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Richard Wasicky

Geb. am: 06. Februar 1884
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen

Richard WASICKY, geb. am 6. Februar 1884 in Teschen, gest. am 9. August 1970 in Sao Paulo, war 1938 o. Professor für Pharmakognosie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien.

Er wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und am 22. April 1938 seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben.

Er hatte am 21. Juli 1906 an der Universität Wien den Titel 'Mag. pharm' erworben und am 23. Dezember 1911 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien auch den Grad eines Dr. med. Am 7. September 1942 wurden ihm die akademischen Grade aus rassistischen Gründen aberkannt, da er im Nationalsozialismus 'als Jude als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig' galt.

Erst 66 Jahre nach der Aberkennung und sehr lange nach dem Ende des Nationalsozialismus und Wasickys Tod wurde ihm der Doktorgrad 2008/09 wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für 'von Anfang an nichtig' erklärt.

Wasicky, Sohn eines Bahnbeamten, besuchte das Albrechtsgymnasium in Teschen/Schlesien[1] und studierte anschließend Pharmazie an der Universität Wien. Er schloss seine Studien mit dem Magistergrad ab (1906) und widmete sich in der Folge dem Medizinstudium, das er 1911 mit der Promotion zum Dr. med. beendete. Drei Jahre später erfolgte seine Habilitation für Pharmakologie, wonach er 1920 zum ao. Prof. und Vorstand des Pharmakognostischen Instituts und 1921 zum o. Prof. avancierte.[2] Von 1924 bis 1926 war er Dekan der medizinischen Fakultät.[3] Während seiner Tätigkeit an der Universität Wien lehnte er im Übrigen eine Berufung als Ordinarius für Pharmakologie und Pharmakognosie nach Belgrad (1921)[4] sowie als Ordinarius für Pharmakognosie nach Lemberg ab.[5]

Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich – das Unterrichtsministerium beurlaubte ihn per 22. April[6] – emigrierte er noch 1938 in die Schweiz und von hier aus weiter nach Paris, wobei dieser Entschluss laut "Vertriebene Pharmazie" "nicht wegen etwaiger jüdischer Herkunft" erfolgte.[7] Laut Mühlberger wurde er allerdings aus "rassischen" Gründen zwangspensioniert.[8] Laut Auskunft von Prof. Dr. Frank Leimkugel floh Richard Wasicky wohl wegen der Herkunft seiner Frau Marianne (geb. Joachimovits) - ihr Bruder, der Dozent Robert Joachimovits wurde ebenfalls von der Universität Wien vertrieben.[8a] In Paris gründete er die Exilorganisation "L'Association pour la liberation d L'Autriche", welche die politischen Verhältnisse in Österreich zu beeinflussen suchte. Als diese Bemühungen scheiterten, versuchte er im Rahmen der "Aktion Wasicky" ein "Office Autrichien" zu gründen, das allerdings nicht zustande kam. Gleichwohl erschien unter seiner Federführung die Zeitschrift "Freies Österreich – La libre Autriche", dessen erste Ausgabe im Mai 1940 veröffentlicht wurde und in dem u. a. auch Julius Deutsch und Franz Werfel publizierten.[9]

1941 nahm er eine Berufung an die Universität Sao Paulo an, wo er nun als Institutsvorstand und Professor für experimentelle Pharmakognosie an der Fakultät für Odontologie und Pharmazie tätig war und zugleich das Pharmakognostische Institut leitete.[10] Während des Krieges musste er sich allerdings mit der pharmakologischen Prüfung von Insektiziden und Mollusziden auseinandersetzen.[11] Eine Rückkehr nach Wien kam nach Kriegsende nicht zustande, wiewohl Wasicky selbst seine Bereitschaft signalisiert hatte.[12] Ab 1954 fungierte er als Professor und Direktor des Instituts für Biochemie an der Universität Rio Grande do Sul in Santa Maria.[13] Im gleichen Jahr – Wasicky vollendete sein 70. Lebensjahr – verlieh ihm die Universität Wien das Ehrendoktorat der Philosophie, das er selbst zu den "in allen Kulturkreisen unseres Planeten […] eine der hoechsten akademischen Ehrungen" wertete.[14]

