Geb. am: | 08. März 1919 |
Fakultät: | Philosophische Fakultät |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Doris OPPENHEIM, verh. LIFFMANN, geb. am 8. März 1919 in Wien/Österreich (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Tochter von Dr. David Ernst Oppenheim (1881–1943, Mittelschulprofessor, Altphilologe, Individualpsychologe) und Dr. Amalie Oppenheim, geb. Pollak (1878–1955, Mathematikerin, Physikerin), wohnte in Wien 2., Krafftgasse 3.
Sie legte 1937 erfolgreich die Reifeprüfung (Matura) am Mädchenrealgymnasium Wien VIII ab und begann anschließend ein Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien – zuletzt war sie im Sommersemester 1938 im 2. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte.
Ihre Erinnerungen an den "Anschluss" 1938:
"Darum eben war der 12. März ein solcher Schock. Da hat sich mir Wien gezeigt als jubelnde Antisemiten. Nicht überzeugte, sondern hysterisch jubelnde. Da ist alles rausgekommen. Das war der große Schock…meines Lebens. Wie mich der Bursch angehalten hat: 'Fräulein, sind sie Jüdin?' 'Ja.' 'Kommen S' mit! Waschen S' die Fenster!' Es waren andere Leute auch noch da. Ich habe versucht, die Fenster zu waschen. Ich war nicht gut drin. Nach einer halben Stunde: 'Gehen S' weg!' …Es ist mir nichts passiert. Es ist mir sehr viel passiert. Ich bin nach Hause gegangen und habe gesagt, ich bleibe nicht in Wien." (zit. nach: GAISBAUER 1996, 60)
Doris Oppenheim konnte im September 1938 nach London/England emigrieren, wo sie mit einer vorläufigen Aufenthaltserlaubnis als Hausmädchen arbeitete:
"Ich bin aus Wien weggelaufen, weggerannt. Ich konnte und wollte nicht mehr in Wien bleiben. Ich bin zuerst nach England gegangen, wo ich mich aber nicht zu Hause fühlte. Oder wo ich mich irgendwie merkwürdig fühlte. Nicht nur dadurch, daß ich in einem Haushalt leben mußte… Was mich deprimiert hat, war, daß alle meine Freunde und Bekannten – auch die ältere Generation – plötzlich als Stubenmädchen und Haushälterinnen arbeiten mußten. … Als ich in Australien angekommen bin, war ich in einer anderen Welt. Und ich wollte in einer anderen Welt sein. Das ist, was Australien mir wirklich geboten hat …" (zit. nach: GAISBAUER 1996, 62)
Ende 1938 erhielt sie die Einreisegenehmigung für Australien und reiste am 6. Jänner 1939 von Southampton, Hampshire, England, zu ihrer Schwester Cora Oppenheim Singer (1907–2000) nach Melbourne, VIC, wo sie am 27. Februar 1939 ankam. Sie fand eine Anstellung als Schreibkraft und Dolmetscherin bei der Speditionsfirma Mullay & Byrnes, wo sie im Mai 1939 den deutschen Emigranten Herbert Liffmann (1908–1989) kennenlernte, der für den Transport seiner Möbel aus Deutschland die Dienste der Speditionsfirma in Anspruch genommen hatte. Es entwickelte sich eine innige Beziehung zwischen den beiden. Als im September 1939 mit Kriegsbeginn der Schiffsverkehr mit Deutschland eingestellt wurde, verlor Doris Oppenheim ihre Stelle bei der Spedition und arbeitete dann unter dem Namen "Pauline Dorette" als Demonstratorin von Kosmetika in großen Warenhäusern, später als Verkäuferin in einer Confiserie, in der Handschuhproduktion und als Sekretärin in einer Zollabfertigung.
Nachdem Doris Oppenheim sich 1941 mit Herbert Liffmann verlobt hatte, heiratete das Paar am 13. März 1942 in Victoria, und am 16. März 1945 erhielten sie die australische Staatsbürgerschaft. Doris Liffmann arbeitete in den 1960er Jahren als Sozialarbeiterin, und 1966 wurde ihr Sohn Michael Liffmann geboren. Später wird der Nachname auf "Liffman" um ein "n" verkürzt.
Doris Oppenheims Eltern konnten nicht mehr rechtzeitig aus Wien emigrieren und wurden am 21. Oktober 1942 nach Theresienstadt [Terezín/Tschechische Republik] deportiert, wo der Vater 1943 starb. Ihre Mutter überlebte und folgte im August 1946 den Töchtern nach Australien.
An sie wird an der Universität Wien auf dem "Denkmal für Ausgegrenzte, Emigrierte und Ermordete des Kunsthistorischen Instituts" (2008) erinnert, im "Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938" (2009) und auch auf dem "Denkmal für die im Nationalsozialismus vertriebenen Geschichte-Studierenden und -Lehrenden der Universität Wien | Wenn Namen leuchten" (2022).
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1937–1938; Volker Elis PILGRIM, Doris LIFFMAN u. Herbert LIFFMAN, Hg., Fremde Freiheit. Jüdische Emigration nach Australien. Briefe 1938–1940, Reinbek b. Hamburg 1992; Adolf GAISBAUER, "…von Eurem treuen Vater David" David Ernst Oppenheim in seinen Briefen 1938–1942 (unter Mitarbeit von Doris Oppenheim-Liffman), Wien/Köln/Weimar 1996; Peter SINGER, Mein Großvater. Die Tragödie der Juden von Wien, Hamburg/Wien 2005; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 445; Denkmal/Ausstellung "Wiener Kunstgeschichte gesichtet" 2008; Ausstellung "Ausgegrenzt, Vertrieben, Ermordet" 2010.; POSCH/FUCHS 2022, 132–134.
Katharina Kniefacz