Geb. am: | 19. Februar 1902 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Dr.phil. Josef Markus LILLE, geb. am 19. Februar 1902 in Kozlow/Polen (heimatberechtigt in Kozlow/Polen, Staatsbürgerschaft: Polen), Sohn von Moses Lille (arbeitslos) und Taube Lille (1873-1932), wohnte in Wien 2, Haidgasse 14/17. Er hatte am 30. September 1930 an Bundesrealgymnasium und Obergymnasium in Klosterneuburg/NÖ die Reifeprüfung (Matura) abgelegt und hatte vom Wintersemester 1930/31 bis Sommersemester 1934 an der Philosophischen Fakultät Romanistik studiert und mit einer Dissertation über "Die Spiegelungen der Italienerlebnisse Alfred de Mussets in seinen Dichtungen" (Gutachter: Winkler, Ettmayer) am 19. Juli 1935 zum "Dr.phil." promoviert. Anschließend begann er Medizin zu studieren und war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Medizinischen Fakultät im 4. Studiensemester inskribiert.
Er wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen (Wintersemester 1937/38 wurde ihm am 2. Juni 1938 als gültig angerechnet, ein Abgangszeugnis wurde aber vermutlich nicht mehr ausgestellt).
Er musste aus Wien fliehen, ebenso wie seine in Wien lebende Schwester Ester Harnik, geb. Lille (sie hatte in Wien 1923 Abraham Harnik geheiratet), mit ihren beiden Kindern Edith (geb. 1925) und Harry (geb. 1926). Seine Schwester konnte mit ihrer Familie in die Niederlande entkommen, wo aber zumindest ihr Sohn inhaftiert und am 15. Juli 1942 vom Lager Westerbork nach Auschwitz deportiert und dort am 25. August 1942 ermordet wurde. Dessen Schwester Edith Harnik konnte nach Göteborg/Schweden flüchten und überlebte. Später heiratete sie, als Edith Schyllander gab sie 1997 in Malmö dem Visual Hsitory Archive ein lebensgeschichtliches Interview.
Auch Josef M. Lille konnte noch rechtzeitig nach Frankreich emigrieren, wo er in Billom, Puy de Dôme, Auvergne lebte. Dort schloß er sich der Widerstandbewegung an. Am 12.Dezember 1943 kam eine Liste der dortigen Widerstandskämpfer in die Hände der SS, worauf es am 16. Dezember 1943 zu einer Razzia mit 200 Verhaftungen (111 Deportationen) und auch Josef Lille wurde im Lager Compiègne inhaftiert. Von dort wurde er am 22. Januar 1944 in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar/Deutschland deportiert (Ankunft 24. Jänner 1944, Häftlingsnummer 42942) und von dort am 24. Februar 1944 in das Konzentrationslager Flossenbürg (Häftlingsnummer 6963) bei Hamburg/Deutschland deportiert. Am 6. März wurde er dem Kommando Johanngeorgenstadt (Ende 1943 bis April 1945 ein Außenlager von Flossenbürg) zugeteilt. Johanngeorgenstadt wurde am 16. April 1945 mit dem Zug evakuiert. Abfahrt am Abend um 20 Uhr nach Neu Rolhau (Nova Rola), ebenfalls eine Außenstelle des KZ Flossenbürg, wo der Transport am 18. April ankam und die Häftlinge am 19. nach Karlsbad (Karlsbad) zu Fuß weitermarschieren mussten. Vom 20. bis zum 25. April blieben sie im Bahnhof Karlsbad, bevor der Marsch am 26. April 1945 über Doubi, Rokov, Bochov, Lubenec, Dolansky, Zilhe und Blatno fortgesetzt wurde.
Dr. Josef M. Lille entkam während dieses Marsches, wurde aber wieder gefangen genommen und am 30. April 1945 an Ort und Stelle hingerichtet.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1930-1934, Nationale MED 1937–1938, Rigorosenprotokoll PHIL Nr. 12230, Promotionsprotokoll PHIL 06 (1931-1941) Nr. 1465; Arolsen Archiv 1.1.8.3.68.373 Häftlingsunterlagen KZ Flossenbürg, 1.1.5.3.300 344 und 1.1.5.3 ID 5282574 Häftlingsunterlagen KZ Buchenwald; Visual History Archive/Interview der Nichte Edith Schyllander am 4. November 1997 in Malmö; https://asso-flossenburg.com/deporte/lille-joseph/; www.memorialgenweb.org; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 430; www.ancestry.de; freundlicher Hinweis Mag.a Edith Heller, Wien 11/2022; Gedenkbucheintrag wurde überarbeitet im Rahmen der Lehrveranstaltung "Methodenworkshop Biographische Methoden" im Sommersemester 2025.
Herbert Posch, Peter Soswinski