 7. März 1951 zur Dr.phil. promovieren. Ein Satz im Lebenslauf am Ende ihrer Dissertation kann aus heutiger Perspektive auch als realistische Einschätzung der realpolitischen Entwicklung in Österreich fünf Jahre nach dem Ende des NS-Regimes und der auf Hochtouren laufenden Reintegration ehemaliger Nationalsozialist*innen in universitäre und gesellschaftliche Positionen gelesen werden, wenn sie ihre Studienzeit skizziert und die Verfolgung durch einen totalitären Staat schon wieder bis zur Unkenntlichkeit umschreiben musste: "1943 mußte ich jedoch aus persönlichem Missgeschick meine Studien abbrechen und konnte diese erst wieder im Jahre 1946 aufnehmen."

An sie wird an der Universität Wien im "Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938" (2009) erinnert und auch auf dem "Denkmal für die im Nationalsozialismus vertriebenen Geschichte-Studierenden und -Lehrenden der Universität Wien | Wenn Namen leuchten" (2022).


Lit: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1938–1946, Rigorosenakt und -protokoll PHIL 17836, Promotionsprotokoll PHIL VII (1941–1956) 2187, Disziplinarakt Senat S 185.210; DÖW 6814; TIDL 1976, 81f., 87, 138–150; DÖW, Hg., Widerstand und Verfolgung in Wien 1934–1945. Eine Dokumentation, Bd. 2, 2. Aufl., Wien 1984; Alexander KRYSL u. Manès WEISSKIRCHER, Zur politischen Stimmung der Universitätsangehörigen im Nationalsozialismus. Eine Untersuchung anhand der Disziplinarfälle, in: Andreas Huber u.a., Hg., Universität und Disziplin. Angehörige der Universität Wien und der Nationalsozialismus, Wien u.a. 2011, 17–58, 32f.; Karin NUSKO, Sophie Vitek, Widerstand der Arbeiterbewegung (KPÖ) im biografiA-Modul-Projekt Österreichische Frauen im Widerstand; Herbert POSCH u. Martina FUCHS, Hg., Wenn Namen leuchten. Von der Universität Wien 1938 bis 1945 vertriebene Geschichte-Studierende und -Lehrende: ein Denkmal, Wien u. Münster 2022, 164-165; wikipedia.de.


Herbert Posch


Sophie Vitek, Nationale Philosophische Fakultät, Sommersemester 1941, 1. Formular, Vorderseite, (Foto: Herbert Posch), © Archiv der Universität Wien

Sophie Vitek, Nationale Philosophische Fakultät, Sommersemester 1941, 1. Formular, Rückseite, (Foto: Herbert Posch), © Archiv der Universität Wien

Sophie Vitek, Nationale Philosophische Fakultät, Sommersemester 1945, 1. Formular, Vorderseite, (Foto: Herbert Posch), © Archiv der Universität Wien

Sophie Vitek, Nationale Philosophische Fakultät, Sommersemester 1945, 1. Formular, Rückseite, (Foto: Herbert Posch), © Archiv der Universität Wien

Sophie Vitek, Anklagemitteilung, 1943, (Foto: Herbert Posch), © Archiv der Universität Wien

Sophie Vitek, Mitteilung Todesurteil 1944, (Foto: Herbert Posch), © Archiv der Universität Wien

Denkmal für die im Nationalsozialismus vertriebenen Geschichte-Studierenden und -Lehrenden der Universität Wien ("Wenn Namen leuchten", Iris Andraschek, 2022), Foto: Markus Korenjak, © Universität Wien
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