Robert Lande
Geb. am: |
18. Jänner 1918 |
Fakultät: |
Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Robert LANDE, geb. am 18. Januar 1918 in Wien (nirgends heimatberechtigt, Staatsbürgerschaft 1938: staatenlos), Sohn von Moses Josef Lande (1879–1952, Buchhändler in Wolkersdorf) und Katharina, geb. Weiß (1877–1955) und wohnte im Studentenheim "Akademikerhilfe" in Wien 9., Säulengasse 18. Er hatte im Juni 1936 am
Katholischen Privatgymnasium Kollegium Kalksburg bei Wien die Reifeprüfung (Matura) abgelegt und begann im Wintersemester 1936/37 an der Universität Wien Medizin zu studieren und war im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 4. Studiensemester inskribiert.
Nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus galt sein Vater, der Katholik Josef Lande, als "Jude" und Paul Lande selbst als "Mischling 1. Grades". Sein Vater war als Moses Aaron Lande 1879 in der Ukraine geboren und wuchs bei seinem Großvater in Jerusalem in jüdisch-orthodoxer Umgebung auf. Er war von seinem Onkel, dem Oberrabbiner von Jerusalem, für das hohe Amt des Rabbiners in Tiberias (Galiläa) ausersehen, doch während eines Besuches bei seinen Eltern in Wien 1899 brach er alle Beziehungen zu seiner Familie ab, trat 1900 zum Katholizismus über und wurde auf den Namen "Josef" getauft. Er lernte später die Bauerstochter Katharina Weiß kennen, die beiden heirateten 1914 in Wolkersdorf, und sie bekamen drei Söhne: Paul (geb. 1916), Robert (geb. 1918) und Josef jun. (geb. 1920). Robert Landes Vater hatte 1918 in Wolkersdorf im Haus eines Wiener Pfarrers eine Buchhandlung eingerichtet.
Im Nationalsozialismus wurde die Buchhandlung des Vaters 1938 "arisiert"/enteignet, und er wurde mit seinen drei Söhnen aus Wolkersdorf nach Wien vertrieben (die Mutter konnte in Wolkersdorf bleiben und unterstützte sie von dort). Robert Lande als Medizinstudent und sein Bruder
Paul Lande, als Philologiestudent, lebten dort bereits im Studentenheim in der Säulengasse 18, mussten dieses aber im Nationalsozialismus räumen und zogen im herbst 1938 zum Vater nach Wien 18., Schumanngasse 36.
Beide können als "Mischling 1. Grades" nur vorbehaltlich des jederzeitigen Widerrufs vorläufig noch weiterstudieren. Da er noch nach der Alten, österreichischen Studienordnung studierte und im April 1939 bereits das 1. Rigorosum bestanden hatte und auch seine Pflichtfamulatur am Elisabethspital in Wien 3 und am im Entbindungsheim der Stadt Wien im Brigittaspital in Wien 20 bereits absolviert hatte, wurde er 1940 ausnahmsweise mit Genehmigung des für Ärzt*innen zuständigen Reichsinnenministeriums Berlin zu den weiteren ärztlichen Prüfungen zugelassen und 1941, da er als "Staatenloser" als Ausländer galt und daher keine Berufszulassung als Arzt im Dritten Reich erhalten konnte, auch noch zum Promotionsverfahren zugelassen. So konnte er am 27. September 1941 zwar ausnahmsweise als "Mischling 1. Grades" zum "Dr.med." promovieren – allerdings eben ohne Praxiszulassung und mit Berufsverbot.
Er konnte allerdings unter der Patronanz der NS-Größe Prof. Leopold Schönbauer (1888-1963), der die Chirurgische Universitäts-Klinik in der NS-Zeit - und danach - leitete an der nahen Privat-Klinik
Hera in Wien arbeiten, wo auch die zahlreichen Privatpatient*innen von Prof. Schönbauer behandelt wurden.
Als sein Bruder
Paul Lande zuvor im Juli 1940 beantragte, in Klassischer Philologie zu promovieren, wurde dies aber vom Reichserziehungsministerium in Berlin im September 1940 erst vorläufig, nach Rücksprache mit dem Stellvertreter des Führers dann im März 1941 endgültig untersagt worden, da der angestrebte Schuldienst für "Mischlinge 1. Grades" im Nationalsozialismus verboten war. Sein Bruder war daher gezwungen, die Universität Wien ohne Promotion zu verlassen.
Sein Vater und seine Brüder fanden durch Vermittlung katholischer Kreise während des Krieges jeweils Anstellungen in Wien, der Vater Josef Lande war zeitweilig im Archiv des erzbischöflichen Ordinariats beschäftigt, nach dem Ende der NS-Herrschaft kehrte er nach Wolkersdorf zurück und übernahm wieder seine Buch- und Papierhandlung, die später sein jüngster Sohn bis 1978 weiterführte. Sein Bruder Paul ging in den Schuldienst und wurde Gymnasialprofessor.
Lit.: Archiv der Universität Wien / Nationale MED 1937–1939, Nationale PHIL 1937–1938, Promotionsprotokoll MED 1941-1956 Nr 4, RA GZ 944 ex 1939/40/41, PHIL GZ 743 ex 39/40, ONr. 67, MED GZ 1115 ex 1939/40, MED S 51.2 ONr. 2 und 33; ÖStA / AdR / Unterricht / Kurator der wiss. Hochschulen in Wien / K 13, GZ 5201 ex 1940-1943; Ferdinand ALTMANN, "Josef Lande, geb. Moses Aaron Lande", in: www.wolkersdorf1938.at/.
Herbert Posch