Helga Krömer (Hupfer)
Geb. am: |
11. Jänner 1919 |
Fakultät: |
Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Helga KRÖMER (verh. HUPFER), geb. am 11. Januar 1919 in St.Pölten/Niederösterreich (heimatberechtigt in St.Pölten, Staatsbürgerschaft: Österreich), Tochter von Dr. Karl Krömer (Rechtsanwalt in St. Pölten, Roseggerstraße 14) und dessen Ehefrau Emilie Antonia, geb. Brandstätter, wuchs gemeinsam mit ihren Brüdern Otto und Erwin Krömer in St. Pölten auf. Nach der Reifeprüfung (St. Pölten 1936) begann sie im Wintersemester 1936/37 an der Universität Wien Medizin zu studieren. Während ihres Studiums wohnte sie in Wien, zunächst in Wien 9,
Servitengasse 3, ab 31. März 1939 in Wien 8, Bennogasse 8/1/4/10.
Da ihre Großmutter väterlicherseits nach NS-Rassegesetzen als Jüdin galt, fielen Helga Krömer und ihre Brüder – obwohl evangelisch getauft – in die Kategorie der "Mischlinge 2. Grades". Ihr älterer Bruder Otto konnte sein Studium der Rechtswissenschaften noch vor dem "Anschluss" abschließen, wurde jedoch später in in der Berufsausübung behindert, indem er etwa nicht zur verpflichteten Gerichtspraxis zugelassen wurde.
Helga Krömer war auch nach dem "Anschluss" 1938 im Wintersemester 1938/39 an der Medizinischen Fakultät im 5. Studiensemester inskribiert (Wintersemester 1938/39 wurde ihr am 17. März 1939 als gültig angerechnet). Daher konnte sie ihr Studium - bei jederzeitigem Widerruf - vorläufig fortsetzen und bestand das 1. Rigorosum am 23. Februar 1939.
Als "Mischlinge" ab dem 1. Trimester 1940 ein Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin um Studienzulassung stellen mussten, reichte auch Helga Krömer am 9. Mai 1940 ein Ansuchen zur Fortsetzung ihres Studiums ein, um zu den unmittelbar bevorstehenden Abschlussprüfungen antreten zu können:
"Augenblicklich famuliere ich, nachdem ich das 8. Semester des medizinischen Studiums bereits absolviert habe, an der Univ.Kinder-Klinik, Vorst.Prof.Dr. Hamburger."
"Die Vollendung des medizinischen Studiums soll mir die Möglichkeit geben, als praktischer Arzt zu wirken und im Leben jene wirtschaftliche Selbständigkeit und Existenzgrundlage zu finden, wie sie der erwerbstätigen Frau heute im Wirtschaftsleben des deutschen Volkes zukommen und auch der heutigen Auffassung vom Werte der Arbeit als einer Verpflichtung der Volksgemeinschaft gegenüber entspricht."Gemäß Vorschrift legte der Dekan der zuständigen Medizinischen Fakultät, Eduard Pernkopf, dem Antrag ein mit 5. Juni 1940 datiertes Gutachten, das
"insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte]
. Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind." [Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940]. Er stellte fest:
"An ihrem Exterieur bemerkt man nichts Jüdisches".
Das Reichserziehungsministerium entschied nach Absprache mit dem Reichsinnenministerium am 22. Juli 1940, Krömer zu Fortsetzung und Abschluss ihres Studiums bedingt zuzulassen,
"soferne die von Ihnen noch beizubringenden Abstammungsurkunden einwandfrei ergaben", dass sie nur von einem "jüdischen" Großelternteil abstamme.
Nachdem sie diese Dokumente erbracht hatte, konnte sie nach einem Trimester Pause im 3. Trimester 1940 sowie im [1.] Trimester 1941 wieder inskribieren (Abgangszeugnis vom 9. April 1941).
Am 18. Juni 1941 vermerkte der Rektor:
"Da das Doktorat den Abschluß des Studiums bildet und von der Bestallung unabhängig ist, halte ich es für selbstverständlich, daß Frl. Krömer auch zur Promotion zugelassen wird. Diese Zulassung ist umsomehr am Platze, als der Vater der Genannten mit Rücksicht auf besondere Umstände und Verdienste als Mischling 1. Grades zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes in St. Pölten zugelassen ist."
Noch während des Nationalsozialismus konnte sie ihr Studium abschließen und promovierte am 5. Juli 1941 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien zur "Dr. med.univ." und arbeitete anschließend 1941-1942 als Ärztin an der II. Med. Univ.-Klinik Wien, 1942 im Sanatorium Purkersdorf, 1942-43 an der I. Chir. Univ.-Klinik Wien, und 1943-1944 am KH Nordhausen/Harz, wo sie auch den Medizinstudenten und späteren Arzt Arzt Helmuth Hupfer (geb. 1921 in Nordhausen, 1939-45 Militär-Ärzte-Akademie in Berlin), kennenlernte. Unmittelbar nach Kriegsende, am 27. April 1945, heirateten die beiden in Zeitz/[Ost-]Deutschland.
Helga Hupfer war später in St. Pölten als niedergelassene Ärztin tätig, machte 1945-47 Praxisvertretung in St. Pölten während ihr Mann 1945-1949 seine Krankenhausausbildung in St. Pölten absolvierte und ab 1949 als praktischer Arzt in St. Pölten ordinierte. Helga Hupfer arbeitete darüber hinaus 1945-1967 als Mutterberatungs-Ärztin und 1946-1984 als Schul-Ärztin in St. Pölten. Sie hatten gemeinsam eine Tochter, Beatrix Hupfer und sie lebte zuletzt in St. Pölten, Roseggerstraße 14.
Ihr jüngerer Bruder Erwin Krömer nahm nach dem Krieg bzw. seiner Heimkehr aus der Gefangenschaft ein Studium auf.
Dr. Helga Hupfer starb am 2. Juli 2006 in Wien und ist am Hauptfriedhof St. Pölten beigesetzt.
Lit.: freundlicher Hinweis ihrer Großnichte Mag. iur. Daniela Krömer, 2014; Archiv der Universität Wien, Medizinische Fakultät: Nationale 1936-1941; Promotionsprotokoll XIII, Nr. 5648; Auskunft Wiener Stadt- und Landesarchiv/Meldearchiv, 7.11.2014; Auskunft Magistrat St. Pölten, Kulturangelegenheiten, 23.07.2019; NÖ ÄRZTECHRONIK 1990, 490; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 424; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2022.
Katharina Kniefacz, Herbert Posch