Raoul (Raul) Heinrich Ochs
Geb. am: |
01. Februar 1913 |
Fakultät: |
Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Raoul (Raul) Heinrich OCHS, geb. am 1. Februar 1913 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Dr. Hugo Ochs (Rechtsanwalt, 1934 verstorben) und Annie, geb. Blaha (verstorben 10. September 1938). Die Familie wohnte in Wien 18, Gentzgasse 127/10 und er studierte ab Wintersemester 1931/32 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien.
Raoul Ochs war 1938 nicht mehr inskribiert, sondern befand sich bereits im Stadium der Abschlussprüfungen ("Rigorosen"). Er konnte, nach längerer Unsicherheit, doch noch sein Studium abschließen und am 31. Oktober 1938 unter zahlreichen symbolischen Diskriminierungen als so genannter "Mischling 1. Grades" im Rahmen einer "Nichtarierpromotion" promovieren, bei gleichzeitig ausgesprochenem Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich.
In dieser Phase wurde er wegen psychischer Probleme von April bis Juni 1937 und kurz nach dem "Anschluss" bis Mai 1938 in die Psychiatrische Universitätsklinik eingewiesen, bestand dann aber ohne Probleme die Medizin-Rigorosen. Das Berufsverbot aus rassistischen Gründen führte zu Arbeitslosigkeit und er musste sich mit Unterstützung von Verwandten durchbringen. Im Mai 1939 wurde er zur Wehrmacht einberufen und kam als Unterarzt ins Reichsprotektorat Böhmen und Mähren (Budweis [České Budějovice/Tschechische Republik]). Er durfte aber keine praktische Betätigung als Arzt ausüben, sondern wurde lediglich in der Verwaltung eingesetzt (HS Staffel 45). 1939 wurde anlässlich einer geplanten Beförderung ein Ariernachweis verlangt, da er diesen als "Mischling 1. Grades" nicht beibringen konnte wurde er im Herbst 1939 aus der Wehrmacht entlassen und kehrte wieder nach Wien zurück, wo er als Untermieter bei seinem Onkel Franz Blaha in Wien 8., Josefstädter Straße 105/22 wohnte (spätestens im April 1940 sollten dann alle sogenannten "Mischlinge" aus der Wehrmacht entlassen werden [OKW-Erlass Nr. 254 vom 8. April 1940]).
Als Arbeitsloser wurde er vom Arbeitsamt in diversen Arbeitseinsätze vermittelt, im Winter u.a. als Schneeschaufler, eine Tätigkeit als Arzt war ihm weiter untersagt.
Am 30. April 1940 wollte er auf seine Situation aufmerksam machen und provozierte im
Krankenhaus Goldenes Kreuz einen Streit mit dem Portier. Er erreichte sein Ziel einer öffentlichen Diskussion nicht, sondern wurde vielmehr von der Polizei verhaftet und in das
Krankenhaus Baumgartner Höhe 1 (
Steinhof) gebracht. Dort wurde er einer Schocktherapie mit Cardiazol und anderen Behandlungen unterzogen.
Er starb am 16. April 1941, abgemagert von 55 auf 36 kg, an Unterernährung, Austrocknung und Sepsis.
Lit.: POSCH 2009, 371; freundlicher Hinweis von Dr.in Barbara Sauer, Wien 2016; SAUER/REITER-ZATLOUKAL 2010; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2022.
Herbert Posch