Geb. am: | 07. April 1918 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Elisabeth DUBSKY (verh. THURNHER), geb. am 7. April 1918 in Teschen [Cieszyn]/Polen (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Tochter von Arnold Dubsky (1882-1969, Bahn-Inspektor der ÖBB), hatte ihre Schulzeit zur Gänze in Wien absolviert und 1936 am Gymnasium des Wiener-Frauen-Erwerbs-Vereins in Wien 5, Wiedner Gürtel 68, die Reifeprüfung (Matura) abgelegt. Sie wohnte mit ihren Eltern in Wien 5, Margaretengürtel 40, war im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 4. Studiensemester inskribiert.
Sie war römisch-katholisch, galt aber im Nationalsozialismus als "Mischling 1. Grades" und konnte ihr Studium – bei jederzeitigem Widerruf – nur vorläufig fortsetzen.
Als alle "Mischlinge" ab dem 1. Trimester 1940 zur Fortsetzung ihres Studiums ein Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin um Studienzulassung stellen mussten, reichte Elisabeth Dubsky am 27. März 1940 ein Ansuchen zur Fortsetzung seines Studiums ein. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits das erste Rigorosum abgelegt, sieben Monate an der Univ.-klinik für Interne Medizin famuliert und arbeitete an der im Nationalsozialismus auch für Mediziner*innen erforderlichen Dissertation. Sie hielt in diesem Ansuchen auch fest:
"Ich gab auch nach dem Anschluss das Studium nicht auf, obwohl ich wußte, daß nach dem Deutschen Ärztegesetz ich nie eine Privatpraxis ausüben kann. Ich hoffte jedoch, das begonnenen Studium vollenden zu können um dann mich am Tropeninstitut in Hamburg für den Kolonial Dienst verpflichten zu dürfen, da ich hörte, dafür kommen auch Mischlinge in Frage. Sollte das heute nicht mehr der Fall sein, so hoffe ich doch, mir die Vollendung des so liebgewordenen Studiums gestattet wird, wenn ich unter bescheidenen Verhältnissen ein Betätigungsfeld für das erworbene Wissen zu erhalten. [...] Ich erwähne noch, dass ich im Jahre 1933 der Ortsgruppe 'Jung Wien' des Deutschen Schulvereins 'Südmark', im Jahre 1934 dem Deutschen Alpenverein beitrat."
Gemäß Vorschrift legte der Dekan der zuständigen Medizinischen Fakultät, Prof. Eduard Pernkopf, dem Antrag ein mit 26. April 1940 datiertes Gutachten bei, das "insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte]. Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind." [Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940]. Er stellte fest: "ist Mischling I. Grades; sie gibt an, dass sie dem Deutschen Alpenverein angehört. An ihr bemerkt man nichts besonders Jüdisches."
Das Reicherziehungsministerium entschied am 19. Juni 1940 (WF 2541) nach Absprache mit dem Reichsinnenministerium, Dubsky "ausnahmsweise" noch zur ärztlichen Prüfung zuzulassen, da sie die Vorprüfung (1. Rigorosum) bereits am 17. April 1939 bestanden hatte. Dabei wurde sie jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie als "Mischling 1. Grades" keine Chance hat, je eine Bestallung (Berufszulassung) als Ärztin im Deutschen Reich zu erhalten.
Nach bestandenem 2. und 3. Rigorosum stellte Elisabeth Dubsky am 5. Juni 1941 den Antrag an das Reichserziehungsministerium Berlin um Zulassung zur Promotion. Am 26. Juni 1941 versuchte Rektor Knoll beim Reichserziehungsministerium generell zu klären, "ob die den Mischlingen fallweise gewährte Genehmigung zum 'Abschluß des Studiums' auch die Erlangung des Doktorates umfaßt oder ob die Verleihung des Doktorgrades von einer zusätzlich einzuholenden Genehmigung abhängig ist" und legte für den letzteren Fall bereits das Gesuch von stud.med. Elisabeth Dubsky um Zulassung zur Entgegennahme des Doktordiploms befürwortet vor.
