Universität Wien - Startseite

Eduard Michl

Geb. am: 10. Februar 1888
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Doktorgradaberkennung

Eduard MICHL, geb. am 10. Februar 1888 in Tarvis/Kärnten [Tarvisio/Italien] (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), wohnte in Wien 3, Ungargasse 71. Er besuchte die k.k. Theresianischen Akademie in Wien und später das k.k. Staatsgymnasium in Wien 3 wo am 5. Juli 1907 auch erfolgreich die Reifeprüfung (Matura) bestanden und war vom Wintersemester 1907/08 bis zum Sommersemester 1911 an der Philosophischen Fakultät inskribiert, absolvierte ein Studium "der beschreibenden Naturwissenschaften" und belegte Lehrveranstaltungen aus Zoologie und Botanik.
Während seines Studiums arbeitet er experimentell an der Biologischen Versuchsanstalt "Vivarium" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Prater über "Wachstumskurven tierischer Blendlinge" und später auch am k.k. Naturhistorischen Hofmuseum, wo er Spezialkolloquien aus Zoologie und praktische Übungen absolvierte und wo er auch mit der Revision eines paläarktischen Dipterengenus beauftragt wurde. Er begann im 6. Sem. am Embryologischen Institut bei Prof. Dr. H. Rahl seine Dissertation "Über den ventralen Kiemenrest der Anuren" (Betreuer: Hatschek, Grobben) und erlangte am 28. Februar 1912 den Grad eines "Dr. phil." in Zoologie.

Anschließend absolvierte er 1912/13 seine Militärdienstzeit in der Feldhaulitzen-Division II/3 in Pressburg [Bratislava] und war ab 1913 als Assistent am embryologischen Institut der Universität Wien tätig, im Ersten Weltkrieg von 1914-1918 als Soldat an der russischen und der italienischen Front (rüstete als Oberleutnant d. R. ab), und auch danach wieder als Assistent tätig.

Von 1920 bis 1925 studierte er Medizin und promovierte am 14. Dezember 1925 zum "Dr.med.univ." absolvierte auch seine ärztliche Ausbildung und war ab 1928 als praktischer Arzt in Weitra/NÖ und Gmünd/NÖ.

Er engagiertes sich politisch in austrofaschistisch-monarchistischen Milieus, war 1929-1935 im Niederösterreichischen Heimatschutzverband zunächst als Bezirksführer und später Gauführer aktiv und von 1935-1938 Mitglied der Vaterländischen Front. Er galt nach dem "Anschluss" für das nationalsozialistische Regime als "politisch unzuverlässig" und wurde im April 1938 zwangsweise aus Niederösterreich nach Wien umgesiedelt. In Wien konnte er aber weiter eine ärztliche Praxis in Wien 15., Rauchfangkehrergasse 28/14 führen – bis 1940.

Er wurde am 4. April 1940 wegen Hörens ausländischer Radiosender, Heimtücke und Beleidigung der Parteiuniform verhaftet. Er hatte mit seinem Bruder Eduard verbotene ungarische und englische Rundfunksender gehört und abfällige Äußerungen über das NS-Regime gemacht. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung waren auch zahlreiche verbotene austrofaschistische Bücher und Schriften gefunden worden, sowie große Wandbilder von Kaisersohn Otto Habsburg, vom austrofaschistischen Kanzler Engelbert Dollfuss und von Heimwehrführer Ernst Rüdiger Graf Starhemberg, ferner mehrere Bogen Propagandaklebemarken des Heimatschutzes. Er wurde dafür am 2. Oktober 1940 vom Landgericht Wien als Sondergericht zu 2 Jahren Zuchthaus verurteilt (sein jüngerer Bruder Richard zu 10 Monaten).

Am 8. Mai 1941 wurde ihm nach seiner Verurteilung gem. § 26 StG mit Feststellungsbeschluss vom 8. Mai 1941 der Doktorgrad aberkannt, am 14. Mai auch die Bestallung als Arzt entzogen.

Nach seiner Entlassung durfte nicht mehr als Arzt arbeiten, war als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in der Pharmazeutischen Großindustrie in Wien beschäftigt und schloss sich bald der Wiener Gruppe der Antifaschistischen Freiheitsbewegung Österreichs um Dr. Karl Wanner an, einer monarchistischen Widerstandsgruppe ehemaliger Heimatschutzangehöriger, die nach ihrem Treffpunkt im Café Lambert auch die "Lambert-Runde" genannt wurde. Aufgrund eines Denunzianten flog die Runde auf, Eduard Michl wurde am 8. Februar 1943 festgenommen, wurde aber in Ermangelung von Beweisen am 15. August 1944 vom Vorwurf des Hochverrats freigesprochen.

Er wurde 1945 wieder zum Arztberuf zugelassen – ohne dass ihm das Doktorat formal wiederverliehen wurde - und konnte wieder seine ärztliche Praxis in Wien führen und wurde auch Amtsarzt und Vertragsarzt der Polizei. Dass er 1946 aber "mit revolutionärem Elan die Ordination des Kollegen Dr. Wechtl ausgeräumt und sich in den Besitz eines Großteils der Einrichtung gesetzt" hat – eine Art "private Wiedergutmachung" denn Dr. Wechtl war der ehemalige NSDAP-Kreisärzteführer – führte dann doch zu einem moderat kritischen Briefwechsel zwischen dem Ärztekammerpräsidenten und dem Polizeipräsidium. Trotzdem wurde er 1951 zum Medizinalrat ernannt. Er war verheiratet mit Hedwig Rösler (1886-1967), die Ehe blieb kinderlos.

Medizinalrat DDr. Eduard Michl starb am 31. Januar 1957 im Kaiserin-Elisabeth-Spital in Wien 15 und ist am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Erst 62 Jahre nach der Aberkennung und sehr lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihm der Doktorgrad am 10. April 2003 feierlich wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung posthum für "von Anfang an nichtig" erklärt.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1907-1912, MED 1920-1925, Rigorosenprotokoll und -akt PHIL 1622 und 3324, Promotionsprotokoll PHIL 1905–1913 Nr. 1210, Promotionsprotokoll MED 1923–1929 Nr. 1370, Rektorat GZ 1530 ex 1939/40, GZ 140 ex 2002/03, PHIL GZ 24 ex 1941/42; DÖW 5.734a, 19.793/79, 2.062; POSCH/STADLER 2005, 91-92; POSCH 2009, 449; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2023.


Herbert Posch


Eduard Michl, Promotionseintrag mit Aberkennung, Promotionsprotokoll Medizinische Fakultät 1923-1929, Foto: Herbert Posch, (c) Archiv Universität Wien

Eduard Michl, Wiederverleihung vom 10. April 2003, Promotionsprotokoll Medizinische Fakultät 1923-1929, Foto: Herbert Posch, (c) Archiv Universität Wien
Für Fragen oder Kommentare zu dieser Person benützen Sie bitte unser: » Feedback-Formular.