Wasicky widmete sich in seinen Forschungen v. a. den Insektiziden, Rodentiziden, brasilianischen Heil- und Giftpflanzen wie auch der biologischen Prüfung von Heilmitteln.[15] Als sein wichtigstes Werk gilt das "Lehrbuch der Physiopharmakognosie" (2 Bände, 1929-32).[16]

Wasicky war Träger des Ehrendoktorats der Sorbonne (1937), der Gold Hanbury Medal for original research in the natural history and chemistry of drugs (1937),[17] des Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst,[18] Ehrenmitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien und Offizier de la Legion d’honeur wie auch Offizier de la Sante publique (1949).[19] Vor dem "Anschluss" war er zudem Vorsitzender des staatlichen Arzneipflanzenkomitees und ordentliches Mitglied des Obersten Sanitätsrates gewesen.[20]


Lit.: Österreichisches Staatsarchiv/AVA, PA Wasicky; Archiv der Universität Wien/MED PA 542, MED PA 3669, RA GZ 677 ex 1937/38; KILLY/VIERHAUS 1995-2001, Bd. 10; KOSIK 1935; MÜHLBERGER 1993, 36; MERINSKY 1980, 277-279; PLANER 1929; POSCH 2009, 215-217; UB MedUni Wien/van Swieten Blog; freundlicher Hinweis von Prof. Frank Leimkugel, Düsseldorf, 2014; Frank LEIMKUGEL u. Wolf-Dieter MÜLLER-JAHNCKE, Vertriebene Pharmazie. Wissenstransfer durch deutsche und österreichisch-ungarische Apotheker nach 1933, Stuttgart 1999; RÖDER Bd. 2 1983.


[1] ÖStA/AVA, PA, k. k. Min. f. Kultus u. Unterricht GZ 36.801-1914, Vermerk, o. D.

[3] Frank Leimkugel/Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Vertriebene Pharmazie. Wissenstransfer durch deutsche und österreichisch-ungarische Apotheker nach 1933, Stuttgart 1999.

[4] Vgl. hierzu ÖStA/AVA, PA, BM f. I. u. U. GZ 21.161-1921.

[5] UA, MED PA 542, fol. 3, Personalangabe, o. D.

[6] UA, RA GZ 677-1937/38, O.-Nr. 62, Min. f. i. u. k. A. an Rektorat, 22. 4. 1938.

[7] Leimkugel/Müller-Jahncke, Pharmazie.

[8a] freundlicher Hinweis von Prof. Dr. Frank Leimkugel, Düsseldorf, an die Redaktion des "Gedenkbuchs für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938", 2014.

[9] Leimkugel/Müller-Jahncke, Pharmazie.

[10] UA, MED PA 3669, fol. 16, Pharmakognostisches Institut/Fuchs an Professorenkollegium der philosophischen Fakultät, 17. 10. 1953.

[11] Leimkugel/Müller-Jahncke, Pharmazie.

[12] Vgl. UA, MED PA 3669, fol. 23, PHIL Dekanat an Wasicky, 5. 12. 1946; fol. 28, PHIL Dekanat an MED Dekanat, 17. 10. 1946.

[13] KILLY/VIERHAUS Bd. 10 1999. Laut "Vertriebene Pharmazie" übernahm er im Alter von 75. Jahren [d. h. 1959 oder 1960] die Leitung eines Zentrums für biochemische Forschung in Santa Maria, das er 1961 in ein Universitätsinstitut überführte. Vgl. Leimkugel/Müller-Jahncke, Pharmazie.

[14] UA, MED PA 3669, fol. 2, Wasicky an MED Dekanat, 10. 2. 1954.

[15] Kürschners deutscher Gelehrtenkalender. Bio-bibliographisches Verzeichnis deutschsprachiger Wissenschaftler der Gegenwart. Bd. 7, München 1950.

[17] Ebd., fol. 11, Kommissionsbericht zur Sitzung am 17. 11. 1953 (Verleihung des Ehrendoktorates an Wasicky).

[19] UA, MED PA 542, fol. 1, MED Dekanat an [Empfänger nicht angeführt], 23. 4. 1953.

Andreas Huber

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