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Friedrich Kauf

Geb. am: 07. Juni 1919
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene Studierende

Friedrich KAUF, geb. am 7. Juni 1919 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Hersch/Hermann Kauf (Kaufmann, 09. Oktober 1880 in Lemberg - 26. Juli 1939 in Wien) und Johanna Kauf, geb. Steiner (25. Jänner 1882 in Wien - 09. Oktober 1943 in Auschwitz), wohnte mit seinen Eltern in Wien 2, Zirkusgasse 28/6. Er hatte am 16. Juni 1937 am Bundesrealgymnasium Wien 2 die Reifeprüfung ("Matura") abgelegt und begann anschließen an der Universität Wien Medizin zu studieren. Er war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 2. Studiensemester inskribiert.

Er wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen (Abschlusszeugnis ausgestellt am 18. Mai 1938). Sein älterer Bruder Siegmund Kauf (1917–1975), der auch an der Medizinischen Fakultät studierte, wurde ebenfalls von der Universität Wien vertrieben.

Seine Eltern waren beide in Wien aufgewachsen, der Vater war Sonnen- und Regenschirmmachermeister, der 1912 Disponent im Kaufhaus Gerngross auf der Mariahilfer Straße wurde, wo er die Schirmabteilung leitete und später auch die Schmuck- und Toilettenartikelabteilung und wo er die "OT-Praxis" ("Okkasion Tiefparterre") initiierte, bei der jeden Freitag Waren aus einer bestimmten Abteilung zu Sonderpreisen verkauft wurden. Während des Ersten Weltkrieges diente sein Vater in der k.u.k. österreichischen Armee. Die Mutter war Hausfrau.
Wie sich Friedrich Kauf 2003 erinnerte, lebten er und sein Bruder Siegmund ein angenehmes Leben, verbrachten die Ferien in Baden und Bad Vöslau, am Wörthersee in Pörtschach und Velden, in Payerbach-Reichenau und am Semmering. In den Jahren 1934 und 1935 fuhren sie nach Siofok am Balaton (Plattensee) in Ungarn. Sie gehörten dem WAC (Wiener Athletik Club) an, den Schwarz-Roten, wo sie Tennis, Feldhockey, Handball und Leichtathletik spielten. Sie waren glühende Fußballfans und besuchten viele Auswahlspiele auf der Hohen Warte und im Stadion. Der berühmte Torwart Rudi Hiden war ein Freund der Familie und er erinnerte sich auch noch an den 5:0 Sieg des Wunderteams gegen Schottland auf der Hohen Warte.
Sie wurden sehr streng erzogen, wobei der Schwerpunkt auf der Bildung lag. Die Eltern flößten den Söhnen soziales Gewissen ein und dass sie niemals vor Familien, die weniger Glück hatten prahlen sollten.
Sein Vater hatte sechs Geschwister, seine Mutter zwei Brüder und es gab zahlreiche Cousins und Cousinen, die ab viel älter als Friedrich und sein Bruder waren. Zwei davon waren bereits Ärzte, Dr. Jacques Kauf und der berühmte aber früh an Krebs  verstorbene Herzspezialist, Privatdozent Dr. Emil Kauf (30. August 1895-26. Dezember 1927), Assistent von Professor Dr. Kaufmann an der Herzstation, der auch für die Gründung der Sportkommission, die Boxer, Gewichtheber und Ringer vor ihren Wettkämpfen einer ärztlichen Untersuchung unterzog verantwortlich war und zahlreiche Publikationen über das Herz verfasste, u.a. das Buch "Herz und Sport" (gem. m. Felix Deutsch, Wien/Berlin 1924), das in viele Sprachen übersetzt wurde. Er war für den jungen Friedrich Kauf eine wichtige Motivation, selber Medizin zu studieren und Arzt zu werden:

