Adalbert Duschek
Geb. am: |
02. Oktober 1895 |
Fakultät: |
Philosophische Fakultät |
Kategorie: |
Vertriebene WissenschafterInnen |
Adalbert DUSCHEK, geb. am 2. Oktober 1895 in Mödling bei Wien, gest. am 6. Juli 1952 in Wien, war 1938 Privatdozent für Mathematik an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien.
Er wurde im Nationalsozialismus aus politischen Gründen verfolgt und am 22. April 1938 seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben.
Der Sohn eines Prokuristen
[1] besuchte das Gymnasium in Gmunden und Wien,
[2] maturierte 1914,
[3] und inskribierte daraufhin an der TH Wien, um das Studium an der Bauingenieurschule zu beginnen.
[4] Nach nur einem Semester rückte er im März 1915 ein und nahm als Leutnant der Reserve in Albanien, Montenegro und Italien am Ersten Weltkrieg teil.
[5] Nach Kriegsende studierte er Mathematik und Physik an der Technischen Hochschule wie auch an der Universität Wien,
[6] und promovierte im März 1921 zum Dr. phil.
[7] Zum Zeitpunkt des Studienabschlusses war er bereits – seit Dezember 1920
[8] – als wissenschaftliche Hilfskraft aktiv und begann im Jahr darauf als Assistent am Lehrstuhl für Mathematik der Bauingenieurschule der TH. Ebenda habilitierte er sich 1924 für Mathematik,
[9] während 1930 die Habilitation an der Universität Wien, und 1936 die Ernennung zum ao. Prof. an der TH folgten.
[10]
Infolge der Machtübernahme des Nationalsozialismus in Österreich hatte Duscheks Lehrbefugnis per Ministeriumserlass vom 22. April 1938 "bis auf weiteres zu ruhen".
[11] Mit Ende Mai versetzte ihn das Unterrichtsministerium in den zeitlichen Ruhestand, wobei sich die NS-Behörden – wie auch in anderen Fällen – auf zwei Bundesgesetzblätter des austrofaschistischen Ständestaats stützten.
[12] Worauf Duscheks Maßregelung zurückzuführen ist, geht in weiterer Folge aus einem Schreiben der Reichsstatthalterei vom 27. März 1939 hervor, in dem Duschek gemäß § 3, Abs. 1 der Berufsbeamtenverordnung mit Ende April 1939 in den Ruhestand versetzt wurde.
[13] Der angeführte Paragraph 3 kam nämlich dann zur Anwendung, wenn der/die Betroffene und/oder dessen Ehepartner nicht als "Arier" bzw. "Arierin" galt(en). Im Hinblick auf das Ruhen der Lehrbefugnis bzw. die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand ist freilich auch denkbar, dass vorerst politische bzw. weltanschauliche Gründe ausschlaggebend waren, und die nicht-"arische" Abstammung erst nachträglich zur Kenntnis der NS-Machthaber gelangte. Eine politische Tätigkeit für die Sozialistische Partei etwa, der Duschek ab 1945 als Bundesrat angehören sollte, ist aus der Zeit vor dem "Anschluss" bzw. in den Akten aber nicht dokumentiert. Seines Lehrpostens enthoben konnte Duschek 1940
[14] als wissenschaftlicher Konsulent in der ELIN AG Fuß fassen,
[15] wo er bis Kriegsende als technischer Angestellter und Konsulent tätig war.
[16]
Unmittelbar nach Kriegsende, am 6. April 1945, konnte Duschek seinen Dienst an der Technischen Hochschule wieder aufnehmen,
[17] wobei ihn das Professorenkollegium im Mai auch zum provisorischen Rektor wählte.
[18] Das Amt legte er schließlich im Februar 1946 nieder, nachdem er zum Bundesrat ernannt worden war.
[19] Duschek wurde im Jahr 1945 aber nicht nur zum Rektor gewählt, sondern auch – mit Rechtswirksamkeit vom 27. April
[20] – zum Ordinarius am 1. Institut für Mathematik der TH ernannt.
[21] An der Universität Wien wiederum konnte er seine Tätigkeit ebenfalls im Sommersemester 1945 wieder aufnehmen.
[22]
Duscheks Engagement für die SPÖ in der frühen Zweiten Republik zeigt sich nicht nur anhand seiner Funktion als Bundesrat, in der er bis zu seinem Tod wirkte – er war auch wichtiger Berater in kultur- und hochschulpolitischen Angelegenheiten und nahm als Präsidiumsmitglied im "Bund sozialistischer Akademiker" eine führende Rolle ein.
