Geb. am: | 18. Februar 1917 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Karl Maria Robert Christian KLOSS, geb. am 18. Februar 1917 in Wien Alservorstadt/Österreich-Ungarn (heimatberechtigt in Olmütz/Mähren [Olomouc/Tschechische Republik], Staatsbürgerschaft 1938: Tschechoslowakei), war der Sohn von Dr. Karl Kloss (Arzt) und dessen Ehefrau Sophie (geb. Kohn). Seine Eltern zogen 1920 nach Amsterdam/Niederlande um, wo sein Vater als praktischer Arzt, später auch als Vertrauensarzt der deutschen Gesandtschaft arbeitete. Gemeinsam mit einer Kinderfrau lebte Karl Kloss in Wien 2, Rueppgasse 8/8.
Nach der Reifeprüfung 1935 begann er im Wintersemester 1935/36 ein Studium der Medizin an der Universität Wien.
Da seine Großeltern mütterlicherseits der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörten, galt Karl Kloss im Nationalsozialismus als "Mischling 1. Grades" und konnte sein Studium nach dem "Anschluss" nur bei jederzeitigem Widerruf vorläufig fortsetzen. Er war im Wintersemester 1938/39 an der Medizinischen Fakultät im 7. Studiensemester inskribiert (Wintersemester 1938/39 wurde ihm am 26. April 1939 als gültig angerechnet). Im November 1939 bestand er das 1. Rigorosum und arbeitete anschließend als Famulus an der I. Chirurgischen Universitätsklinik unter Prof. Leopold Schönbauer.
Als "Mischlinge" ab dem 1. Trimester 1940 ein Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin um Studienzulassung stellen mussten, reichte auch Karl Kloss im September 1940 ein Ansuchen zur Fortsetzung seines Studiums ein. Gemäß Vorschrift legte der Dekan der zuständigen Medizinischen Fakultät, Eduard Pernkopf, dem Antrag ein mit 21. September 1940 datiertes Gutachten, das "insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte]. Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind." [Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940]. Er stellte lapidar fest: "Sein Aeusseres zeigt keinen jüdischen Typus."
Das Reichserziehungsministerium entschied nach Absprache mit dem Reichsinnenministerium im November 1940, Kloss "ausnahmsweise" noch zur ärztlichen Prüfung nach alter österreichischer Studienordnung zuzulassen, da er die Vorprüfung (1. Rigorosum) bereits bestanden hatte. Dabei sei er jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass er als "Mischlinge 1. Grades" keine Chance hätte, die Bestallung (Berufszulassung) als Arzt im Deutschen Reich zu erhalten.
Nach bestandenem 2. und 3. Rigorosum wäre Karl Kloss nach alter Studienordnung berechtigt gewesen zu promovieren. Im April 1942 übermittelte die Universität Wien sein Ansuchen um Zulassung zur Promotion zum Dr. der gesamten Heilkunde.
Das REM fällte am 19. September 1942 eine grundsätzliche Entscheidung: Ohne Nachweis der Bestallung als Arzt (die "Mischlingen 1. Grades" grundsätzlich nicht erteilt wurde) durfte das Doktordiplom nicht ausgehändigt werden.
"Um den Genannten jedoch die Erlangung einer geeigneten Anstellung in der Industrie zu erleichtern, ermächtige ich die Fakultät, eine Bescheinigung des Inhalts auszustellen, daß sie, abgesehen von dem Nachweis der deutschblütigen Abstammung, alle Voraussetzungen für die Verleihung des Doktorgrades erfüllt haben. Auf der Bescheinigung ist ausdrücklich zu vermerken, daß sie nicht als Doktordiplom gilt."
Diese Bestätigung wurde am 20. Oktober 1942 ausgefertigt. Er konnte damit als unbesoldeter Gastarzt bzw. Volontärassistent am Pathologisch-Anatomischen Institut der Universität Wien am Allgemeinen Krankenhaus Wien arbeiten.
Erst nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde er am 8. Juni 1945 promoviert, wobei das Doktordiplom rückdatiert wurde auf den 16. März 1942, also jenen Tag, an dem er die letzte Prüfungsleistung erbracht hatte, und damals nur aufgrund seiner jüdischen Abstammung das Doktordiplom nicht erhalten hatte.
Er war römisch-katholisch, wohnte in Wien 1., Ebendorferstrasse 7 und heiratete unmittelbar nach Ende des Nationalsozialismus am 26. April 1945 in erster Ehe die Kinderärztin Dr. Hidegard Buller. Am 10. Jänner 1947 erwarb er auch die Österreichische Staatsbürgerschaft (bis dahin tschechoslowakischer Staatsbürger).
Nach der Scheidung der ersten Ehe heiratete er in zweiter Ehe am 27. August 1949 im Standesamt Wien-Alsergund Herma Anna Antonia Pollak (1925-1991), die Privatsekretärin von Prof. Hans Hoff, Ordinarius für Psychiatrie und sie hatten gemeinsam zwei Töchter Renate Kloss-Schwamberger (geb. 1950, Röntgenassistentin) und Eleonore Kloss-Scholz (geb. 1954, Physiotherapeutin).
Seine Facharztausbildung in Chirurgie - er konnte sie erst nach dem Ende des Nationalsozialismus aufnehmen - schloss er im Jänner 1951 erfolgreich ab und übersiedelte bald darauf als Assistent für Neurochirurgie an die Chirurgische Universitätsklinik (Leitung: Prof. Burghard Breitner) an die Universität Innsbruck/Tirol (per 26. Februar 1952 wechselte er von der Wiener zur Tiroler Ärztekammer).
Er habilitierte sich im Jänner 1958 für "Chirurgie mit besonderer Berücksichtigung des Spezialfaches der Neurochirurgie" und wurde 1967 außerordentlicher Professor und 1972 ordentlicher Professor für Neurochirurgie an der Universität Innsbruck. Der anerkannte Wissenschaftler und Pionier auf dem Gebiet der Diagnostik und Operationstechnik von Hydrozephalus Kindern und der Wirbelsäulen Chirurgie war 1967/68 und 1975/76 Präsident der österreichischen Gesellschaft (Arbeitsgemeinschaft) für Neurochirurgie.
Er starb 61-jährig am 4. Februar 1979 in Götzens Innsbruck, Tirol.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937–1939; Promotionsprotokoll MED 1941-1949 Nr. 1243; MED GZ 1115 ex 1930/40, RA GZ 944 ex 1939/40/41, MED GZ 10 ex 1941, RA GZ 97/I ex 1942/43, ÖStA/AdR/02-Unterricht/Kurator d. wiss. Hochsch. Wien (K. 13)/GZ 5201 ex 1940-1943; freundliche Hinweise von Dr.in Barbara Sauer, Wien 07/2019, von Dr. Peter Goller, Innsbruck 07/2019, von em. o. Univ.-Prof. Dr. Fritz Raber, Innsbruck 08/2021 und von seiner Tochter Renate Kloss-Schwamberger, Salzburg 03/2022; Österreichische Hochschulzeitung Bd. 31/1979, 23; REITER_ZATLOUKAL/SAUER 2025.
Katharina Kniefacz, Herbert Posch