Wilhelm Amann
Geb. am: |
01. Juli 1912 |
Fakultät: |
Juridische Fakultät |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Wilhelm AMANN, geb. am 1. Juli 1912 in Wien/Österreich-Ungarn (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Sohn von Dr. Paul Amann (Realschulprofessor, 1884-1958) und Martha Amann, geb. Popper (1895-?), wohnte in Wien 14, Einwanggasse 25. Er hatte im Sommersemester 1931 sein Jusstudium an der Universität Wien begonnen und war zuletzt im Sommersemester 1936 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät im 11. Studiensemester inskribiert. Er befand sich seither im Stadium der Abschlussprüfungen.
Er wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Prüfungsverfahren abzubrechen und die Universität Wien endgültig zu verlassen.
Wilhelm Amann musste aus Wien flüchten und konnte nach Großbritannien emigrieren.
Sein Vater Paul Amann (bis 1906: Amschelberg), seit 1910 Realschulprofessor am
Goethe-Gymnasiums in 14., Astgasse 3, wurde nach dem Anschluss zwangspensioniert. Er war auch als Schriftsteller (Arbeiten über deutschen und französischen Nationalcharakter sowie jüdische Assimilation) und Übersetzer (u.a. von J. R. Bloch, M. Maeterlinck, H. de Montherlant und Romain Rolland aus dem Französischen) bekannt und stand seit 1915 mit Thomas Mann über vier Jahrzehnte im Briefwechsel (publiziert 1959). Sein 1934 erschienenes buch "Tradition und Weltkrise" war im Dritten Reich seit 1935 verboten, er wurde aber 1937 in Paris für seine Verdienste um die französische Literatur zum "Officier de l’Académie Française" ernannt und war auch seit Ende 1935 Mitglied der Wiener Freimaurerloge
B´nai Brith Wahrheit. Alles Gründe, möglichst rasch aus Wien zu flüchten, es gelang ihm aber erst im Februar 1939 mit dem Rest der Familie nach Paris zu emigrieren und nach der deutschen Besetzung nach Montpellier von wo er im September 1941 in die USA emigrierte.
Wilhelm Amann, der schon seit 1936 in Wien zur Jugendgruppe um den anthroposophischen Arzt Dr. Karl König gehört hatte, ging dann 1939 von England nach Schottland zur
späteren Camphill-Gruppe in Kirkton House, Aberdeenshire, wo sich rund um Dr. Karl König eine anthroposophische Schul-, Lebens- und Arbeitsgemeinschaft nach den Ideen von Rudolf Steiner entwickelte. Wilhelm arbeitete als Lehrer für geistig behinderte Kinder mit. Zur Gruppe gehörten zahlreiche andere vertriebene Wiener*innen, wie etwa
Alexander Baum, Alix Roth,
Peter Roth,
Thomas Weihs,
Marie Blitz-Korach, Anke Weihs,
Hans Schauder, Carlo Pietzner und Gertrude Blau (1915-1987). Sie war bereits 1936 von Wien nach Arlesheim bei Basel/Schweiz zur dortigen anthroposophischen Community gegangen und baute ab 1939 Camphill mit auf und wurde später seine Frau (ihre Schwester
Alice Blau, verh. Adler war 1938 ebenfalls von der Universität Wien vertrieben worden). Nach Kriegsbeginn wurde Wilhelm Amann aber als
enemy alien interniert, und, da er noch unverheiratet war, am 3. Juli 1940 mit der
SS Entrick nach Kanada verbracht und kam erst im März 1941 mit der
SS Georgic wieder nach England zurück, wo er am 25. März 1941 aus der Internierung entlassen wurde, wieder nach Camphill ging, wo er und Gertrude Blau dann heirateten.
Er verließ aber seine Frau und Camphill bereits 1944 um ein ähnliches Projekt, die Garvald Steiner School in West Linton, Schottland aufzubauen. Er war später verheiratet mit Renate Lore Lewinsohn (1925-1997) und sie hatten vier Kinder.
Wilhelm Amann starb am 24. Dezember 1999 in Edinburgh, Schottland/Großbritannien.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale IUR 1931–1938; Österreichisches Staatsarchiv OeStA/AdR/E-uReang/VVSt/VA 4991, OeStA/AdR/E-uReang/FLD 1089; www.ancestry.de; wikipedia (zum Vater); Richard STEEL, 80 Jahre Camphill 1940-2020, eine Ausstellung, Aberdeen 2020; freundlicher Hinweis von John Baum, Oslo/Norwegen 02/2012.
Herbert Posch