Geb. am: | 01. Dezember 1916 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
"insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte]. Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind." [Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940].Er stellte fest:
"Bei beiden Geschwistern kommt der jüdische Typus etwas hervor."Das Reichserziehungsministerium entschied nach Absprache mit dem Reichsinnenministerium im Juni 1940, die Geschwister "ausnahmsweise" noch zur ärztlichen Prüfung nach alter österreichischer Studienordnung zuzulassen, da sie die Vorprüfung (1. Rigorosum) bereits bestanden hatten. Dabei waren sie jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sie als "Mischlinge 1. Grades" keine Chance hatten, die Bestallung (Berufszulassung) als Arzt im Deutschen Reich zu erhalten. Nach bestandenem 2. und 3. Rigorosum wären Elisabeth und Ludwig Lissauer nach alter Studienordnung berechtigt gewesen zu promovieren. Im Juni 1941 übermittelte die Universität Wien die Ansuchen der Geschwister um Zulassung zur Promotion zum Dr. der gesamten Heilkunde. Auf Vorschlag des Dekans der medizinischen Fakultät entschied der Rektor der Universität Wien am 26. Juni 1941, die Promotion der Geschwister "bedingt" zuzulassen. Er stimmte zu, dass
"Ludwig Lissauer und Elisabeth Lissauer unter Vorbehalt der nachträglichen Genehmigung durch den Herrn Reichserziehungsminister schon jetzt zur Promotion zugelassen werden. ein diesbezüglicher Bericht an das Reichserziehungsministerium ist in Vorbereitung. Die Diplome der beiden werden in der Pedellenkanzlei aufbewahrt und erst nach positiver Erledigung meines Antrages im Reichserziehungsministerium an die Studierenden ausgefolgt werden."
"Der vorliegende Fall erscheint mir umso berücksichtigungswerter, als der Führer eine Gnadenentscheidung dahin getroffen hat, daß die Mutter der genannten Kandidaten, Leopoldine Waldhauser, trotz nicht rein arischer Versippung weiterhin ohne Einschränkung der Mitgliedschaftsrechte der NSDAP angehören kann."Das REM fällte erst am 19. September 1942 eine grundsätzliche Entscheidung: Ohne Nachweis der Bestallung als Arzt (die "Mischlingen 1. Grades" grundsätzlich nicht erteilt wurde) durfte das Doktordiplom nicht ausgehändigt werden.
"Um den Genannten jedoch die Erlangung einer geeigneten Anstellung in der Industrie zu erleichtern, ermächtige ich die Fakultät, eine Bescheinigung des Inhalts auszustellen, daß sie, abgesehen von dem Nachweis der deutschblütigen Abstammung, alle Voraussetzungen für die Verleihung des Doktorgrades erfüllt haben. Auf der Bescheinigung ist ausdrücklich zu vermerken, daß sie nicht als Doktordiplom gilt."Erst nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihr das Doktordiplom, das sie formal bereits am 5. Juli 1941 erworben hatte, im Juni 1945 ausgehändigt und rückwirkend in Gültigkeit versetzt. Ob sie Ärztin wurde und wo sie lebte ist noch unklar – sie wurde 1951 nach unbekannt aus Wien abgemeldet. Dr. Elisabeth Lissauer starb 80jährig im Oktober 1997 und wurde am Wiener Zentralfriedhof bestattet.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1936-1942, Promotionsprotokoll MED M 33.13, 5639; Senatssonderreihe MED S 51/2; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 431; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2022; Verstorbenensuche Friedhöfe Wien; www.genteam.at.
Katharina Kniefacz u Herbert Posch