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Henia (Helena) Klinghoffer (Österreicher, Kling)

Geb. am: 24. Juni 1918
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene Studierende

Henia KLINGHOFFER (verh. Helena ÖSTERREICHER, später Helen KLING), geb. am 24. Juni 1918 in Boryslaw, Galizien/Österreich-Ungarn (später Borysław/Polen, heute: Boryslaw|Борислав/Ukraine] (heimatberechtigt 1938 in Borysław/Polen [Ukraine], Staatsbürgerschaft 1938: Polen), Tochter von Arnold Klinghoffer (1894-1945, Prokurist einer Ölförderungsfirma in Borysław) und Dorothea Klinghoffer, geb. Lecker (gest. 1944). Sie hatte ihre Reifeprüfung (Matura) 1936 am Gymnasium in Borysław abgelegt, konnte vor Ort aber ihr geplantes Medizinstudium nicht aufnehmen und übersiedelte nach Österreich und wohnte in Wien 9, Seegasse 9/8, um an der Universität Wien Medizin zu studieren und war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Medizinischen Fakultät im 2. Studiensemester inskribiert.

Sie wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen (Abgangszeugnis vom 12. April 1938).

Als Polin konnte sie Österreich auch nach dem "Anschluss" noch problemlos verlassen und übersiedelte nach Brüssel/Belgien, um an der Vrije Universiteit Brussel ihr Medizinstudium fortzusetzen. Doch nach Kriegsausbruch und der Deutschen Besetzung Belgiens kehrte sie zu ihren Eltern und ihrem Bruder Ignacy Klinghoffer (Igor Kling, 1925-nach 1995) ins mittlerweile auch Deutsch besetzte Generalgouvernement Polen nach Borysław zurück, wo ihr Vater als kriegswichtiger jüdischer Zwangsarbeiter mit dem "R" für "Rüstungs-Jude" für die Deutsche "Karpathen-Öl AG" arbeitete und so vorerst trotz umfangreicher Deportationen aus Borysław mit seiner Familie überleben konnte. Dort wurde sie bei einer Verhaftungswelle im August 1942 gemeinsam mit ihrer Mutter auf einen Deportationszug verladen. Ihr Vater konnte den Leiter der Betriebsinspektion Berthold Beitz (1913-2013, später Generalbevollmächtigte Alfried Krupp von Bohlen und Halbachs und 1973 vom Staat Israel zum "Gerechten unter den Völkern" erklärt) überreden, seine Tochter und seine Frau am Bahnhof aus dem Wagen heraus vor der Deportation zu retten - es gelang für Henia/Helena, aber nicht für ihre Mutter, die im Zug bleiben musste und ins Konzentrationslager Majdanek deportiert und dort ermordet wurde.

Gemeinsam mit ihrem Vater und ihrem Bruder kam sie später in das Ghetto in Warschau [Warszawa/Polen] wo sie in der Krankenversorgung im Ghetto mitarbeitete. Im Juni 1944 wurden alle drei von dort in das Konzentrationslager Płaszów deportiert, wo die Familie getrennt wurde. Ihr Vater Arnold wurde kurz nach der Ankunft in das Außenlager Wielicka (Groß Salze) deportiert und von dort vermutlich weiter in das Konzentrationslager Mauthausen/OÖ, wo er zuletzt als Kalkulator im KZ-Nebenlager Gusen/OÖ beim Stollenbau mit dem Deckname "G8 Bergkristall" (unterirdisches Montagewerk der SS für die Großserienproduktion von Düsenjagdflugzeugen) eingesetzt worden war und kurz darauf am 5. Jänner 1945 in Hartheim starb.
Ihr Bruder gelangte im KZ Płaszów auf Schindlers Liste, vermutlich aufgrund des Berufs Automechaniker, und wurde von dort über das KZ Groß-Rosen nach Brünnlitz/Tschechoslowakei deportiert, wo er mehrere Monate in Schindlers Fabrik arbeitete und so überlebte.
Helena Klinghoffer wurde hingegen in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und später weiter nach Stutthof deportiert, konnte die Lager aber überleben.

Nach der Befreiung aus den Lagern lebte sie ab 1945 wieder in Wien: alleinstehend, Berufsbezeichnung: Student, Displaced Person (DP) mit Unterstützung der International Refugee Organization Austria (IRO). Sie wohnte anfangs in Wien 1., Rosenbursenstraße 4, später Wien 6., Millergasse 37/4. Ihr Bruder lebte nach seiner Befreiung als DP von 1945-1949 in Salzburg, bis er im Mai 1949 im Zuge des Displaced-Person-Act mit Hilfe der Hebrew Immigrant Aid Society (HIAS) in die USA nach Brooklyn, New York City, NY, auswandern konnte. Helene Klinghoffer emigrierte bald darauf am 26. September 1949 von Bremerhaven/Deutschland mit der USS General Ballou mit Hilfe der IRO und des USNA in die USA mit dem offiziellen Berufsziel: nurse (Krankenschwester) und kam am 5. Oktober 1949 in New York City, NY, an. Laut der US-Volkszählung 1950 lebt sie im April 1950 im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Bruder in Brooklyn, New York City, NY, und arbeitete als "full time laboratory worker in a chemical company".

Später heiratete sie den Arzt Dr. Otto Oesterreicher und wurde am 25. März 1955 als Helena Oesterreicher in New York City (640 W. 171st str.) als Amerikanerin eingebürgert. Später lebten sie in 5623 Mosholu Ave., Bronx, NYC, NY.

Helen Kling, geb. Henia Klinghoffer, verh. Helena Oesterreicher, starb im Sepember 1979 in Bronx, New York City, NY/USA.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937–1938; Arolsen Archives/3.1.3.2 DE I b Emigrations in 1949, Arolsen Archives/3.1.1.1 Postwar Card File 03010101 oS ; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 418; USC Shoah Foundation Interview mit Igor Kling 1995 in Miami, FL/USA; Yad Vashem | Shoah Victims' Names, Liste jüdischer Zwangsarbeiter der Karpathen Öl AG in Boryslaw 1942-1943; www.ancestry.de.


Herbert Posch


Nationale von Henia Klinghoffer, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Henia Klinghoffer, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Henia Klinghoffer, Wintersemester 1937/38 (2. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Henia Klinghoffer, Wintersemester 1937/38 (2. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien
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