"Obwohl ich am Gymnasium eine Liebe zur Geschichte entwickelte - der Titel meiner Maturaarbeit lautete 'Die Grundlegung des Modernen Staates in Österreich durch die Reformen des Aufgeklärten Absolutismus und ihre Nachwirkung bis 1867' - gab ich meinen Traum, Ärztin zu werden, nie auf - bis ich dazu gezwungen wurde.
Meine Ausbildung begann 1925 in der Volksschule in der Czerningasse. Mein Bruder begann dort zwei Jahre früher. Nach der Aufnahmsprüfung gingen wir auf das BRG II (Bundesrealgymnasium) in der Kleinen Sperlgasse 2c. Ich habe dort 1929 begonnen, zwei Jahre nach meinem Bruder. Nach der Matura im Juni 1936 entschloss sich mein Bruder, Medizin zu studieren und schrieb sich an der Universität ein. Als ich ihm ein Jahr später, 1937, an die Universität folgte, dachte ich, ich sei auf dem besten Weg, meinen Traum zu verwirklichen.
Ich möchte auf eine Begebenheit hinweisen, die mir in Erinnerung geblieben ist. Der Vorstand der 1.Anatomischen Lehrkanzlei der Universität Wien, Professor Dr. Gustav Sauser (1899–1968) wandte sich an mich, als er mein Meldebuch unterschrieb und fragte: 'Herr Kollege, sind sie mit Dozent Kauf verwandt?' Ich antwortete stolz: 'Jawohl Herr Professor, Dozent Kauf war mein Cousin.'
Am Ende des zweiten Semesters bestand mein Bruder die Prüfung in Physik bei Professor Dr. Felix Ehrenhaft (1879–1952) mit der Note 'ausgezeichnet'. In der letzten Märzwoche 1938 sollte er die Chemieprüfung bei Professor Dr. Otto Fürth (1867–1938) ablegen. [...]
Ich lernte gerade für mein Examen im Mai 1938 in Physik bei Professor EHRENHAFT, als am Freitag, dem 12. März 1938, der Anschluss erfolgte. Mein Traum, Arzt zu werden, war geplatzt. Das Leben für Juden änderte sich völlig. Es ging nun darum, wie man in einer zunehmend gefährlichen Atmosphäre, in der willkürliche Verhaftungen zur Norm wurden, Tag für Tag überleben konnte. Die einzige Alternative war, einen Weg zu finden, um dem Schrecken zu entkommen.
Über verschiedene Verwandte erhielten mein Bruder und ich Visa für die Einwanderung in die Vereinigten Staaten.
Ich verließ Wien am 1. März 1939 [mit dem Zug nach Paris und über Le Havre nach London und er konnte noch rechtzeitig über Southampton/Großbritannien mit der SS Ansonia in die USA emigrieren] und kam am 15. März 1939 in New York an, mit etwa $25,00 in der Tasche. Das war das Bordgeld, das ich aus Deutschland mitnehmen durfte. Das Leben in New York war für einen neu angekommenen deutschen Flüchtling nicht einfach.  Ich war allein.
Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich einen Job finden und mich selbst versorgen.
Zwei Wochen nach seiner Ankunft in New York, am 12. Mai 1939, fand mein Bruder eine Stelle als Angestellter in einem kleinen Kaufhaus auf Long Island. Ich ging nach New Hampshire, um an der National Youth Administration (NYA) teilzunehmen, einer Organisation, die von der Roosevelt-Regierung gegründet wurde, um jungen Menschen einen Beruf beizubringen. Ich lernte Schweißen und Brennschneiden, Fertigkeiten, die ich später in einem Schweißwerk in Boston, Massachusetts, einsetzte. Im Oktober 1942 trat ich in die Armee ein und wurde im März 1943 nach England geschickt, um beim Aufbau einer Reparaturwerkstatt für Artillerierückstöße zu helfen. Im September 1943 wurde ich zur G-2 (Military Intelligence) versetzt. Im darauf folgenden Januar meldete ich mich freiwillig zum Kampfeinsatz.
Im darauf folgenden Januar meldete ich mich freiwillig als Nachrichtenoffizier für die 101st Airborn Division. Ich war von der Invasion in der Normandie bis zum Ende des Krieges am 8. Mai 1945 im Einsatz. Im Juli 1945 wurde ich in die Militärregierung versetzt, zunächst in Weinheim an der Bergstraße und dann in Mannheim-Freudenheim. Im Januar 1946 kehrte ich nach Boston zurück und wurde am 14. Februar 1946 endgültig beurlaubt.
Im April 1946 zog ich nach New York und begann noch im selben Monat in der Textildruckbranche zu arbeiten, in der ich bis zu meiner Pensionierung blieb.
Von Anfang an war ich in unserer Gewerkschaft sehr aktiv. Als ich 1998 in den Ruhestand ging, war ich Präsident des gemeinsamen Regionalvorstands New York-New Jersey von Unite (Union of Needleworkers, Industrial and Textile Employees, AFL-CIO, CLC)."

