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Ilse Maria Aschner (geb. Römer)

Geb. am: 26. September 1918
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende
Ilse Maria RÖMER (verh. ASCHNER), geb. am 26. September 1918 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Tochter von Gustav Römer (Ingenieur, öffentl.-rechtl. Beamter in der Gebietskrankenkasse), wohnte in Wien 4, Seisgasse 18 I/9 , war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Philosophischen Fakultät im 1. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Germanistik. Als "Kind der Republik" bezeichnet sich die im Jahr 1918 in eine bürgerliche, sozialdemokratisch orientierte Familie geborene Ilse Römer. Der Vater bestand nach einem Schlüsselerlebnis, das er nie näher erläutern wollte, darauf, sich und die Kinder evangelisch taufen zu lassen. Die Mutter blieb konfessionslos. So erfuhr Ilse Aschner erst am Tag des "Anschlusses", dass sie nach den "Nürnberger Rassengesetzen" als "Volljüdin" galt. Daher durfte sie die Universität, die sie seit dem Wintersemester 1937/38 als Germanistik- und Pädagogikstudentin besucht hatte, nicht mehr betreten. Da die Familie ob der Entlassungen ihres Vater und Bruders unmittelbar nach dem ›Anschluß‹ ohne Einkommen war, wurden sofort Bemühungen zur Emigration eingeleitet. Doch es dauerte ein ganzes Jahr bis Ilse Aschner Wien verlassen konnte. Über Vermittlung der Quäker übernahm sie bei einem Pastorenpaar in England die Kinderbetreuung. Auch ihr Bruder konnte kurz darauf noch nach Großbritannien flüchten; die Eltern hingegen wurden von der niederländischen Grenze zurück nach Deutschland abgeschoben und in das Ghetto von Riga deportiert, wo der Vater ermordet wurde, die Mutter noch weiter ins Lager Stutthof deportiert wurde, wo sie Anfang 1945 starb. Dies erfuhren Ilse Aschner und ihr Bruder allerdings erst nach ihrer Rückkehr nach Österreich. Während sie im Exil, gestützt durch die Organisation Young Austria, "eine Sammlung der entwurzelten jungen ÖsterreicherInnen", eine baldige Rückkehr erhoffte, durchlief Ilse Aschner eine Ausbildung als Kindergärtnerin, die sie mit einem Diplom abschließen konnte. In diesem Sinne ist ihr das Kriegsende auch als "zweit-schönster Tag im Leben" in Erinnerung geblieben. Der Wunsch nach Rückkehr erfüllte sich schließlich im Jahr 1946. Damit war auch die Hoffnung verbunden gewesen, das Studium nun beenden zu können. Sie stellte dieses Anliegen zurück und ging, den Vorgaben der KPÖ folgend, der sie bereits im Exil beigetreten ist, gemeinsam mit ihrem zukünftigen Ehemann nach Salzburg. Hier arbeitete sie bis zur Geburt ihrer Tochter (1947) als Dolmetscherin bei der US Army in Glasenbach sowie für die FÖJ, die Jugendorganisation der KPÖ. Die nächsten Stationen ihres politisch motivierten Werdeganges bildeten Linz (1950–1958) und Prag (1958–1962) und ab 1962 Wien. Ab 1950 arbeitete sie auch für den Bund demokratischer Frauen. Im Zusammenhang mit der Niederschlagung des Prager Frühlings durch den Warschauer Pakt fiel die Entscheidung für den Austritt aus der kommunistischen Partei. Der 1956 in Linz geborene Sohn besuchte die tschechische Schule in Wien. Als Journalistin fand Ilse Aschner bei der von Günther Nenning gegründeten Zeitschrift Neues Forum einen entsprechenden Tätigkeitsbereich. Danach übernahm sie das Wiener Büro der Grazer Autorinnen- und Autorenversammlung und fand nicht zuletzt über die Mitarbeit im Ersten Wiener Lesetheater zur Germanistik und Literatur zurück. Seit 1988 fungiert sie zudem als Zeitzeugin in Schulen. Ilse Aschner starb am 10. Oktober 2012 in Wien.

Lit.: POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 337; Josef HASLIGNER, Ilse M. Aschner erzählt, in: ders., Politik der Gefühle. Ein Essay über Österreich, überarb. Neuauflage, Frankfurt am Main 1995, 91-105; WIKIPEDIASCHWARZ 2008; Vera SCHWARZ, Meine roten Großmütter. Politische Aktivität aus der KPÖ ausgetretener/ausgeschlossener Frauen, Frankfurt am Main u.a. 2010; KNIEFACZ/POSCH 2017bKNIEFACZ/POSCH 2017c; Matthias Kamleitner, Verfolgung zwischen "Anschluss" und Holocaust, in: Florian Wenninger u. Jutta Fuchshuber, Hg., Ich bin also nun ein anderer. Die jüdische Bevölkerung der Wieden 1938-1945, Wien 2017, 28-69, 50 bzw.: http://www.juedischewieden.at/ilse-roemer/; Interview mit Ilse ASCHNER am 14. Jänner 2003 in Wien, Interviewer: Werner Lausecker und Herbert Posch; >>> Video Interview auf www.erinnern.at; >>> Video Interview auf www.oesterreich-am-wort.at vom 22. Juni 2007 in Wien (Interviewer: Werner Lausecker)


Doris Ingrisch und Herbert Posch


Nationale von Ilse Maria Römer (später verehel. Aschner), Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Ilse Maria Römer (später verehel. Aschner), Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Ilse Aschner
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