[23] Trotz seiner Schädigung durch den Nationalsozialismus trat er im Dezember 1946 als entschiedener Gegner der Entnazifizierung auf und verglich diese in der Arbeiter-Zeitung gar mit der Verfolgung und Ermordung der Juden im "Dritten Reich":
"Es ist klar, daß man beispielsweise die Hochschulen in einer sehr einfachen Weise entnazifizieren kann, indem man alle, die irgendwie mit der NSDAP. zu tun hatten, ob es jetzt Studenten oder Professoren sind, eliminiert, und daß man dasselbe in der Verwaltung, in der Wirtschaft und so weiter tun kann. Genau dasselbe haben die Nazi mit den Juden getan und in seiner letzten Konsequenz hat dieser Weg in die Gaskammern geführt."
[24]
Duschek war auch Vizepräsident der österreichischen UNESCO-Kommisssion wie auch Mitglied des akademischen Rates.
[25] Für den Zeitraum um 1930 sind außerdem Mitgliedschaften in der Mathematischen Gesellschaft Wien, der Chemisch-physikalischen Gesellschaft Wien, der Deutschen Mathematiker-Vereinigung und des Circolo matematico Palermo dokumentiert.
[26]
Duschek veröffentlichte v. a. Lehrbücher über Differentialgeometrie und Tensorrechnung, wie auch mehrere Arbeiten zur Differentialgeometrie, zur angewandten Mathematik und Variationsrechnung von ihm erschienen. Ihm und Rudolf Inzinger ist die Errichtung des Mathematischen Labors an der TH zuzuschreiben. Außerdem war er stets um eine enge Kooperation zwischen Mathematik, Technik und Wirtschaft bemüht. Über zwei Jahre hinweg hatte er den Vorsitz in der Mathematischen Gesellschaft inne und war maßgeblich an der Leitung des Mathematikerkongresses in Wien beteiligt.
[27] Auch zeigte er sich für die Übersetzung bedeutender mathematischer Werke aus dem Italienischen verantwortlich.
[28]
Lit.: Österreichisches Staatsarchiv/AdR, BKA, BBV, Archiv der Universität Wien/PA Duschek, PH PA 1510, PHIL GZ 659 ex1937/38;MÜHLBERGER 1993, 39; CZEIKE Bd. 2 1993; EBNER/MIKOLETZKY/WIESER 2017, 79; WienGeschichteWIKI; KILLY Bd. 2 1995; PLANER 1929; TEICHL 1951; www.parlament.gv.at; Arbeiter-Zeitung.
[3] UA, PA, Blatt Nr. 21, Bericht über Duscheks Gesuch um Verleihung der venia legendi für Mathematik, o. D.
[4] UA, PA, Blatt Nr. 27, Curriculum vitae, 30. 11. 1929.
[5] ÖStA/AdR, PA, Personalstandesblatt, 17. 8. 1945
[7] ÖStA/AdR, PA, Personenstandesblatt, 17. 8. 1945.
[8] UA, PA, Blatt Nr. 21, Bericht über Duscheks Gesuch um Verleihung der venia legendi für Mathematik, o. D.
[10] UA, PA, Blatt Nr. 4, Nachruf von N. Hofreiter (Mathematisches Institut der Universität Wien), 17. 6. 1957.
[11] UA, PHIL, GZ 659-1937/38, O.-Nr. 89, PHIL Dekanat an Duschek, 23. 4. 1938.
[12] ÖStA/AdR, PA, Österreichisches Unterrichtsministerium an Duschek, 28. 5. 1938 (Abschrift). Zur Anwendung kamen BGBl. Nr. 208/1934 sowie BGBl. Nr. 333/1936.
[13] ÖStA/AdR, BKA, BBV, Der Reichsstatthalter an Duschek, 27. 3. 1939.
[15] UA, PA, Blatt Nr. 4, Nachruf Hofreiter.
[17] ÖStA/AdR, PA, Verwaltungsstelle der wissenschaftlichen Hochschule in Wien, 7. 11. 1945
[19] Ebd., BMU an Rektorat der TH Wien, 15. 3. 1946.
[20] Ebd., Verwaltungsstelle der wiss. Hochschulen in Wien an Duschek, 26. 11. 1945.
[22] UA, PA, Blatt Nr. 52, Staatsamt für Volksaufklärung an PHIL Dekanat, 23. 6. 1945.
[23] UA, Nachruf Hofreiter.
[24] Arbeiter-Zeitung, 25. 12. 1946, 2.
[25] UA, PA, Blatt Nr. 4, Nachruf Hofreiter.
[26] Ebd. (ohne Paginierung), Fragebogen, o. D.
[27] Ebd., Blatt Nr. 4, Nachruf Hofreiter.
[28] Ebd., Blatt Nr. 21, Bericht über Duscheks Gesuch um Verleihung der venia legendi für Mathematik, o. D.
Andreas Huber