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Marianne Melitta Bauer (Jokl)

Geb. am: 10. November 1885
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Doktorgradaberkennung

Marianne Melitta BAUER (geb. JOKL), geb. am 10. November 1885 in Kremsier, Mähren [Kroměříž, Tschechische Republik], hatte am 20. Mai 1910 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien den Grad einer Dr. phil. in Romanistik erworben (Dissertation: "Über die Synthax des lothringischen Dialekts"), sowie am 13. Juli 1915 an der Medizinischen Fakultät den Grad einer "Dr.med.univ.".

Noch vor ihrer zweiten Promotion heiratete die promovierte Romanistin und damalige Medizinstudentin 1912 den Internisten Dr. Julius Bauer (1887–1979), promovierte 1915 selbst zur "Dr.med."  und 1917 und 1919 wurden ihre beiden Söhne Franz Bauer (1917–1976) und Klaus Friedrich Bauer (1919–?) geboren. 1924 trat Marianne Melitta Bauer-Jokl in die Wiener Ärztekammer ein, spezialisierte sich auf Dermatologie und betrieb gemeinsam mit ihrem Ehemann Julius Bauer, der seit 1919 Privatdozent und ab 1926 tit.ao.Prof. war, in Wien 9., Mariannengasse 15 eine eigene Arztpraxis, forschte und publizierte sowohl eigenständig als auch gemeinsam mit ihrem Mann. Sie war seit 1909 erste Vizevorsitzende des Wiener Akademischen Frauenvereins, Vizepräsidentin der internationalen Ärztinnenorganisation, Präsidentin der Organisation der Wiener Ärztinnen (ÖAW) und Vor­sitzende der Organisation der Ärztinnen Österreichs (OAÖ).

Über ihre international vernetzten Vereinsaktivitäten verfügte Melitta Bauer-Jokl 1938 auch über zahlreiche Auslandsbeziehungen. Als sie nach dem "Anschluss" und der Machtergreifung des Nationalsozialismus als Jüdin aus Wien flüchten musste, konnten französische Kollegen und Kolleginnen ihr und ihrer Familie mit Visa helfen, rechtzeitig das Land verlassen zu können und der rassistischen Verfolgung durch den Nationalsozialismus zu entkommen. Am 15. April 1938 konnte sie mit ihrem Mann und dem jüngeren Klaus Frederick nach Paris/Frankreich emigrieren und von dort weiter über Cherbourg mit der SS Queen Mary in die USA, wo sie am 15. Dezember 1938 in New York City, NY, ankamen. Ihrem älteren Sohn Franz Bauer war es gelungen rechtzeitig in die Schweiz auszureisen, um sein fast fertiges Medizinstudium, dass er an der Universität Wien erzwungenermaßen abbrechen musste, an der Universität Genf fortsetzen und abschließen zu können. Danach emigrierte er ebenfalls in die USA.
Melitta Bauer übersiedelte mit ihrer Familie Anfang 1939 von New York nach New Orleans, Louisiana, wo ihr Mann eine Anstellung an der Louisiana State University gefunden hatte. 1941 übersiedelte die Familie aufgrund einer neuen Anstellung von Julius Bauer als clinical professor an der Loma Linda University nach Los Angeles, CA.

Aufgrund der erfolgreichen Emigration wurde ihn. ihrem Mann und ihrem ältesten Sohn von Seiten des Deutschen Reichs am 30. August 1941 die Deutsche Staatszugehörigkeit entzogen, das gesamte Vermögen zu Gunsten des Dritten Reichs enteignet. Als Rechtsfolge forderte das Berliner Reichserziehungsministerium auch die Universität Wien auf, Melitta Bauer und ihrem Mann Julius jeweils ihre akademischen Grade abzuerkennen, da sie im Nationalsozialismus "als Jude/Jüdin als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig" galten. Melitta Bauer wurde bereits am 14. Juli 1942 ihr medizinischer Doktorgrad aberkannt, ihrem Mann Julius dann am 1. April 1943.

Bereits 1939 hatte Melitta Bauer um die U.S.-Staatsbürgerschaft angesucht, die sie aber erst 1944 erhielt.

Erst 13 Jahre nach der Aberkennung und lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurden ihr die Doktorgrade am 15. Mai 1955 wieder von der Universität Wien zuerkannt, bzw. die Aberkennungen für "von Anfang an nichtig" erklärt.

Sie lebte und arbeitete weiter in Los Angeles, CA, praktizierte als Ärztin und ging 1977 endgültig in Ruhestand.

Sie starb im Alter von fast 95 Jahren am 25. Jänner 1980 in Los Angeles, CA/USA.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL und MED 1906-1915, PHIL Promotionsprotokoll M 34.3, Nr. 794, MED Promotionsprotokoll M 33.10, Nr. 916, PHIL Rigorosenprotokoll und -akt PH RA 2899, Rektorat GZ 118 ex 1941/42 ONr 83, 86, 155, Rektorat GZ 561 ex 1944/45 ONr. 15; Wiener Stadt und Landesarchiv WStLA/Historische Meldedaten; Österreichisches Staatsarchiv ÖStA/AdR/BMF/VA 63829, ÖStA/ AdR/BMF/AHF 16736, NHF 4897 u NHF II 11311; BAUER 1964; RÖDER 1983, 58-59; FEIKES 1999; POSCH 2009, 207; KOROTIN 2018, 219; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2024; Frauen in Bewegung (ÖNB); Wien Geschichte Wiki; BiografiA; Regiowiki.at.


Herbert Posch


Marianne Bauer (geb. Jokl): Promotionsprotokoll, Medizinische Fakultät: Promotion am 13. Juli 1915, Nr. 0916, Foto: Katharina Kniefacz (c) Archiv der Universität Wien

Julius Bauer und Marianne Jokl-Bauer, Doktorgradaberkennungsverfahren, Einleitung 1941 (Vorderseite), © Archiv der Universität Wien

Julius Bauer und Marianne Jokl-Bauer, Doktorgradaberkennungsverfahren, Einleitung 1941 (Rückseite), © Archiv der Universität Wien

Marianne Jokl-Bauer, Doktorgradaberkennung, Bescheid 1942, © Archiv der Universität Wien
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