Julius Lengauer
Geb. am: |
14. Juli 1921 |
Fakultät: |
Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Julius LENGAUER, geb. am 14. Juli 1921 in Grein an der Donau, Oberösterreich (Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn eines Schuldirektors (zwangspensioniert 1938), hatte nach seiner Gymnasialzeit am Konvikt des Stiftsgymnasiums Seitenstetten (Niederösterreich) im März 1939 am Staatsgymnasium in Linz (Oberösterreich) maturiert, hatte daraufhin die "Arbeitsdienstpflicht" in Arbing, Oberösterreich und in Krakau (Polen) bis Mitte Oktober 1939 abgeleistet und im Wintersemester 1939/40 sein Medizinstudium begonnen und wohnte in Wien 1., Habsburgergasse 7 (ein katholisches Studentenheim).
Im Nationalsozialismus wurde er aus rassistischen Gründen als sogenannter "Mischling 2. Grades" verfolgt, konnte aber vorläufig – bei jederzeitigem Widerruf – sein Studium noch fortsetzen.
Er musste ab dem 1. Trimester 1940, wie alle "Mischlinge", ein Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin um weitere Studienzulassung stellen. Der zuständige Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Eduard Pernkopf, musste ein Gutachten erstellen, das "
insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte].
Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind." [Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940]. Dementsprechend stellte Prof. Pernkopf am 26. April 1940 fest: "
Julius Lengauer gibt an, dass er Mischling II. Grades, doch wird dies erst durch das Reichssippenamt in Berlin untersucht. Das Aussehen ist kaum als jüdisches zu bezeichnen."
Das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung entschied am 19. Juni 1940 (Erlass W F 2541), dass er vom Reichsinnenministerium nur unter dem Vorbehalt zu den ärztlichen Prüfungen zugelassen wurde, dass er dadurch KEINEN Anspruch auf die Berufsausübung ("Bestallung") als Arzt erwirbt.
Diese würde erst dann erfolgen, wenn mit Dokumenten nachgewiesen worden sei, dass nur eine/r der vier Großeltern jüdischer Abstammung sei (Ahnenpass, Ahnennachweis) und eine weitere Überprüfung der politischen und sittlichen Zuverlässigkeit von ihm selbst sowie seiner gesamten Familie im nationalsozialistischen Sinne positiv ausfalle.
Lengauer wurde nach Angaben seiner Tochter als Zwangsarbeiter unter Hausarrest eingezogen, musste von 1941 bis 1944 bei Baumeister R. Koller in Grein Zwangsarbeit leisten und wurde 1944 zur Organisation Todt nach Frankreich einberufen, wo er nach der Landung der Alliierten in Kriegsgefangenschaft geriet. Dementsprechend konnte er an der Universität Wien in der NS-Zeit nicht mehr weiter inskribieren und auch nicht mehr promovieren.
Nach dem Ende des Nationalsozialismus und der Rückkehr aus zweijähriger Kriegsgefangenschaft konnte er ab 1947 sein Studium - nun aber an der Universität Graz - wieder aufnehmen und 1949 auch promovieren und arbeitete 1949/50 an der Landesfrauenklinik Linz, absolvierte 1950-1952 seinen Turnus am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz und arbeitete von Novebmer 1952 bis Ende 1955 am Unfallkrankenhaus Linz unter Prim. Prof. Dr. Böhler, erst als
Hilfsarzt, später als
Sekundararzt bevor er 1955 seine eigene Praxis als Allgemeinmediziner in Linz eröffnete.
Er war einer der Pioniere, der sich auch für Akupunktur interessierte und mit Weiterbildungen in Deutschland und China professionalisierte und auch als erster praktischer Arzt von der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse für Chiropraktik zugelassen wurde. Später zum Obermedizinalrat ernannt praktizierte er bis 1996.
Dr. Julius Lengauer starb 91jährig am 29. Oktober 2012 in Linz.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1939-1941, MED S 51.1 ONr. 22, MED S 51.2 ONr. 14, MED GZ 1115 ex 1939/40, Rektorat GZ 944 ex 1939/40/41; Nachruf von Norbert Langmayr in: OÖ Ärzte. Magazin der Ärztekammer für OÖ. 2013, 49; freundlicher Hinweis seiner Tochter Mag. Eleonore Lengauer, 01/2020.
Herbert Posch