Leo Kundi
Geb. am: |
03. Juni 1888 |
Fakultät: |
Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Leo KUNDI, geb. am 3. Juni 1888 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Albert Kundi (Bürgerschuldirektor, Bezirksschulinspektor, Wiener Gemeinderat 1857-1933) und der Adolfine Kundi, geb. Teufelsberger (Lehrerin, gest. 1937), wohnte in Wien 18, Dittesgasse 6/4.
Er hatte 1908 die Realschule abgeschlossen und trat im selben Jahr in den Rechnungsdienst der Stadt Wien ein. Von dort wechselte er 1919 in den Anstaltsdienst der öffentlichen städtischen Kinderfürsorge im "Roten Wien", leitete verschiedene Kinderfürsorgeeinrichtungen und wurde schließlich 1926 Direktor der Kinderübernahmestelle der Gemeinde Wien (Wien 9., Lustkandlgasse 50), die er mitgründete und bis 1938 leitet.
Er war seit 1932 verheiratet mit Hermine, geb. Frieben (1912-1993).
Er begann im Wintersemester 1936/37 an der philosophischen Fakultät die Ergänzungsstudien aus Latein und dem philosophischen Propädeutikum zu studieren um nach erfolgreichen Abschluss schließlich Im Wintersemester 1937/38 das Medizinstudium an der Universität Wien aufnehmen zu können.
Nach dem "Anschluss" wurde er im Zuge der nationalsozialistischen Übernahme der Wiener Verwaltung aus rassistischen Gründen – er galt als "Mischling II. Grades", obwohl röm.-kathol. - nach dem Berufsbeamtengesetz entlassen bzw. vorzeitig zwangspensioniert per 31. Dezember 1938 und verlor damit neben der Hälfte seines Gehaltes auch seine Dienstwohnung.
Nach dem "Anschluss" 1938 wurde er auch an der Universität Wien aus rassistischen Gründen am Weiterstudium behindert, konnte aber vorläufig – bei jederzeitigem Widerruf – sein Studium noch fortsetzen. Im Sommersemester 1938 war er an der Medizinischen Fakultät im 2. Studiensemester inskribiert.
Als "Mischlinge" ab dem 1. Trimester 1940 vor jeglicher weiteren Inskription ein Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin um Studienzulassung stellen mussten, reichte auch Leo Kundi am 26. März 1940 sein Ansuchen zur Fortsetzung seines Studiums ein, nachdem er am 19. März 1940 noch erfolgreich das Erste Rigorosum ablegen konnte.
Gemäß Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940 mußte der Dekan der zuständigen Medizinischen Fakultät, hier Eduard Pernkopf, dem Antrag ein Gutachten beilegen, das "
insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte]. Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind." Dekan Pernkopf stellte daraufhin am 26. April 1940 fest: "
Leo Kundi ist Mischling II. Grades. Dem Aussehen nach, wenig Jüdisches; er entstammt einer Arbeiterfamilie. Etwas Gegenteiliges für die Aufnahme kann ich nicht vorbringen."
Kundi konnte sein Studium – bei jederzeitigem Widerruf – vorläufig fortsetzen und musste nach bestandenem II. und III. Rigorosum am 10. März 1943 erneut ein Ansuchen stellen, um als "Mischling 2. Grades" überhaupt zur Promotion zugelassen werden zu können, das über Dekanat, Rektorat, Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien an das Reichserziehungsministerium Berlin zur Entscheidung weitergeleitet wurde. Vorab musste auch das NSDAP-Gaupersonalamt Wien seine Stellungnahme abgeben, die ziemlich negativ ausfiel. Am 2. Juni 1943 wurde Leo Kundi darin folgendermaßen charakterisiert: Anhänger der Sozialdemokratie, entschiedener Gegner von Austrofaschismus und Nationalsozialismus in der Zwischenkriegszeit, der auch nach dem "Anschluss" ein "
indifferentes Verhalten" dem Nationalsozialismus gegenüber zeige, kaum für NS-Aktivitäten spende, Mischling 2. Grades sei und überdies auch Freimaurer [Er war seit 1927 Mitglied der Loge "Schiller"]. Auch das Reichsinnenministerium Berlin musste Stellung beziehen, da Kundi nur dann zur Promotion zugelassen werde dürfe, wenn ihm - obwohl "Mischling 2. Grades" - vom Reichsinnenministerium eine Aussicht auf Berufsberechtigung ("Bestallung") erteilt werden würde. Diese erfolgte erst im Dezember 1943, woraufhin Leo Kundi im Jänner 1944 Rektor und Medizin Dekan der Universität Wien erneut um Zulassung zur Promotion ersuchte.
Er konnte – mit einem Jahr Verzögerung - sein Studium dann am 19. Jänner 1944 an der Universität Wien abschließen und zum "Dr.med.univ." promovieren. Im Unterschied zu zahlreichen anderen sogenannten "Mischlingen" wurde über ihn kein Berufsverbot verhängt.
Er lebte und arbeitete dann als praktischer Arzt in Wien und starb im März 1954 in Wien. Er ist am Zentralfriedhof in Wien bestattet.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937-39, Promotionsprotokoll MED 1941-1949 M 33.14, Nr. 775; MED GZ 10 ex 1941, MED GZ 1115 ex 1939/40, MED 51.1, MED 51.2, Rektorat GZ 944 ex 1939/40/41, Rektorat GZ 97/II ex 1942/43, Rektorat GZ 97/II ex 1943/44; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 425; Günter K. KODEK, Unsere Bausteine sind die Menschen. Die Mitglieder der Wiener Freimaurerlogen (1869–1938), Wien 2009, 202; freundlicher Hinweis von Dr.in Barbara Sauer, Wien 08/2019; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2022.
Herbert Posch