Hans Friedmann
Geb. am: |
05. Februar 1914 |
Fakultät: |
Philosophische Fakultät |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Hans FRIEDMANN, geb. am 5. Februar 1914 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Otto Friedmann (Kaufmann), wohnte in Wien 2, Böcklinstraße 63, begann 1932 ein Chemiestudium an der Universität Wien. Er war bereits während des Austrofaschismus Mitglied, später Leiter der Widerstandsgruppe "Rote Studenten" im Physikalisch-Chemischen Institut in der Währingerstraße 42:
"Während meines Studiums in den 30er-Jahren war ich seit seiner Gründung Mitglied und Aktivist des Roten Studentenverbandes (RSV) - der gemeinsamen illegalen Studentenorganisation der Kommunisten und der Revolutionären Sozialisten (RS). Der RSV war die Organisation, in der die linken Gegner der Dollfuß-Diktatur an allen Fakultäten der Universität Wien und der Technischen Hochschule vereinigt waren. Wir trafen uns damals regelmäßig in Fünfergruppen, von denen aus konspirativen Gründen nur ein einziges Mitglied in Verbindung mit der Organisationsleitung war. Alle Mitglieder hatten einen Decknamen, meiner war 'Egon'.
[…]
Die Chemie- und Physikstudenten in dem Gebäudekomplex Währingerstraße-Boltzmanngasse-Strudlhofgasse waren eine der stärksten Abteilungen des RSV. Es wurden verschiedene politische Aktionen durchgeführt, die den Kollegen und den Herrschenden zeigen sollten, daß ein Verbot die Präsenz der Linken an den Hochschulen nicht zum Verschwinden bringen konnte. Es wurden automatisierte Flugzettel-Streuaktionen durchgeführt, Fahnen wurden selbsttätig gehißt, Flugzettel in die Garderobenkästen deponiert, Fensterscheiben im Hauptgebäude der Universität mittels Flußsäure mit Hammer und Sichel-Symbolen bemalt, regelmäßige Ausgaben von Zeitungen, die mit den damals gebräuchlichen Methoden vervielfältigt wurden, gegen geringes Entgelt vertrieben; es gab marxistische Schulungen und politische Diskussionen, die aus konspirativen Gründen im Wienerwald stattfanden oder in nahe gelegenen alpinen Gegenden als Schikurse getarnt; und anderes mehr."
(Aus der Rede von Dr. Hans Friedmann, Gedenkveranstaltung aus Anlass des 60. Jahrestages: "In Memoriam Dr. Kurt Horeischy und Dr. Hans Vollmar", 7. April 2005)
Hans Friedmann begann Anfang 1937 an seiner Dissertation zu arbeiten und war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Philosophischen Fakultät im 12. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Chemie und Physik.
Da er einen Bruder in Kalifornien/USA hatte, konnte er rasch Pass und Visum erhalten und noch im April 1938 aus Österreich entkommen und nach Kolumbien emigrieren, wo er eine Stelle als Chemiker in einer Zementfabrik fand.
Ab 1947 lebte er in Schweden.
1953 kehrte er nach Österreich zurück und wurde Mitarbeiter der Firma LOBA-Chemie. Neben seiner Arbeit nahm er sein abgebrochenes Chemiestudium an der Universität Wien wieder auf, konnte seine in Kolumbien fortgesetzte Dissertation fertigstellen und sein Studium im Juli 1956 mit der Promotion zum 'Dr.phil.' abschließen. Nach sieben Jahren als Mitarbeiter der LOBA-Chemie in Wien-Heiligenstadt war er von 1960 bis zu seiner Pensionierung 1980 Betriebsleiter der Feinchemikalien- und Reagenzienfabrik in Fischamend/Niederösterreich.
Hans Friedmann war ehrenamtlicher Mitarbeiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) und bis zuletzt auch als Zeitzeuge und antifaschistischer Aktivist tätig.
Hans Friedmann starb am 29. Juni 2006 in Västeras/Schweden. Seine Witwe lebt in Schweden, sein Sohn in Wien.
Lit.: TIDL 1976, 4, 46; Interview von Reinhard Schlögl mit Hans Friedmann, 22. November 1993; Rede von Dr. Hans Friedmann, Gedenkveranstaltung aus Anlass des 60. Jahrestages: "In Memoriam Dr. Kurt Horeischy und Dr. Hans Vollmar", 7. April 2005; Widerstand an den Chemischen Instituten; Nachruf in: Mitteilungen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW), 178 (Oktober 2006), 3; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 388; freundlicher Hinweis von John Baum, Oslo/Norwegen 2012; KNIEFACZ/POSCH 2017a; KNIEFACZ/POSCH 2017c.
Katharina Kniefacz