Er hatte am 7. Dezember 1939 in New Hampshire um die U.S.-Staatsbürgerschaft angesucht, die er 1944 auch erhielt. Am 29. Juni 1947 heiratete er Celia Gray (geb. 14. Februar 1921 Hamburg), die als Lehrerin an einer öffentlichen Schule in New York City arbeitete und lebte mit ihr und den beiden Töchtern, Joyce A. Kauf (1950, Schriftstellerin), und Laraine S. Kauf (1956, arbeitete im Finanzdienstleistungssektor) in Brooklyn, NY. Beide Töchter konnten einen Hochschulabschluss erwerben.

Während ihm und seinem Bruder die Flucht gelang, blieben ihre Eltern in Wien. Der Vater war im Sommer 1936 an Schilddrüsenkrebs erkrankt, war bald von der Hüfte abwärts gelähmt und kam wenige Tage nach der Ausreise der Brüder aus Wien ins Rothschildspital, wo er am 26. Juli 1939 starb. Obwohl die Söhne von den USA aus versuchten, die Mutter in die USA zu holen und sogar die Schiffspassage bei der Hamburg American Line war schon gekauft war, scheiterte der Versuch, als mit Kriegsbeginn der Transatlantikverkehr eingeschränkt wurde, woraufhin sie ein Ticket auf dem Clipper von Lissabon nach New York reservierten doch dauerte die Genehmigung der Einwanderung durch das U.S-Außenministerium zu lange und Mutter Johanna Kauf wurde am 12. November 1941 von Wien in das Ghetto Litzmannstadt/Lodz deportiert und von dort weiter in das Konzentrationslager Auschwitz wo sie am 9. Oktober 1943, dem Tag ihrer Ankunft, ermordet wurde.

Zum Abschluss nochmals Friedrich Kauf in seinem Brief an das Forschungsprojekt "Vertriebene Studierenden der Universität Wien" aus 2003:

"Abschließend möchte ich sagen, dass ich immer stolz auf mein Leben in Wien war und bin - natürlich auf meine Eltern, unsere Verwandten und meine Ausbildung. Leider haben die schrecklichen Ereignisse und Taten, die stattgefunden haben, Wunden hinterlassen, die niemals heilen können.
Die ersten 20 Jahre meines Lebens sind nur noch Erinnerungen. Ich betrachte mich als Amerikaner. Ich bin stolz darauf, die Uniform der amerikanischen Armee getragen zu haben. Ich danke Gott für seinen Schutz und seine Führung.
Ich habe bereits gesagt, dass ich die Geschichte liebe, und ich hoffe, dass mein Brief zu der Geschichte beiträgt, die Sie bearbeiten."

Friedrich Kauf starb am 23. Jänner 2008 in Brooklyn, NY/USA.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937–1938; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 414; Brief von Friedrich KAUF vom 14. Mai 2003; www.ancestry.de, www.familysearch.con, www.genteam.at, www.doew.at, www.arolsenarchives.org.


Herbert Posch


Nationale von Friedrich Kauf, Wintersemester 1937/38 (Vorderseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Nationale von Friedrich Kauf, Wintersemester 1937/38 (Rückseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Nationale von Friedrich Kauf, Sommersemester 1938 (Vorderseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Nationale von Friedrich Kauf, Sommersemester 1938 (Rückseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Friedrich Kauf Meldungsbuch 1938, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Friedrich Kauf Meldungsbuch 1938, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Friedrich Kauf, Meldungsbuch 1938, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Friedrich Kauf, Abgangszeugnis vom 18. Mai 1938, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien
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