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Rachel Deutsch (geb. Ostermann)

Geb. am: 05. November 1889
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Doktorgradaberkennung

Rachel DEUTSCH (geb. OSTERMANN), geb. am 5. November 1889 in Tauroggen, Bez. Kowna, Russland [Tauragė/Litauen]("heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), als Tochter von Moses Aron Ostermann und Riwa Lea Ostermann, geb. Schereschewsky (1858-1933)
Sie hatte ihre gesamte Schulzeit in Wien absolviert, zuletzt das Mädchengymnasium des Wiener Frauenerwerbsvereins, wo sie auch 1907 die Reifeprüfung (Matura) ablegte, die aber nicht zum Studium berechtigte, weshalb sie vorerst ab Wintersemester 1907/08 sechs Semester als außerordentliche Hörerin an der Universität Wien studiert und sich parallel auf die Ablegung der Reifeprüfung (Matura) am 2. Deutschen Staatsgymnasium in Brünn vorbereitet. Nach erfolgreich bestandener Matura, nunmehr mit Studienberechtigung, studierte sie ab Wintersemester 1911/12 noch weitere vier Semester als ordentliche Studierende der Germanistik und Romanistik, bevor sie im Sommer 1913 zu den Rigorosen zugelassen wurde und nach Approbation ihrer Dissertation ("O. F. Berg") schließlich am 10. Juni 1914 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien promovierte und den Grad einer Dr. phil. in Germanistik erwarb und damit zu den ersten promovierten Germanistinnen gehörte.

Sie heiratete 1917 in Wien-Ottakring den aus Teschen/Böhmen [Cieszyn/Český Těšín/Polen] stammenden Kaufmann und Oberbaurat Ing. Theodor Deutsch (1881-1954), im August 1918 wurde ihre Tochter Judith geboren, im April 1921 ihre Tochter Johanna und sie wohnten in Wien 13, Hagenberggasse 41/1, wo Rachel Deutsch auch private kunsthistorische Kurse anbot.

Nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus wurde sie als Jüdin aus Österreich vertrieben und konnte noch rechtzeitig vor der Verfolgung mit ihrer Familie nach Palästina [Israel] flüchten. Sie kam mit ihrem Mann und ihrer jüngeren Tochter Johanna am 5. September 1938 in Palästina an und sie ließen sich in Haifa bzw. Herzliya nieder (ihre Nichte, Lisbeth Wechter-Ostermann, wurde zu dieser Zeit als Medizinstudentin von der Universität vertrieben). Im Jänner 1941 erhielten sie die Staatsbürgerschaft im britischen Mandatsgebiet Palästina [Israel], woraufhin ihnen per 12. Mai 1941 vom Dritten Reich die Deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt und jegliches Vermögen vom Staat beschlagnahmt wurde. Als weitere Rechtsfolge forderte das Reichsinnenministerium Berlin über das Reichserziehungsministerium Berlin die Leitung der Universität Wien auf, Rachel Deutsch auch den Doktorgrad abzuerkennen. Daraufhin wurde Rachel Deutsch am 14. Juli 1942 dann von der Universität Wien der akademische Grad aus rassistischen Gründen aberkannt, da sie im Nationalsozialismus "als Jüdin als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig" galt.

Die Familie lebte in Herzliya und ihre Tochter Judith, die in Österreich eine berühmte Schwimmerin gewesen ist, die mit ihrem Boykott der Olympiade in nationalsozialistischen Berlin 1936 großes Aufsehen erregte, heiratete 1939 den ebenfalls aus Wien vertriebenen Bernhard Haspel, der 1938 als Medizinstudent an der Universität Wien nur noch im Rahmen einer diskriminierenden "Nichtarierpromotion" sein Studium abschließen konnte, bevor er ebenfalls nach Palästina [Israel] emigrierte. Judith Haspel-Deutsch wurde im selben Jahr noch Israelische Schwimmmeisterin und repräsentierte die Hebrew University bei den World University Games (Nähers zu beide im Gedenkbucheintrag zu Bernhard Haspel). Auch ihre Tochter Johanna Hani Lux, geb. Deutsch (1921-2014) etablierte sich Israel.

Bei einem Besuch bei ihrem Bruder Emil Ostermann (1896-1993) in Wien im Sommer 1951 stellte Rachel Deutsch an das Rektorat der Universität Wien den Antrag "den mir im Jahre 1942 infolge der Rassengesetze aberkannten Doktortitel gütigst wieder zu verleihen". Daraufhin wird eine Diplomkopie ohne den Aberkennungsvermerk angefertigt, der Akademische Senat beschließt in seiner Sitzung vom 28. Juni 1951 die rückwirkende Wiederverleihung wovon sie das Rektorat am 2. Juli verständigt (das Diplom wird ihrem Bruder (bezeichnet als "Erich Ostermann") in Wien geschickt, da sie bereits wieder nach Israel zurückgereist war).

Somit wurde ihr 9 Jahre nach der Aberkennung und lange nach dem Ende des Nationalsozialismus der Doktorgrad wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für "von Anfang an nichtig" erklärt.

Dr. Rachel Deutsch, geb. Ostermann, starb am 12. Aug. 1962 in Tel Aviv/Israel und ist am dortigen Herzliya Cemetery, Herzliya/Israel bestattet.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Promotionsprotokoll PHIL 1913–1922 Nr. 97, Rektorat GZ 118 ex 1941/42, GZ 561 ex 1944/45 ONr. 13a, GZ 373 ex 1950/51 (= S 271.108); Deutscher Reichsanzeiger Nr. 111 vom 15. Mai 1941; POSCH 2009, 404; POSCH/STADLER 2005; www.ancestry.de, www.myheritage.at; freundlicher Hinweis von Roswitha Hammer, Steine der Erinnerung, Wien 11/2022; und von Rachel Deutsch's Enkel Benni Haspel, Israel 04/2023.


Herbert Posch


Rachel Deutsch, geb. Ostermann, um 1940

Promotion Rahel Ostermann, 10. Juni 1914, mit Aberkennungs- und Wiedererleihungsvermerk, PHIL Promotionsprotokoll 1913-1922, Nr. 97, © Archiv der Universität Wien

Rachel Deutsch, geb. Ostermann, Ausbürgerung aus Deutschen Reich, Beschluss vom 12. Mai 1941, Karteikarte

Reichserziehungsministerium Berlin fordert Rektor der Universität Wien am 7. Mai 1941 auf, Rachel Deutsch Ostermann das Doktorat abzuerkennen, © Archiv der Universität Wien

Reichserziehungsministerium Berlin fordert Rektor der Universität Wien am 7. Mai 1941 auf, Rachel Deutsch Ostermann das Doktorat abzuerkennen

Beschluss der Doktorgradaberkennung von Rachel Deutsch, Universität Wien 22. Mai 1942, © Archiv der Universität Wien

Rahel Deutsch-Ostermann sucht um Wiederverleihung des aberkannten Doktorgrades an, 9. Juni 1951, © Archiv der Universität Wien

Rektorat informiert Rahel Deutsch-Ostermann über die Wiederverleihung, 2. Juli 1951, © Archiv der Universität Wien
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