Götz Klaus Kende
Geb. am: |
02. Juni 1917 |
Fakultät: |
Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Götz Klaus KENDE, geb. am 2. Juni 1917 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), war der Sohn von Dr. Oskar Kende (Mittelschulprofessor) und wohnte in Wien 14, Penzinger Straße 115. Nach der Reifeprüfung (Matura) begann er 1936 ein Studium der Medizin an der Universität Wien.
Er galt im Nationalsozialismus als 'Mischling 1. Grades' und konnte sein Studium auch nach dem "Anschluss" - bei jederzeitigem Widerruf - vorläufig fortsetzen und war im Wintersemester 1938/39 an der Medizinischen Fakultät im 5. Studiensemester inskribiert (Wintersemester 1938/39 wurde ihm am 3. April 1939 als gültig angerechnet).
Als „Mischlinge“ ab dem 1. Trimester 1940 ein Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin um Studienzulassung stellen mussten, reichte auch Götz Klaus Kende ein Ansuchen zur Fortsetzung seines Studiums ein. Gemäß Vorschrift legte der Dekan der zuständigen Medizinischen Fakultät, Eduard Pernkopf, dem Antrag ein mit April 1940 datiertes Gutachten, das „
insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte]. Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind.“ [Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940]. Er stellte fest: „
an seinem Aeusseren ist kaum etwas Jüdisches zu entdecken."
Das Reichserziehungsministerium entschied nach Absprache mit dem Reichsinnenministerium im Juni 1940, Kende „ausnahmsweise“ noch zur ärztlichen Prüfung nach alter österreichischer Studienordnung zuzulassen , da er die Vorprüfung (1. Rigorosum) bereits bestanden hatte. Dabei sei er jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sie als „Mischlinge 1. Grades“ keine Chance hatten, die Bestallung (Berufszulassung) als Arzt im Deutschen Reich zu erhalten.
Nach bestandenem 2. und 3. Rigorosum wäre Götz Klaus Kende nach alter Studienordnung berechtigt gewesen zu promovieren. Anfang September 1942 übermittelte die Universität Wien sein Ansuchen um Zulassung zur Promotion zum Dr. der gesamten Heilkunde und um Ausübung der ärztlichen Praxis während des Krieges. Das REM fällte am 19. September 1942 jedoch eine grundsätzliche Entscheidung: Ohne Nachweis der Bestallung als Arzt (die ‚Mischlingen 1. Grades‘ grundsätzlich nicht erteilt wurde) durfte das Doktordiplom nicht ausgehändigt werden.
„
Um den Genannten jedoch die Erlangung einer geeigneten Anstellung in der Industrie zu erleichtern, ermächtige ich die Fakultät, eine Bescheinigung des Inhalts auszustellen, daß sie, abgesehen von dem Nachweis der deutschblütigen Abstammung, alle Voraussetzungen für die Verleihung des Doktorgrades erfüllt haben. Auf der Bescheinigung ist ausdrücklich zu vermerken, daß sie nicht als Doktordiplom gilt.“
Kende setzte dennoch seine praktische Ausbildung als Hilfsarzt und Assistent an verschiedenen Wiener Kliniken fort.
1945 wurde er Amtsarzt der Wiener Staatsoper, war seit 1946 auch Betriebsarzt der Österreichisch-Alpine Montangesellschaft und führte daneben eine private Praxis. Von 1946 bis 1950 arbeitete er als Betriebsarzt der Großdruckerei Waldheim-Eberle in Wien. Er wohnte in Wien 3, Reisnerstraße 9.
Kende hatte großes Interesse an der Oper und sammelte umfangreiche Materialien zu Leben und künstlerischer Tätigkeit des Dirigenten Clemens Krauss sowie zahlreiche Tonaufnahmen unter dessen Leitung. 1945 – während seiner Zeit als Amtsarzt der Wiener Staatsoper – gründete er in seiner Privatwohnung das „Clemens-Krauss-Archiv“:
„Noch als Medizinstudent hatte Götz Kende während der Ara Krauss' als Wiener Staatsoperndirektor (1929-1934) alles Verfügbare an Programmen, Fotografien und Zeitungsausschnitten über diesen und die Wiener Oper gesammelt. Die spätere Anstellung von Kende als Arzt der Staatsoper führte zur persönlichen Bekanntschaft mit Krauss, welche sich in den letzten Lebensjahren des 1954 in Mexico City verstorbenen Dirigenten zu einer Freundschaft entwickelte, sodaß Krauss Kende seine sämtlichen Unterlagen überließ, welche in das Archiv eingegliedert wurden.“ (Reinhold THUR, Das Clemens Krauss-Archiv, in: Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (Hg.), Clemens Krauss 1893-1993. In memoriam Götz Klaus Kende, Wien 1993, 15.)