Elisabeth Dubsky wurde zur bedingten Promotion zur "Dr.med.univ." am 19. Juli 1941 zugelassen, ohne dass ihr aber ein Diplom überreicht wurde. Erst am 12. März 1942 entschied das Reichserziehungsministerium: "Sie galt bisher als Mischling 1. Grades. Sie hat durch Urkunden hier [im REM] nachgewiesen, dass sie allenfalls Mischling 2. Grades ist." Da eine Aushändigung der Promotionsurkunde an die vorherige Bestallung als Ärztin gebunden ist, sollte sie um diese rasch ansuchen. Dafür benötige sie von der Universität eine entsprechende Bestätigung, dass sie Prüfungen und alle sonstigen Voraussetzungen für Promotion erfüllt habe. Ein solches Zeugnis sollte von der Universität ausgestellt und ihr oder der Bestallungsbehörde direkt übermittelt werden. Am 16. April 1942 erfolgte eine entsprechende Bestätigung der Universität (ohne Erwähnung eines Mischlings-Kontextes bzw. des Status "Mischling noch nicht festgesetzten Grades") und es folgte noch eine Diskussion zwischen Dekan der Medizinischen Fakultät und Rektor, was denn nun das Datum der Promotionsurkunde sei, wenn es erst nach der Bestallung Gültigkeit erlange bzw. ausgestellt werden dürfe, ob also das Datum der Bestallung damit auch das Datum der Promotionsurkunde werde. Rektor Knoll verneinte, es bleibe beim tatsächlichen Datum der Promotion auf der Urkunde, egal, wann sie ausgehändigt werde. Ob das Doktordiplom die bei "Mischlingen 1. Grades" übliche "Sperrklausel" enthielt, die besagte, dass sie zur Ausübung der ärztlichen Praxis im Deutschen Reich nicht berechtigt war, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, da dies nicht im Promotionsprotokoll explizit festgehalten wurde.
Ihre Promotion war nach dem Ende des Nationalsozialismus uneingeschränkt gültig ab dem Tag der provisorischen Promotion, sie heiratete 1943 den Tierarzt und späteren Univ.-Prof. Dr. Bruno Thurnher (1912-1981) in Wien und sie hatten gemeinsam einen Sohn - den Veterinärmediziner Dr. Martin Thurnher (1945-2006).
Dr.med. Elisabeth Thurnher erhielt 1948 die Zulassung als praktische Ärztin in Wien und ordinierte in eigener Praxis in Wien 8, Bennoplatz 6/9 bis Ende 1970, arbeitete auch als Werksärztin in den Siemens-Schuckert-Werken und als Betriebsfürsorgeärztin bei der Wiener Gebietskrankenkasse. Mit 30. Juni 1980 ging sie in Pension nachdem sie zuvor zum Medizinalrat und schließlich auch Obermedizinalrat ernannt worden war.
Dr. Elisabeth Thurner, geb. Dubsky, lebte 2022, 104jährig, in Wien.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1935-1940, Promotionsprotokoll MED 1929-1941, M33.13 Nr. 5666, MED S 51.2 ONr. 33, 34, MED GZ 10 ex 1941, MED GZ 1115 ex 1939/40, RA GZ 944 ex 1939/40/41, RA GZ 464 ex 1938/39; Österreichisches Staatsarchiv ÖStA/AdR/02-Unterricht/Kurator d. wiss. Hochsch. Wien (K. 13)/GZ 5201 ex 1940-1943; Wiener Stadt- und Landesarchiv WStLA/Ärztekammer Wien, K2/1 - Kartei: Ärztinnen und Ärzte; freundlicher Hinweis von Dr.in Barbara Sauer, Wien 10/2024; Kleine Zeitung vom 4. September 2022.
Herbert Posch