Blanka Satz (verh. Moscisker)
Geb. am: |
11. November 1914 |
Fakultät: |
Philosophische Fakultät |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Blanka Liese SATZ (verh. MOSCISKER), geb. am 11. November 1917 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Tochter von Josef Satz (1883–1967, Kaufmann) und Dora Satz (geb. Katz, 1893–1964), wohnte in Wien 20., Karl-Meißl-Straße 4/64. Sie hatte 1936 mit Auszeichnung ihre Reifeprüfung (Matura) abgelegt und begann im Wintersemester 1936/37 an der Universität Wien zu studieren. Sie war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Philosophischen Fakultät im 3. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Geschichte und Romanistik. Sie erzählte 1998, dass sie eine akademische Karriere ergreifen wollte - allerdings erinnerte sie sich an ihre Zeit an der Universität auch als stark geprägt von Antisemitismus, (latenter) Gewalt und schlagenden Burschenschaftern.
Sie wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen.
Ihr jüngerer Bruder
Jakob Satz (1919-1996), der begonnen hatte an der Medizinischen Fakultät zu studieren, wurde ebenfalls von der Universität Wien vertrieben, konnte aber über die Schweiz mit einem Studentenzertifikat nach Palästina [Israel] emigrieren.
Sie versuchte mit ihren Eltern nach England auszureisen – ohne Bekannte dort war die aussichtsreichste Chance nach Großbritannien zu kommen ein
domestic service permit (Dienstmädchenvisum) zu erhalten. Deshalb lernte sie intensiv Englisch und ihre Mutter Kochen, um gemeinsam ihre Ausreisechancen zu verbessern und sie gab Nachhilfeunterricht um Geld zu verdienen, da ihr Vater sein Geschäft aufgegeben hatte. Sie gaben eine Annonce in England auf um gemeinsam eine Stelle zu erhalten, und versuchten in Wien alle notwendigen Papiere für eine Ausreise zu erhalten und Ende März 1939 konnte sie gemeinsam mit ihrer Mutter mit einem
domestic service permit nach Großbritannien emigrieren. Sie arbeitete das erste halbe Jahr als Stubenmädchen und ihre Mutter als Köchin bei einer Familie auf der Isle of Wright, was sich aber als keine haltbare Lösung herausstellte, fanden später für einige Monate eine gemeinsame Stelle an der Südküste und es gelang ihnen auch ihren Vater noch kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges nach England nachzuholen. Später lebten sie in 24, St. Andrew Grove, London N 16 und wurden aufgrund positiver Empfehlungen Ende 1939 als
friendly aliens eingestuft und von der Internierung ausgenommen und konnten weiter in London leben.
Sie heiratete im Jänner 1950 in Hackney, London, Theodor Moscisker (1915–2009), der aus Mährisch-Ostrau/Österreich-Ungarn [Moravská Ostrava/Tschechische Republik] stammte, emigrieren musste und in der britischen Armee gedient hatte. Der promovierte Tierarzt konnte nicht in seinem gelernten Beruf arbeiten und sie bauten gemeinsam ein Kinderspielzeug- und Kinderkleidungsgeschäft auf. Im März 1950 wurde Blanka Moscisker auch britische Staatsbürgerin (damals lebte sie in 63, Heathland Road, London N 16) und 1952 und 1955 wurden ihre Söhne Arnold und Simon geboren, denen sie beiden eine akademische Ausbildung ermöglichten. Später zog sie mit ihrem Mann nach Warwick Grove 36, Hackney, Greater London.
In der Pension engagierte sie sich im karitativen Bereich und in einem Interview schildert sie 1998 die Nachteile, die der Bildungsabbruch in ihrem Leben bedeutet hatten, zog aber trotzdem ein positives Resumé als sie gefragt wurde, wie sehr sie dies bedaure:
"I did at first very much so. But then I found, that living, and learning from life, is also a lesson! And it is something that is available."
Sie starb am 15. Jänner 2009 in London, England und ist am Rainham Jewish Cemetery, Havering, Greater London, England/Großbritannien beigesetzt.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1936-1938; IKG-Archiv, Geburtsmatriken; The National Archives/Kew, London, England/HO 396/78 WW2 Internees (Aliens) Index Cards 1939-1947; General Register Office/United Kingdom/Civil Registration Marriage Index/Vol. 5c p. 1531; London Metropolitan Archives; London, England; Electoral Registers 1959, 2003-2010; The London Gazette v. 21. April 1950, p. 1955; www.ancestry.de; www.findagrave.com; USC Shoah Foundation Institute for Visual History and Education, University of Southern California, Interview 44606 vom 20. Mai 1998; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 463.
Herbert Posch