Kende, den Krauss liebevoll als „mein(en) Archivar“ bezeichnete, stellte dem betagten Dirigenten auch eine Wohnung in seinem Haus in Ehrwald/Tirol zur Verfügung, wo dieser ab 1950 wohnte und 1954 bestattet wurde. Nach Krauss‘ Tod bemühte sich Götz Klaus Kende, dessen Wirken umfassend für die Nachwelt zu erhalten. Neben der fortgesetzten Sammlung von verschiedensten Unterlagen und deren Inventarisierung war Kende als Leiter des Clemens Krauss-Archivs auf mehreren Ebenen aktiv: Er publizierte Monografien, Editionen und Beiträge für Musikfachzeitschriften über den Dirigenten sowie die Wiener Oper, hielt Vorträge, arbeitete an Ausstellungen mit, veranstaltete in Ehrwald Gedenkstunden zu Jahrestagen des Todestags und initiierte die Benennung von Verkehrsflächen in Wien, Salzburg und München im Gedenken an Clemens Krauss.
„Wer immer an Clemens Krauss denkt, muß auch seines getreuen Archivars, des Wiener Landsmanns, Amtsarztes der Wiener Staatsoper, gedenken. Er hat es verstanden, seinen Beruf mit seiner Leidenschaft für die Oper zu verbinden.“ (Signe SCANZONI, Clemens Krauss und die Entstehung des Archivs, in: Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (Hg.), Clemens Krauss 1893-1993. In memoriam Götz Klaus Kende, Wien 1993, 14)
Schon 1987 übergab Kende einen Teil der gesammelten Dokumente an die Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. 1991 musste er schließlich aus gesundheitlichen Gründen seine Wohnung aufgeben und überließ der Nationalbibliothek die gesamten Bestände des Clemens Krauss-Archivs, das er in jahrzehntelanger Arbeit angelegt hatte. Neben Unterlagen zu Krauss umfassen diese auch zahlreiche Materialien zur weiteren Wiener Operngeschichte (v.a. Richard Strauss), eine umfangreiche Autogramm- und Visitenkartensammlung, Korrespondenzen, Programmzettel, Fotografien und Zeitungsausschnitte:
„Mit der Eingliederung des Clemens Krauss-Archivs in die umfangreichen Bestände der Österreichischen Nationalbibliothek gelangte ein bedeutendes Dokument österreichischer Kulturgeschichte an den ihm würdigen Platz, so daß die hier vorgestellten Materialien von jedem Interessierten leicht einsehbar sind.“ (Reinhold THUR, Das Clemens Krauss-Archiv, in: Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (Hg.), Clemens Krauss 1893-1993. In memoriam Götz Klaus Kende, Wien 1993, 22)
Götz Klaus Kende starb am 17. Juli 1992 in Wien.
Werke:
- Das „Clemens Krauss-Archiv“ in Wien, in: Schweizerische Musikzeitung 96/1956. Nr 4, 1. April, 166 ff.
- Das Clemens Krauss-Archiv, in: Österreichische Musikzeitschrift 11/1956. H. 5, 188-189.
- Clemens Krauss über seine Zusammenarbeit mit Richard Strauss, nach Gesprächen aufgezeichnet, in: Schweizerische Musikzeitung 97 /1957. Nr 2, 1. Februar, 45-51.
- Richard Strauss und Clemens Krauss. Eine Künstlerfreundschaft und ihre Zusammenarbeit an „Capriccio“ (op. 85), Konversationsstück für Musik, München 1960 (Drucke zur Münchner Musikgeschichte, Bd. 1).
- gem. m. Willi SCHUH (Hg.), Richard Strauss-Clemens Krauss, Briefwechsel. München 1963.
- Richard Strauss und Clemens Krauss bei den Salzburger Festspielen, in: Österreichische Musikzeitschrift 19/1964. H. 8, 357-61.
- Ad multos annos, in: Festschrift Dr. Franz Strauss zum 70. Geburtstag, Tutzing 1967, 39ff.
- Höchste Leistung aus begeistertem Herzen. Clemens Krauss als Direktor der Wiener Staatsoper. Salzburg 1971.
- gem. m. Signe SCANZONI, Der Prinzipal. Clemens Krauss – Fakten, Vergleiche, Rückschlüsse, hrsg. v. Clemens Krauss-Archiv, Tutzing 1988.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Medizinische Fakultät: Nationale Wintersemester 1937/38 bis Wintersemester 1938/39 u.a.; Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (Hg.), Clemens Krauss 1893-1993. In memoriam Götz Klaus Kende (Konzert – Gespräch – Ausstellung, 31. März 1993, Hoboken-Saal der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek), Wien 1993, insb. 12-22; Signe SCANZONI, Der gelernte Zuschauer. Zum Tod von Dr. Götz Klaus Kende (2. Juni 1917-17. Juli 1992), in: Richard Strauss-Blätter. N. F. H. 28/1992, Dezember, 80-82; TEICHL 1951.
Katharina Kniefacz