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Ignaz Glattstein

Geb. am: 26. Oktober 1909
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene Studierende
Ignaz GLATTSTEIN, geb. am 26. Oktober 1909 in Kalusz [Калуш/קאַלוש]/Galizien [später Polen, heute Ukraine] (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Josef Glattstein (Kaufmann, Wirkwarengeschäft in 1., Marc-Aurel Straße 6) und wohnte in Wien 3, Adamsgasse 17/13.
Glattstein studierte seit dem Wintersemester 1929/30 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien - mit einer Unterbrechung des Studienjahres 1934/35 - bis zum Wintersemester 1937/38, dass ihm am 4. Februar 1938 als  7. Studiensemester gültig angerechnet wurde. Ein Abgangszeugnis (Studienzeitbestätigung) wurde am 2. April 1938 ausgestellt, ein Absolutorium bzw. die Zulassung zu den Abschlussprüfungen ist nicht mehr vermerkt. Seine Tochter erinnert sich noch an die Beschreibungen seiner letzten Tage an der Universität Wien:
"A few days before my father left the university he participated as assistant doctor in an operation on a nazi officer that had been wounded. This officer spoke many things while he was narcotized - among the things he said was the date the Nazis where entering Vienna. After the operation his "best friend" who also participated in the operation said to him, that he must leave immediately this place, leaving everything behind this very night, otherwise he would tell the Nazis about him. My father left Austria the March 26th, 1938. He left the University that very night." (Jane G. Yechieli, 2012) Gemeinsam mit seinem Bruder Leo emigrierte er Anfang Mai 1938 zunächst in die Niederlande und von dort per Schiff nach Kolumbien. Einige Monate später konnten auch die Eltern, Sara und Josef Glattstein, der nationalsozialistischen Verfolgung entkommen und über Marseille/Frankreich nach Tahiti flüchten. Sein Bruder Leo emigrierte bereits kurze Zeit später nach Panama.
In den ersten Jahren der Emigration in Barranquilla/Kolumbien musste Ignaz Glattstein Geld verdienen und arbeitete bereits privat als Arzt (ohne Diplom). Daneben hatte er verschiedene andere Jobs, arbeitete nachts in einer Fabrik, in einer Apotheke und als Chemiker und stellte Seifen, Cremen und Kosmetika her, die während des Krieges in Kolumbien Mangelware waren.
1943/44 lernte er Cecilia Carrillo kennen, die er später heiratete. Nach Kriegsende wollte er gerne sein Medizinstudium fortsetzen, konnte sich aber unter den Bedingungen der Emigration kein neuerliches Studium leisten:
"After the war, things started to change, Ignaz dreams of going to the States and finishing his exams. He has learned Spanish and English during these years; but he never managed to save enough money for his studies, the trip and his living expenses, so he was never able to get a visa to the United States." (Jane G. Yechieli, 2012) Stattdessen emigrierte Glattstein 1945 gemeinsam mit seiner Frau nach Panama, wo sein Bruder Leo lebte. Er konnte eine von ihm erfundene Creme erfolgreich an die Ponds American Company verkaufen und verdiente genug, um sich ein neues Leben in Panama aufzubauen und mit seiner Frau ein kleines Lebensmittelgeschäft zu eröffnen.
Eine Fortsetzung des Medizinstudiums konnte er sich dennoch nicht leisten, ohne Studienabschluss konnte er den Arztberuf nicht ausüben und als er sich später wieder ein neues Leben aufgebaut hatte, war es für ein Studium zu spät und musste dieses für ihn sehr wichtige Lebensziel aufgeben. Dennoch wurde er von seinem Umfeld noch Jahre später "Doctor" bzw. "Dr. Igo" genannt. Er arbeitete später für das größte Juweliergeschäft in Panama und Zentralamerika, stieg bis zum Manager auf und öffnete später drei eigene Geschäfte.
Er engagierte sich intensiv in der Jüdischen Gemeinde Panamas, war Mitbegründer der ersten jüdischen Schule, der Synagoge und Friedhofs für Ashkenazi Juden und sammelte als Präsident der Bnei Brith von Zentralamerika unermüdlich Spendengelder für wohltätige Zwecke in Israel (Universität in Har Hazofim, Hadassa Hospital, Shaarei Zedek Hospital etc.). Im Alter erfüllte Ignaz Glattstein sich den Wunsch, in Israel zu leben. Er übernahm die damals einzige Praxis für Augenprothesen in Israel und begann nach einigen Monaten der Ausbildung im Alter von 63 Jahren seine Arbeit im medizinischen Bereich. Ignaz Glattstein starb 1981 im Alter von 72 Jahren in Israel und wurde in Moshav Hibbat Zion bestattet.


Lit: POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 393; freundliche Information seiner Kinder Jane G. Yechieli und Gary Glattstein, Israel 2012; KNIEFACZ/POSCH 2017b.


Katharina Kniefacz und Herbert Posch


Nationale von Ignaz Glattstein, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Ignaz Glattstein, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien
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