Josef Hangleithner
Geb. am: |
02. Februar 1912 |
Fakultät: |
Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Josef HANGLEITHNER, geb. am 2. Februar 1912 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Johann Hangleithner (Gemüsegärtner, 1873-1941) und Maria Hangleithner (geb. Bilbel, 1875-1962), wohnte in Wien 21, Donaufelder Straße 139. Er begann nach der Matura in Wien an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien zu studieren und war im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 9. und vorletzten Studiensemester inskribiert (Sommersemester 1938 wurde ihm am 11. Oktober 1938 als gültig angerechnet).
Nach dem "Anschluss" 1938 wurde er aus rassistischen Gründen als sogenannter "Mischling 1. Grades" verfolgt, konnte aber vorläufig – bei jederzeitigem Widerruf – sein Studium noch vorläufig fortsetzen.
Seine Mutter Maria Hangleithner. geb. Bilbel, war Tochter einer jüdischen Mutter, die sie aber nicht kannte, da sie gleich nach der Geburt an Pflegeeltern übergeben worden war und auch Name und Status des Vaters waren nicht bekannt. Nach ihrer Mutter war Maria Hangleithner daher im Geburtenregister der israelitischen Kultusgemeinde Wien verzeichnet und konvertierte im Alter von 16 Jahren 1891 zum röm.-kath. Glauben und ließ sich taufen. Wäre nachweisbar gewesen, dass ihr Vater nach NS-Terminologie "arisch" gewesen wäre, wäre ihr Sohn Josef Hangeithner nur "Mischling 2. Grades" gewesen und hätte fertig studieren können.
Josef Hangleithner war ein klassischer "Werksstudent", der neben dem Studium arbeitete - während des Semesters als Nachhilfelehrer und im Sommer in der elterlichen Gärtnerei -, um sich sein Studium finanzieren zu können und kam trotzdem zügig im Studium voran und hatte im Februar 1940 das II. Rigorosum fast fertig abgelegt und bis auf eine noch offene Prüfung alle Prüfungen bestanden. Er war aufgrund eines Verwaltungsfehlers ohne "Ariernachweis" zur Prüfung zugelassen worden, obwohl für "Mischlinge 1. Grades" eine Prüfungszulassung nur nach vorheriger Genehmigung vom Reichserziehungsministerium Berlin zulässig war, weshalb die Prüfung sistiert wurde.
Zu dieser Zeit, Anfang Mai 1940, musste er außerdem in die Deutsche Wehrmacht einrücken, wo er eine Ausbildung zum Funker absolvierte, aber bereits am 18. Juli aus rassistischen Gründen als "Mischling 1. Grades" wieder entlassen wurde.
Um in seinem Studium weiter zu kommen, reichte er im Dezember 1940 das obligatorische Ansuchen beim Reichserziehungsministerium Berlin ein, noch zum Abschluss der Prüfungen zugelassen zu werden – doch dieses Ansuchen ging verloren. Nach eineinhalb Jahren Warten auf Antwort – in der Zwischenzeit war sein Vater 1941 gestorben, seine Mutter durch eine schwere Magenoperation arbeitsunfähig geworden und er musste den elterlichen Betrieb kurzfristig übernehmen - stellte er am 16. Juni 1942 erneut das Ansuchen und ausnahmsweise wurde ihm genehmigt, die bereits begonnenen Prüfungen fortzusetzen. Er wurde aber ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht,
"dass er als jüdischer Mischling 1. Grades die Bestallung als Arzt für das Deutschen Reich nicht erhalten werde."
Nach Abschluss auch des III. Rigorosums leitete Dekan Prof. Pernkopf am 10. August 1943 Hangleithners Ansuchen um Zulassung zur Promotion an das Berliner Ministerium weiter, doch am 9. September 1943 erfolgt die Absage, dass er ohne Aussicht auf Berufsberechtigung (
"Bestallung") trotz erfolgreichen Bestehens aller Prüfungen nicht zur Promotion zugelassen werde. Als einziges Zugeständnis wurde zugelassen, dass ihm die Universität Wien eine Bestätigung ausstelle, dass
"ausser dem Nachweis der deutschblütigen Abstammung für die Verleihung des Doktorgrades alle Voraussetzungen erfüllt sind. In der Bescheinigung ist jedoch ausdrücklich zu vermerken, dass sie nicht als Promotionsurkunde gilt."
Kurz vor Kriegsende wurde er Anfang 1945 bei einem Fliegerangriff nahe seinem Wohnhaus in Wien-Foridsdorf fahrradfahrend von der Druckwelle eines nahen Bombeneinschlages erfasst und getötet.
Er wurde im Familiengrab am Kagraner Friedhof in Wien bestattet.
Zahlreichen anderen Studierenden, die im Nationalsozialismus den gleichen Schikanen ausgesetzt waren, wurde nur vier Monate später, kurz nach Kriegsende, aufgrund diese Bestätigung ohne jede weitere Formalität und rückdatiert ihr Doktordiplom ausgestellt - leider hat er dies nicht mehr erlebt.
Ein entsprechender Antrag seiner Verlobten Gertraut Plauensteiner wird im Juli 1945 von Rektor Ludwig Adamovich sen. mit dem Hinweis "Da es eine Promotion post mortem nicht gibt, bitte ich, die Antragstellerin direkt abschlägig zu bescheiden." an den Dekan der Medizinischen Fakultät Leopold Arzt zur ablehnenden Erledigung weitergeleitet.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937-1943; Promotionsprotokoll MED 1941-1954, Rektorat GZ 97/I ex 1942/43 ONr. 60-61, GZ 97/I ex 1943/44 ONr. 11-13, GZ 482 ex 1944/45 ONr. 5-6, MED GZ 1115 ex 1939/40, GZ 10 ex 1943/44; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 400; Verstorbenensuche Friedhöfe Wien; freundlicher Hinweis seines Urgroßneffen Mag. Alexander Lieberich, Wien 02/2020.
Katharina Kniefacz, Herbert Posch