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Karl Roretz

Geb. am: 24. Juli 1881
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen

Karl (von) RORETZ, geb. am 24. Juli 1881 in Schloss Breiteneich bei Horn, Niederösterreich/Österreich-Ungarn, war 1938 Privatdozent (tit. ao. Prof.) für Geschichte der neueren Philosophie an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien.

Er wurde im Nationalsozialismus verfolgt und legte 1939 "freiwillig" seine venia legendi zurück und wurde von der Universität Wien ausgeschlossen.

Karl von Roretz, Sohn des Bezirkshauptmanns Ernst von Roretz (1849–1909) und der Auguste Roretz, geb. Groeger absolvierte das Gymnasium in Wien 12 und Wien 19, wo er am 7. Juli 1899 auch die Reifeprüfung (Matura) ablegte um anschließend vom Wintersemester 1899/00 bis Sommersemester 1903 Rechtswissenschaften an der Universität Wien zu studieren (3. Staatsprüfung und Absolutorium 1904). Er besuchte dabei aber auch zahlreiche Lehrveranstaltungen der medizinischen und der philosophischen Fakultät. Anschließend trat er Anfang 1905 als Hospitant in die k.k. Hofbibliothek in Wien (später Nationalbibliothek) ein.

Vom Sommersemester 1904 bis Sommersemester 1906 studierte er an der Philosophischen Fakultät Philosophie. Er legte im März 1906 seine Dissertation "Das Einfühlungsproblem in der modernen Ästhetik - eine historisch-kritische Studie" vor, die umgehend von seinem Betreuer Laurenz Müllner (1848-1911) and sowie auch von Adolf Stöhr (1855-1921) approbiert wurde und konnte am 22. Mai 1906 zum "Dr. phil." promovieren. Er arbeitete weiter an der Österreichischen Nationalbibliothek, wo er im März 1921 zum Kustos 1. Klasse ernannt wurde. Gleichzeitig habilitierte er sich mit der Schrift "Kants Philosophie des Organischen" auch an der Universität Wien für Geschichte der Neueren Philosophie und wurde im März 1922 zu Privatdozenten ernannt.

Im Jänner 1930 wurde ihm der Titel - aber nicht die Funktion - eines außerordentlichen Professors (Pd. tit. ao. Prof.) verliehen. Daneben war er aber auch als Kustos in der Nationalbibliothek tätig, wo er sich aber Im Juli 1932 freiwillige als Oberstaatsbibliothekar in den dauernden Ruhestand versetzen ließ.

Nach dem „Anschluss“ konnte er an der Universität Wien vorerst ungehindert weiterarbeiten und beantragte im Mai 1939 die Ernennung zum "ausserplanmäßigen Professor", was im September 1939 noch vom NS- Dozentenbundführer Arthur Marchet befürwortet wurde. Als das Dekanat aber einen Ahnennachweis zur rein arischen Abstammung verlangte, verweigerte er dessen Vorlage (obwohl es ihm angeblich möglich gewesen wäre, diesen zu erbringen) und führte an, dass "der ihm gegenwärtig an der Philosophischen Fakultät zustehende Wirkungskreis nicht ein solcher ist, wie er ihm nach seinen bisherigen wissenschaftlichen und didaktischen Leistungen beanspruchen zu dürfen meint", was ihm "untragbar" erscheine weshalb er den Antrag am 8. November 1939 zurückzog und damit seine venia docendi verlor.

Unmittelbar nach der Befreiung und dem Ende des Nationalsozialismus ersuchte er in einem Schreiben an das Dekanat vom 16. Mai 1945 um "Wiederaufleben" seiner venia, die er 1939 "einerseits bewogen durch die ihn kränkenden Personalveränderungen (die aus rein politischen Gründen damals erfolgten), andererseits wegen des, die freie Forschung hemmenden  Druckes der damaligen Regierung niederzulegen sich veranlasst sah". Wenige Tage später hielt er in einer Erklärung am 21. Mai 1945 fest, er habe nur "auf politischen Druck seine venia docendi vorübergehend zurückgelegt (1.XII.39!)".

Die venia wurde ihm noch im Juni 1945 wieder verliehen und ab Sommersemester 1948 erhielt er auch einen vierstündigen remunerierten Lehrauftrag, den er bis 1951 abhielt, als nach Erreichung der Altersgrenze von 70 Jahren seine venia endgültig erlosch und er die Vorlesungen einstellte.

Er vertrat einen antimetaphysischen Positivismus in Anlehnung an Mach und beschäftigte sich neben der Erkenntniskritik mit kulturpsychologischen und kulturphilosophischen Problemen. Zu seinen Arbeiten zählen u.a.:

Er starb am 17. Juli 1967 in Wien und liegt in einem Ehrengrab am Zentralfriedhof (Abt. Krematorium).

Lit: Archiv der Universität Wien Rigorosenprotokoll und -akt PHIL 2001, Promotionsprotokoll M.34.3 (1905-1913), Nr. 79, Personalbogen Senat S 304.1060, Personalakt PHIL 3071; Franz AUSTEDA (Hg.), Karl Roretz, Ziele und Wege philosophischen Denkens, Wien 1976; MÜHLBERGER 1993, 46; BLUMESBERGER 2002, 1135; Hans-Joachim DAHMS u. Friedrich STADLER, Die Philosophie an der Universität Wien von 1848 bis zur Gegenwart, in: Katharina Kniefacz u.a., Hg., Universität – Forschung – Lehre. Themen und Perspektiven im langen 20. Jahrhundert, Göttingen 2015, 77–132.


Herbert Posch

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