Geb. am: | 03. August 1896 |
Fakultät: | Juridische Fakultät |
Kategorie: | Doktorgradaberkennung |
Hans HELLER hatte am 15. Juli 1922 an der Juridischen Fakultät der Universität Wien den Grad eines Dr. rer.pol. erworben. Am 1. April 1943 wurde ihm der Grad aus rassistischen Gründen aberkannt, da er im Nationalsozialismus 'als Jude als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig' galt. Erst 1955 wurde ihm der Doktorgrad wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für 'von Anfang an nichtig' erklärt.
Hans Heller wurde am 3. August 1896 in Wien 3., Ungargasse 63 geboren als Sohn von Kommerzialrat Gustav Heller (1857-1937, Industrieller) und der Mathilde Heller, geb. Kreidl (1868-1926) und wuchs mit seinen Geschwistern Margarethe, verh. Rutter (1894-1970) und Marianne „Janne“, verh. Wolf (1901-1938) in gutbürgerlichen Verhältnissen in Wien 4., Schlickgasse 17 auf. Sein Vater Gustav und dessen Bruder Wilhelm (1859-1931), beide Zuckerbäcker, hatten 1891 in Wien-Landstraße die Süßwarenfabrik „Gustav & Wilhelm Heller, Schokolade- und Zuckerwarenfabrik“ gegründet, die 1899 vergrößert und nach Wien 10., Belgradplatz 3-5 verlegt wurde und mit über 1.400 Mitarbeiter*innen die größte ihrer Art in Österreich-Ungarn war ("Heller-Zuckerl"), mit Niederlassungen in Paris, London und New York. Gustav Heller wurde zum "k.u.k. Hoflieferanten" und zum "Kammerlieferanten des Kaisers" ernannt, war Präsident des Zentralverbandes der Schokolade- und Zuckerwarenfabrikanten Österreichs in Wien und Vizepräsident des 1930 in Belgien gegründeten Office International du Cacao et du Chocolat, Bruxelles, sowie in den 1930er Jahren auch im Verwaltungsrat der Bank Creditanstalt in Wien und war auch Direktor der Vereinigten Chemischen Fabriken Landau, Kreidl, Heller & Co.
Während seiner Gymnasialzeit begegnete Hans Heller zum ersten Mal den Werken Sigmund Freuds, die ihn auch in Zukunft beschäftigen sollten. Von 1907 bis 1915 besuchte er das k.k Akademische Gymnasium in Wien 1, wo er am 20. Februar 1915 auch die Reifeprüfung (Matura) ablegte und wurde anschließend als Offizier in die österreichisch-ungarische Armee eingezogen, wo er dem k.k. schweren Artillerieregiment angehörte und an der italienischen Front stationiert war. Im November 1981 wurde er aus der Armee entlassen und begann im Wintersemester 1917/18 dann an der Universität Wien Rechts- und Staatswissenschaften zu studieren. Noch während des Studiums heiratete er im Februar 1919 im Wiener Stadttempel Margarethe (Gretl) Steiner (1899-1961) und im Februar 1920 kam beider Sohn Peter (1920-1998) zur Welt. Wenige Monate später trat Hans Heller im August 1920 aus der Israelitischen Kultusgemeinde aus.
Er studierte durchgehend bis zum Sommersemester 1921 und schloss sein Studium der Staatswissenschaften (mit Fokus auf Volkswirtschaft und politischer Theorie) an der Juridischen Fakultät der Universität Wien mit einer Dissertation über "Die ökonomische Theorie von Karl Marx und der Neumarxisten" ab (Absolutorium vom 30. Oktober 1921) und promovierte am 15. Juli 1922 zum "Dr. rer.pol.".
Er wohnte damals mit Frau und Kind in Wien 4., Karolinengasse 5 und wurde anschließend Juniorpartner im Süßwarengeschäft der Familie; später wurde er gemeinsam mit seinem Vater Eigentümer. Die erste Ehe wurde im Oktober 1934 geschieden und im Februar 1935 heiratete er im Rahmen einer Ziviltrauung Renee Inge Maria Felicitas Schön in Wien.
In dieser Zeit wuchs Hans Hellers Interesse am Schreiben, und er veröffentlichte einige kurze Stücke, schrieb auch "Die sieben mageren Jahre" (unveröffentlicht) und das Buch „Ein Mann sucht seine Heimat" über einen halbjüdischen Kunsthistoriker, der gegen die Nazis kämpfte (1936 unter dem Pseudonym Martin Haller in der Schweiz veröffentlicht).
