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Katharina (Käthe, Kathe) Gallia

Geb. am: 23. April 1899
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Doktorgradaberkennung

Katharina (Käthe, später Kathe) GALLIA, geb. am 23. April 1899 in Wien, war die Tochter des wohlhabenden Kaufmanns Moritz Gallia (1858−1918) und dessen Frau Hermine, geb. Hamburger (1870−1936), die u.a. 1904 von Gustav Klimt porträtiert wurde.

Gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Lene Gallia (1899–1926) hatte sie am 19. Mai 1923 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien den Grad eines Dr. phil. in Chemie erworben (Dissertation: "Über die Produkte prolongierter tryptischer Verdauung des Caseins").
Nach dem Studium arbeiteten beide als Chemikerinnen in einer Wiener Fabrik. Nachdem Lene 1926 im Alter von 27 Jahren an einer unbekannten Krankheit verstarb und ihre Mutter eine Vergiftung durch Chemikalien an der Arbeitsstelle als Todesursache vermutete, verließ Käthe Gallia auf ihr Drängen die Fabrik und übernahm die Geschäftsleitung des Familienunternehmens "Graetzin-Licht-Gesellschaft", das Gasöfen verkaufte.

Nach dem "Anschluss" verlor Gallia Ende März 1938 ihre Arbeitsstelle als Geschäftsführerin und die Firma, die ihr zur Hälfte gehörte, wurde "arisiert". Wenig später wurde ihre Wohnung von SS und Gestapo durchsucht, Vermögenswerte beschlagnahmt, sie verhaftet und wiederholt verhört, da sie verdächtigt wurde, Vermögenswerte illegal ins Ausland zu schaffen. Sie war sieben Wochen im Polizeigefängnis in Wien 9, Hahngasse inhaftiert, bis sie Ende Mai 1938 ein Schriftstück unterzeichnete, mit dem sie sich verpflichtete, ihr Eigentum aufzugeben und innerhalb von drei Monaten das Deutsche Reich zu verlassen.
Dank ihrer guten Finanzlage und bester Kontakte konnte Käthe Gallia gemeinsam mit ihrer Schwester Margarete (Gretl) Gallia (1896-1975) und ihrer Nichte Anne Gallia, später verh. Bonyhady (1922−2003), ihre Emigration rasch vorbereiten und hatte im September 1938 bereits alle nötigen Papiere und Visa für die USA und Australien. Die Wahl fiel schließlich auf Australien, da sich bereits Familienmitglieder dort befanden.
Unmittelbar nach der "Reichspogromnacht" reisten Gretl und Anne am 12. November 1938 nach St. Gallen/Schweiz ab. Käthe folgte ihnen am 15. November, nachdem es ihr mit Hilfe eines Anwalts gelungen war, zumindest ihren beschlagnahmten Schmuck wiederzuerhalten und in die Schweiz mitzunehmen. Die Familie Gallia konnte nur einen Teil ihrer Kunstsammlung in die Emigration mitnehmen, darunter das Klimt-Gemälde. Die von Josef Hoffmann gestaltete Einrichtung des Familiensitzes und das Bild "Paar am See" von Ernst Stöhr, wurde 1976 an Anne Bonyhady vererbt und an Rudolf Leopold verkauft und gehört heute der Sammlung des Leopold Museums in Wien. Zahlreiche weitere Vermögenswerte mussten sie zurücklassen. Von Zürich/Schweiz reisten die drei Frauen per Flugzeug weiter nach Großbritannien, wo sie in Southampton ein Schiff nach Batavia/Niederländisch-Ostindien [Djakarta/Indonesien] nahmen, wo sie am 22. Dezember 1938 ankamen. 1939 kamen sie in Sydney/Australien an, wo sie bei der Ankunft von Hilfskomitees unterstützt wurden. Ihr Bruder Erni Gallia und die Schwägerin Mizzi sowie deren Mutter Anna folgten 1939 bzw. 1940 nach Australien.

In Sydney änderte Käthe Gallia ihren Namen in Kathe. Da nur ein Teil ihrer Qualifikationen anerkannt wurde, arbeitete sie im März und Mai 1939 zunächst für einige Wochen als Laborantin in einem Krankenhaus. Zu Kriegsbeginn im Herbst 1939 fand sie eine dauerhafte Stelle als Chemikerin in einer Fabrik für Bleistifte und Kohlepapier, während ihre Schwester Gretl als Musiklehrerin arbeitete. 1944 erhielten beide die britische Staatsbürgerschaft.
Ab 1942 arbeitete Kathe Gallia als Chemielaborantin und Biochemieassistentin an der Medizinischen Forschungsabteilung des North Shore Krankenhauses in Sydney, wofür die Schwestern in eine Wohnung in einem Vorort Sydneys, Cremorne, umzogen.

Am 14. Juli 1942 wurde ihr der Grad aus rassistischen Gründen aberkannt, da sie im Nationalsozialismus "als Jüdin als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig" galt.
Erst 13 Jahre nach der Aberkennung und lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihr der Doktorgrad am 15. Mai 1955 wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für 'von Anfang an nichtig' erklärt.

Kathe Gallia starb 1976 in Sydney, ein Jahr nach ihrer Schwester Gretl. Beide wurden im Familiengrab am Hietzinger Friedhof in Wien 13 bei ihren Eltern und Kathes Zwillingsschwester Lene bestattet.


Lit.: POSCH 2009, 416; Tim BONYHADY, Wohllebengasse. Die Geschichte meiner Wiener Familie, Wien 2013; sowie Presseberichte zur Publikation, u.a. in Profil; Die Welt.


Katharina Kniefacz


Hermine Gallia mit ihren Töchtern Lene, Käthe und Gretl, 1917/18 (c) Archiv Tim Bonyhady [http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article121566130]
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