Helene Zeissl (verh. Loebenstein)
Geb. am: |
18. Juli 1918 |
Fakultät: |
Philosophische Fakultät |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Helene ZEISSL (verh. LOEBENSTEIN), geb. am 18. Juli 1918 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Tochter von Dr. Hermann von Zeissl (1888–1967, Ministerialrat in der Hochschulsektion des Unterrichtsministeriums) und der Altphilologin Dr. Anna Zeissl, geb. Anderle, wohnte in Wien 19, Weimarer Straße 102 und hatte 1936 am Mädchenrealgymnasium in Wien 18., Haizingergasse 35, maturiert und begonnen, an der Universität Wien Ägyptologie, Orientalistik (Assyrisch, Arabisch und Syrisch) u. a. bei Viktor Christian zu studieren und war zuletzt im Wintersemester 1938/39 an der Philosophischen Fakultät im 5. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Orientalistik, Sprachwissenschaft und Geschichte.
Ihr Urgroßvater Hermann Zeissl (1817-1887) war 1850 als erster jüdischer Arzt zum Dozenten an der Universität Wien ernannt (Dermatologie) worden und 1861 zum erster jüdischen Professor (Extraordinarius) und 1869 auch zum ersten jüdischen Primararzt am Wiener Allgemeinen Krankenhaus. Helene Zeissl galt als 'Mischling 1. Grades' und konnte ihr Studium - bei jederzeitigem Widerruf - vorläufig fortsetzen, der Studienabschluss wird ihr aber vom Reichserziehungsministerium Berlin verweigert. Erst auf Intervention des Fachprofessors und des Dekans wird ihr ausnahmsweise die Promotion erlaubt. Diese erfolgte am 25. Juli 1940 mit der Dissertation: 'Äthiopen und Assyrer in Ägypten. Beiträge zur Geschichte der ägyptischen 'Spätzeit'.' im Fach Ägyptologie (Betreuer: Czermak).
Ihr Vater Hermann Zeissl musste 1939 vor dem Nationalsozialismus nach England flüchten und konnte erst im Sommer 1945 wieder nach Österreich und in das Unterrichtsressort zurückkehren, wurde bald Sektionschef und war zuletzt Präsident der österreichischen UNESCO-Kommission. Helene Zeissls ältere Schwester Anneliese (1916) ging ebenfalls nach England, ihre jüngere Schwester Lotte (Lotte Dorowin-Zeissl, 1920-2008) nach Frankreich, wo sie aber später verhaftet und im August 1944 in das Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert wurde, überlebte und nach Wien zurückkehrte.
Helene Zeissl konnte nach ihrer Promotion zwar in Wien bleiben, aber nur als Sekretärin und Dolmetscherin Arbeit finden, wurde 1944-1945 dienstverpflichtet, konnte dann aber 1946 als Bibliothekarin an der Österreichischen Nationalbibliothek arbeiten, wo sie sich facheinschlägig vor allem mit orientalischen Handschriften befasste. Von 1962 bis zur Pensionierung 1984 war sie Direktorin der bedeutenden Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.
1952 heiratete sie Johannes Loebenstein (1926-2016) und sie bekamen ein Kind.
Helene Loebenstein, geb. Zeissl, starb am 27. Oktober 2010 in Wien und ist am Friedhof Wien-Hietzing bestattet.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1936-1940; Promotionsprotokoll PHIL 1929-1941; Hermann HARRAUER, Helene Loebenstein 60 Jahre, in: BIBLIOS 27, 1978, 230f.; Ilse KOROTIN, Österreichische Bibliothekarinnen auf der Flucht: verfolgt, verdrängt, vergessen? Wien 2007, 99; www.wikipedia.com; zur Schwester: Gerald STOURZH, Hg., Lotte Dorowin-Zeissl. Zeit der Prüfungen - Acht Monate im KZ Ravensbrück, Wien 2019.
Herbert Posch