In den späten 1930er Jahren wurde er auch Mitherausgeber der Zeitung "Die Wiener Weltbühne" (zusammen mit seinem Freund, dem Journalisten Willy Schlamm, und flüchtete zunehmend aus der Stadt aufs Land - in sein Jagdhaus in Klausen, Italien, und in sein Sommerhaus im Alpendorf Grundlsee, Steiermark.
Nach dem "Anschluss" wurde die gesamte Familie enteignet, die "Heller-Fabrik" "arisiert" und auch Hans Heller wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" 1938 als Jude verfolgt und musste aus Österreich fliehen - er lebte zuletzt in Wien 13., Gloriettgasse 5. Es gelang ihm, mit seinem "arischen" Schwager Viktor Opalski und einem anderen Verwandten ein Geschäft über den Verkauf der Süßwarenfabrik abzuschließen und konnte mit Hilfe eines Freundes aus England einige Gelder dorthin schicken.
Hans Heller reiste 1938 mit seiner Frau Inge über die Schweiz nach Hoylake, Cheshire, England/Großbritannien aus - seine ältere Schwester Margarete Rutter blieb zurück und überlebte den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg einerseits durch die Ehe mit einem „Arier“ und später als "U-Boot" versteckt im Keller ihres Hauses (sie starb 1970 und ist im Familiengrab in Wien-Döbling beigesetzt); seine jüngere Schwester Marianne Wolf starb im August 1938 an Multipler Sklerose. Seine Frau Inge folgte ihm später nach England.
In England nahm Hans Kontakt zur englischen Süßwarenfirma Barker & Dobson in Liverpool auf, wo er 1939 bis 1940 angestellt wurde und schlug vor, auf deren Gelände eine neue Heller-Süßwarenfabrik zu gründen und sie zusammen mit einem Cousin zu betreiben. Nachdem sein Sohn Peter 1940 als "enemy alien" interniert und nach Kanada geschickt worden war - ein Schicksal das Hans Heller aufgrund seiner Tätigkeit im Exportgeschäft erspart geblieben ist - erwog er, in die Vereinigten Staaten auszuwandern, was er 1940 auf einer Geschäftsreise für Barker & Dobson auch tat.
Er kam am 12. August 1940 mit der SS Scythia in New York, NY/USA an und reiste dann im März 1941 nochmals nach England aus und über Liverpool und Toronto/Kanada am 1. April 1941 bei den Niagara Fällen über die Whirlpool Rapids Bridge wieder offiziell in die USA ein und lebte in Riverdale, NY/USA, wo er im September 1941 als John Heller auch den Antrag auf Einbürgerung stellte (seine Frau lebte damals noch in London, England/Großbritannien und sein Sohn in Kanada).
Alle drei wurden am 9. Juli 1941 aus dem Deutschen Reich ausgebürgert, was mit der Verlautbarung im Deutschen Reichsanzeiger vom 12. Juli 1941 rechtskräftig wurde und mit dem Verlust des gesamten Vermögens zugunsten des Dritten Reichs verbunden war.
Als eine weitere Rechtsfolge der Ausbürgerung wurde an der Universität Wien gegen Hans Heller auch das Verfahren zur Aberkennung seines akademischen Grades eingeleitet - am 1. April 1943 wurde ihm dann auch sein Doktorgrad aus 1922 aus rassistischen Gründen aberkannt, da er im Nationalsozialismus "als Jude als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig" galt und im Deutschen Reichsanzeiger vom 13. April 1943 verlautbart.
Erst 12 Jahre nach der Aberkennung und lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde John Heller der Doktorgrad am 15. Mai 1955 wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für "von Anfang an nichtig" erklärt – allerdings ohne ihn selbst darüber zu informieren.
Zunächst war es für John Heller schwierig, Partner zu finden, mit denen er in New York ein Süßwarengeschäft aufbauen konnte. Als er schließlich genügend Investoren fand, gründete er 1940 in einem gemieteten Loft in Harlem ein kleines Unternehmen namens Heller Candy Company, Inc. Später zog das Unternehmen in die 42nd street in Midtown Manhattan um. Anfang der 1940er Jahre trennten sich Hans und Inge; später lernte er seine dritte Frau kennen, die amerikanische Künstlerin Helen Olive Ek (1918-1976, ihre Eltern waren aus Schweden in die USA eingewandert), die er am 7. August 1945 in Stamford, Connecticut/USA heiratete. Er erhielt am 20. Dezember 1945 die U.S.-Staatsbürgerschaft und lebt mit Hellen Heller zunächst in der Upper West Side von New York City, später zog die Familie nach Hartsdale West, NY, wo 1948 auch beider Sohn Marc auf die Welt kam.
