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Elisabeth (Helene Babette) Lissauer

Geb. am: 01. Dezember 1916
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene Studierende
Elisabeth LISSAUER (Helene Babette), geb. am 1. Dezember 1916 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Tochter von Emanuel Kaufmann (Kaufmann in Budapest, 1865-1921) und Leopoldine, geb. Wolfinger, wiederverh. Waldhauser (Trafikantengattin, 1890-?), wohnte in Wien 3, Landstraßer Hauptstraße 28/13. Nach der Reifeprüfung (Matura) am Realgymnasium in Wien 13 begann sie im Wintersemester 1936/37 ihr Studium an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien.  Ihre Mutter war bei Verehelichung 1916 in Budapest vom röm-kathol. zum jüdischen Glauben konvertiert, nach dem Tod des Vaters 1921 trat die Mutter 1926 vor ihrer Wiedervehelichung wieder zum röm.-kath. Glauben über und Helene Babette Lissauer liess sich als Elisabeth Lissauer am 12. Juni 1928 in Budapest ebenfalls im röm-kath. Ritus taufen. Sie galt damit im Nationalsozialismus als "Mischling 1. Grades" und konnte ihr Studium auch nach dem "Anschluss" - bei jederzeitigem Widerruf - vorläufig fortsetzen und war im Sommersemester 1938 im 4. Studiensemester inskribiert. Ihr jüngerer Bruder Ludwig Lissauer, der auch an der Medizinischen Fakultät studierte, war den selben diskriminierenden Maßnahmen ausgesetzt. Als "Mischlinge" ab dem 1. Trimester 1940 ein Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin um Studienzulassung stellen mussten, reichten auch die Geschwister Lissauer Ansuchen zur Fortsetzung ihrer Studien ein in dem sie sich als weitgehend NS-loyal darstellten. Gemäß Vorschrift legte der Dekan der zuständigen Medizinischen Fakultät, Eduard Pernkopf, dem Antrag ein mit April 1940 datiertes Gutachten, das
"insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte]. Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind." [Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940].
Er stellte fest:
"Bei beiden Geschwistern kommt der jüdische Typus etwas hervor."
Das Reichserziehungsministerium entschied nach Absprache mit dem Reichsinnenministerium im Juni 1940, die Geschwister "ausnahmsweise" noch zur ärztlichen Prüfung nach alter österreichischer Studienordnung zuzulassen, da sie die Vorprüfung (1. Rigorosum) bereits bestanden hatten. Dabei waren sie jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sie als "Mischlinge 1. Grades" keine Chance hatten, die Bestallung (Berufszulassung) als Arzt im Deutschen Reich zu erhalten. Nach bestandenem 2. und 3. Rigorosum wären Elisabeth und Ludwig Lissauer nach alter Studienordnung berechtigt gewesen zu promovieren. Im Juni 1941 übermittelte die Universität Wien die Ansuchen der Geschwister um Zulassung zur Promotion zum Dr. der gesamten Heilkunde. Auf Vorschlag des Dekans der medizinischen Fakultät entschied der Rektor der Universität Wien am 26. Juni 1941,  die Promotion der Geschwister "bedingt" zuzulassen. Er stimmte zu, dass
"Ludwig Lissauer und Elisabeth Lissauer unter Vorbehalt der nachträglichen Genehmigung durch den Herrn Reichserziehungsminister schon jetzt zur Promotion zugelassen werden. ein diesbezüglicher Bericht an das Reichserziehungsministerium ist in Vorbereitung. Die Diplome der beiden werden in der Pedellenkanzlei aufbewahrt und erst nach positiver Erledigung meines Antrages im Reichserziehungsministerium an die Studierenden ausgefolgt werden."
"Der vorliegende Fall erscheint mir umso berücksichtigungswerter, als der Führer eine Gnadenentscheidung dahin getroffen hat, daß die Mutter der genannten Kandidaten, Leopoldine Waldhauser, trotz nicht rein arischer Versippung weiterhin ohne Einschränkung der Mitgliedschaftsrechte der NSDAP angehören kann."
Das REM fällte erst am 19. September 1942 eine grundsätzliche Entscheidung: Ohne Nachweis der Bestallung als Arzt (die "Mischlingen 1. Grades" grundsätzlich nicht erteilt wurde) durfte das Doktordiplom nicht ausgehändigt werden.
"Um den Genannten jedoch die Erlangung einer geeigneten Anstellung in der Industrie zu erleichtern, ermächtige ich die Fakultät, eine Bescheinigung des Inhalts auszustellen, daß sie, abgesehen von dem Nachweis der deutschblütigen Abstammung, alle Voraussetzungen für die Verleihung des Doktorgrades erfüllt haben. Auf der Bescheinigung ist ausdrücklich zu vermerken, daß sie nicht als Doktordiplom gilt."
Erst nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihr das Doktordiplom, das sie formal bereits am 5. Juli 1941 erworben hatte, im Juni 1945 ausgehändigt und rückwirkend in Gültigkeit versetzt. Ob sie Ärztin wurde und wo sie lebte ist noch unklar – sie wurde 1951 nach unbekannt aus Wien abgemeldet. Dr. Elisabeth Lissauer starb 80jährig im Oktober 1997 und wurde am Wiener Zentralfriedhof bestattet.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1936-1942, Promotionsprotokoll MED M 33.13, 5639; Senatssonderreihe MED S 51/2; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 431; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2022; Verstorbenensuche Friedhöfe Wien; www.genteam.at.


Katharina Kniefacz u Herbert Posch


Nationale von Elisabeth Lissauer, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Elisabeth Lissauer, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Elisabeth Lissauer, Sommersemester 1938 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Elisabeth Lissauer, Sommersemester 1938 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Elisabeth Lissauer, Sommersemester 1938 (2. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Elisabeth Lissauer, Sommersemester 1938 (2. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Elisabeth Lissauer, Wintersemester 1938/39 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Elisabeth Lissauer, Wintersemester 1938/39 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Elisabeth Lissauer, Wintersemester 1936/37 (Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Elisabeth Lissauer, Wintersemester 1936/37 (Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Archiv der Universität Wien

Elisabeth LISSAUER, 1940, © Archiv der Universität Wien

Gutachten Dekan Pernkopf über Elisabeth LISSAUER, 1940, © Archiv der Universität Wien

Ablehnung Aushändigung MED Doktordiplom 1942, Elisabeth LISSAUER © Archiv der Universität Wien

Promotionsprotokoll MED 1941, Elisabeth LISSAUER © Archiv der Universität Wien
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