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Dina Engelberg, recte Gottesmann, verh. Bunzl

Geb. am: 26. August 1914
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende

Dina ENGELBERG, recte GOTTESMANN, verh. BUNZL, geb. am 26. August 1914 in Stary Sambor, Galizien/Österreich-Ungarn [später Polen, heute: Staryj Sambir/Ukraine] (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Tochter von Majer Leib/Leopold Engelberg, recte Gottesmann (1875–1942, Kaufmann, Holzgroßhandel) und Chajes Sarah Engelberg, recte Gottesmann (1876–1936), wohnte in Wien 9, Bleichergasse 14/18. Sie war bereits als Einjährige am Beginn des Ersten Weltkrieges 1915 mit der Familie – Eltern und sechs Geschwister – aus Galizien nach Wien übersiedelt, wo sie ihre gesamte Schulausbildung absolvierte und legte 1934 am Realgymnasium des Vereins für realgymnasialen Mädchenunterricht in Wien 8., Albertgasse 38, die Reifeprüfung (Matura) mit gutem Erfolg ab.
Anschließend hatte sie im Wintersemester 1934/35 an der Universität Wien Biologie zu studieren begonnen, war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Philosophischen Fakultät im 7. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Botanik und Zoologie.

Sie meldete sich bereits am 10. November 1937 zu den Rigorosen an und bestand auch das erste Rigorosum am 3. Dezember 1937 beim Pädagogen Richard Meister und dem Philosophen Robert Reiniger mit Auszeichnung, danach bricht das Prüfungsverfahren aber ab, bevor sie ihre geplante Dissertation zu "Geschichtliche Entwicklung der Begriffe Blüte und Frucht" abschliessen, einreichen und das zweistündige Rigorosum beim Botaniker Fritz Knoll (illegaler Nationalsozialist, ab März 1938: Rektor) ablegen konnte.

Sie konnte ihr Studium im Nationalsozialismus nicht mehr beenden und ist nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium bzw. das Abschlussprüfungsverfahren abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen.

Dina Engelberg lässt sich am 15. Juli 1938 eine Bestätigung der Faculté des Sciences de Paris ausstellen, dass ihre bisherigen Studien zumindest einem Baccalaureat gleichzusetzen wären (das es damals im österreichischen Studienrecht nicht gab), denn sie muss aus Österreich fliehen und es gelingt ihr, Mitte September nach Brüssel [Bruxelles] in Belgien zu emigrieren, wo sie einen Aufenthaltstitel bis Ende Juli 1939 erhält, vor dessen Ablauf sie am 22. Mai 1939 weiter nach England/Großbritannien emigrierte.

Am 6. Dezember 1939 wird sie von der Internierung als enemy alien ausgenommen, lebt anfangs in Essex, später in London, wo sie auch das Radcliff College besuchen kann. Sie engagiert sich ab 1941 im Londoner Austria Center bzw. im Free Austrian Movement und kann nach dem anfänglichem einjährigen Arbeitsverbot langsam auch facheinschlägige Arbeit finden, etwa 1942 als Mitarbeiterin in einer Londoner Apotheke. 1943/44 lernte den ebenfalls aus Wien emigrierten Österreicher Ing. Viktor Bunzl (1917–2000) kennen, sie heirateten am 6. Mai 1944 in England und 1945 kam Sohn John in London zur Welt, später noch ihre Tochter Kitty, verh. Weinberger.

Eine ihrer Schwestern war ebenfalls nach England (London) emigriert, zwei weitere in die USA (darunter die 1938 als Hilfsärztin von der Universität Wien vertriebene Dr. Adele Engelberg), eine weitere nach Palästina [Israel], ein Bruder nach Frankreich; eine Schwester und ihr Vater blieben in Wien und bevor die geplante Ausreise in die USA bzw. Kuba realisiert werden konnte, wurde Majer Leib/Leopold Engelberg am 28. Juli 1942 von Wien 2, Nestroygasse 1/9, nach Theresienstadt [Terezín/Tschechische Republik] deportiert und später ermordet und Charlotte Engelberg am 17. August 1942 aus Wien nach Maly Trostinec [Polen] deportiert und ermordet; ihr Bruder Dr. Heinrch Engelberg wurde nach der deutschen Besetzung Frankreichs im Lager in Drancy interniert und im August 1942 in das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager nach Auschwitz [Oświęcim/Polen] deportiert und ermordet.

Ende 1946 kehrt Dina Bunzl mit ihrem Mann und ihrem Sohn über die Schweiz zurück nach Österreich. Sie wohnten in Ortmann bei Pernitz, Niederösterreich, wo der im Nationalsozialismus geraubte ("arisierte") Besitz der Familie ihres Mannes ("Bunzl & Biach") nach 1945 wieder restituiert wurde.

Dina Bunzl, geb. Engelberg recte Gottesmann, starb am 20. August 1983 in Wien und ist am Friedhof in Wien-Döbling beigesetzt.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1937-1938, Rigorosenakt und -protokoll Phil 13881; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 379; Ruth und Peter WEINBERGER, Sechs Schwestern auf der Flucht vor den Nationalsozialisten, Weißenkirchen 2021, 131–166; freundliche Hinweise von Dina Bunzls Enkelin Dr.in Ruth Jolanda Weinberger, New York 12/2021; www.ancestry.de; www.doew.at.


Herbert Posch


Nationale von Dina Engelberg recte Gottesmann, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Dina Engelberg recte Gottesmann, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Dina Engelberg, Studentenausweis 1934, © Ruth Jolanda & Peter Weinberger

Dina Engelberg, Rigorosenakt vom 8. November 1937(PH RA 13881), © Archiv der Universität Wien

Dina Engelberg, Rigorosenprotokoll vom 3. Dezember 1937, © Archiv der Universität Wien

Dina Engelberg, Aufforderung des Rektorats wegen Studienangelegenheiten nach dem "Anschluss" vorzusprechen, 25. März 1938, © Ruth Jolanda & Peter Weinberger

Rektorat bestätigt Dina Engelberg, dass sie als "Nichtarierin" nicht weiter studieren kann, 18. Mai 1938, © Ruth Jolanda & Peter Weinberger

Dissertationsbetreuer (Botaniker und Rektor Prof. Fritz Knoll), bestätigt Dina Engelberg Studienerfolg und Stand der Dissertation, 18. Mai 1938, © Ruth Jolanda & Peter Weinberger
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