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Martin Fischer

Geb. am: 22. Mai 1913
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene Studierende
Martin FISCHER, geb. am 22. Mai 1913 in Kamionka Strumiłowa, Galizien/Österreich-Ungarn [später Polen, dann UdSSR, heute: Kamjanka-Buska | Кам'янка-Бузька/Ukraine] (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Ephraim Fischer (Spenglergehilfe), wohnte in Wien 2, Radingerstraße 13/27, hatte 1933 am Bundesgymnasium Wien II., Zirkusgasse 48, die Reifeprüfung abgelegt und begann im Wintersemester 1933/34 sein Medizinstudium an der Universität Wien. Er war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 8. Studiensemester inskribiert (Sommersemester 1938 wurde ihm am 5. Oktober 1938 als gültig angerechnet). Er wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen verfolgt, konnte im Sommersemester 1938 im Rahmen des Numerus clausus für jüdische Studierende zwar formal noch einige Wochen weiter studieren, wurde aber dann gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen. Er wurde in Wien verhaftet und im Polizeigefängnis Rossauer-Lände interniert, später nach Salzburg transferiert, wo er als Zwangsarbeiter in einer Straßenbaukolonne eingesetzt wurde. Schließlich gelang es ihm im April 1939 freizukommen – vermutlich durch die Unterstützung des "Central British Fund for Jewish Refugees" - und ein Visum für Großbritannien zu erhalten und dorthin emigrieren zu können. Er wurde aber unmittelbar nach der Ankunft als "enemy alien" interniert und kam in das Internierungslager "Kitchener Camp in Palmerston, Kent", mit steigender Kriegsgefahr wurde er dann für einige Wochen im "Central Camp" in Douglas auf der Isle of Man interniert bevor er mit Hunderten anderen Internierten von dort per Schiff nach Kanada gebracht wurde. Dort waren vom Kanadischen Militär elf Internierungslager in verschiedenen Provinzen errichtet worden.
Martin Fischer kam im Juli 1940 in das Lager Fort Lennox in Isle Aux Noix, Quebec. Nach 18 Monaten im Lager Fort Lennox fand sich ein Arzt des Mt. Sinai Hospital in Toronto, Ontario, der ihm ermöglichte das Lager zu verlassen und an der University of Toronto den Studienabschluss in Medizin nachzuholen und 1943 zu promovieren. Anschließend begann er seine Ausbildung zum Psychiater. Beruhend auf Sigmund Freuds Theorien zum Unbewussten sah Martin Fischer Kunst – ebenso wie Träume – als Weg, um das Unbewusste zu erreichen. Er wurde ein Pionier der Kunsttherapie in Kanada und bot diese Möglichkeit der Äußerung ab 1947 den psychiatrischen Patient*innen am Ontario Lakeshore Psychiatric Hospital in Toronto an, nach Eröffnung einer Privatpraxis für Psychiatrie 1949 in Toronto, auch seinen Privatpatient*innen. Als Berater der Ontario Children’s Aid Society führte er die Kunsttherapie für Kinder ein. Um die Akzeptanz für die neue Therapieform zu fördern gründete er 1968 das Toronto Art Therapy Institute (TATI) als erstes Ausbildungsprogramm für Kunsttherapeut*innen in Kanada. 1977 gründete er die Canadian Art Therapy Association (CATA) und wurde deren erster Präsident. 1982 unterstützte er wesentlich die Gründung des Vancouver Art Therapy Institute (VATI). Martin Fischer arbeitete bis 1989 als Psychiater in Toronto, international anerkannt für seine Arbeit in den Bereichen der stationären Therapie für schwer verhaltensgestörte Kinder und Erwachsene, der Gruppentherapie und der Entwicklung der Berufsausbildung zur Kunsttherapie. 1989 verlieh ihm die Ontario Medical Association den Glen Sawyer-Preis für seinen Beitrag an die Gemeinschaft. Er starb 1992 in Toronto, Kanada.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1933-1938; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 383; freundlicher Hinweis seiner Kinder Steven Fischer, Toronto 11/2010, Dr. Erica Fischer, 08/2011 und Philip Fischer, Toronto 09/2020; Toronto Art Therapy Institute; Vancouver Art Therapy Institute; Arts in Health & Care.


Katharina Kniefacz und Herbert Posch


Nationale von Martin Fischer, Sommersemester 1938 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Martin Fischer, Sommersemester 1938 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Martin Fischer, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Martin Fischer, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Martin Fischer, © Toronto Art Therapy Institute

Martin Fischer, Reisepass 1938, © Philip Fischer, Toronto

Martin Fischer, Reisepass 1938, Visum für Großbritannien 1939, © Philip Fischer, Toronto
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