Sein Sohn Peter aus erster Ehe, später Commonwealth Professor für Deutsche und Vergleichende Literaturwissenschaft, war 1945 aus Montreal/Kanada, wo er seinen ersten Studienabschluss gemacht und geheiratet hatte, mit seiner Frau auch in die USA übersiedelt und lebte in New York, NY.
Nach dem Krieg reiste John Heller 1947 kurz nach Österreich - nach seiner Rückkehr in die USA veröffentlichte er in mehreren amerikanischen Zeitungen Berichte über die damalige Notlage der Bevölkerung und die politische Situation in Nachkriegs-Österreich (u.a. "Hungry Austria Reverts to the Past" in der New York Herald Tribune). Er besuchte noch mehrmals Österreich, um sich um die schwierige Rückgabe von Familienbesitz zu bemühen und die Verbindung zu seiner Schwester und ihrer Familie wiederherzustellen - es dauerte mehrere Jahre, bis die Eigentumsverhältnisse an der Familienfabrik in Wien geklärt waren (Die Firma Heller wurde bis zur Fusion mit der Konkurrenzfirma Victor Schmidt & Söhne 1971 erfolgreich weitergeführt, die Marke blieb auch nach dem Verkauf bis heute erhalten).
In den USA zog John Heller mit seiner Familie schließlich nach Scarborough, New York, am Hudson River, die Heller Candy Company, die er in den USA gegründet hatte florierte. Sie produzierte harte und gefüllte Bonbons in Tüten, Gläsern und Dosen, die sich im Vietnamkrieg durch ihre Hitzebeständigkeit bewährten und die U.S. Army wurde zu einem wichtigen Kunden was die Bekanntheit weiter steigerte und auch nach Asien und Südamerika exportiert wurden.
John Heller beschäftigte sich auch mit der Landschaftsmalerei und 1974 wollten er und seine Frau, die mittlerweile als Bildhauerin sehr bekannte Helen Heller, in einer Galerie im Soho in New Yorker City ihre Werke gemeinsam ausstellen, seine Frau starb aber kurz vor der Eröffnung an Krebs.
John Heller heiratete in vierter Ehe die Anästhesistin Dr. Edith Kepes und blieb bis zu seiner Pensionierung 1981 Präsident der Heller Candy Company. Die beiden unternahmen zahlreiche Reisen, u. a. auch nach Wien, wo John Heller 1976 eine Ausstellung einer Auswahl seiner Gemälde im Theater an der Wien zeigte – organisiert von der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH). 1983 veröffentlichte Abaris Press seine Memoiren "Memoirs of a Reluctant Capitalist" (weitere Memoiren mit dem Fokus auf die Alters-Erfahrungen: "Old, Old Age" blieben unveröffentlicht). 1985 erschien seine Autobiografie in deutscher Sprache bei Ovilava-Libri Press in Wels/Oberösterreich (Hubert Plieseis), unter dem Titel Zwischen zwei Welten: Erinnerungen, Dokumente, Prosa, Bilder.
Dr. John Heller, geb. Hans Heller, starb am 7. Dezember 1987 in Tarrytown, Westchester, NY/USA.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Promotionsprotokoll Staatswissenschaften 1919–1964 Nr. 18, Rektorat GZ 118 ex 1941/42 ONr. 47, 185 u. 190, GZ 151 ex 1942/43 (=S 127.9) ONr. 75-80, GZ 561 ex 1944/45 ONr. 15; Center for Jewish History New York, Hans Heller Collection AR 25858; Deutscher Reichsanzeiger Nr. 160 vom 12. Juli 1941 und Nr. 86 vom 13. April 1943; POSCH 2009, 424; Franz MATHIS, Big Business in Österreich. Österreichische Großunternehmen in Kurzdarstellungen, Wien 1987, 143-144; Hans HELLER, Zwischen zwei Welten. Erinnerungen, Dokumente, Prosa, Bilder, Wels 1985; Tamara EHS, Die Staatswissenschaften. Historische Fakten zum Thema 'Billigdoktorate' und 'Frauen- und Ausländerstudien', in: Zeitgeschichte, 37 (2010), 238–256, 246; www.ancestry.de; www.genteam.at; freundliche Hinweise von Edith Heller, Wien 06/2022.
Herbert Posch